So will der LKA-Präsident gegen Cyberkriminalität vorgehen
Andreas Stenger sprach am Mittwoch beim "Hirschberger Kreis". Er will "die Infrastruktur der Täter zerstören".

Von Stefan Zeeh
Hirschberg-Großsachsen. Im Schatten spektakulärer Raubüberfälle oder Morde hat sich mit der zunehmenden Verbreitung des Internets die Cyberkriminalität zu einer Bedrohung für einzelne Personen, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen entwickelt. Beispielsweise werden Computer oder ganze Netzwerke mit Schadsoftware infiziert und so lahmgelegt. Die Betroffenen werden erpresst und sollen hohe Geldzahlungen leisten, damit die Systeme wieder freigegeben werden.
Was unternimmt der Staat, insbesondere die Kriminalpolizei, gegen diese Straftaten? Diese Frage beantwortete am Mittwoch beim "Hirschberger Kreis", der Veranstaltung, deren Erlös der Jugendarbeit des Turnvereins Germania Großsachsen zugutekommt, bei Maronensüppchen und Hirschsauerbraten im Hotel Krone der Präsident des Landeskriminalamtes (LKA) Baden-Württemberg, Andreas Stenger, knapp 80 erschienenen Gästen. "Ein Mann, der mit den Hühnern aufsteht, aber nicht mit diesen zu Bett geht", beschrieb Kriminalbeamter und Gemeinderat Christian Würz die Arbeitszeiten seines ehemaligen Vorgesetzten im Mannheimer Polizeipräsidium.
Und dass Stenger in seiner Arbeit aufgeht, merkte man in jeder Sekunde seines Vortrags. "Eine kriminalitätsfreie Welt ist Utopie", verdeutlichte er sogleich, dass die Bekämpfung von Kriminalität nie aufhören wird. Dabei stellt die Cyberkriminalität die Kriminalbeamten vor große Herausforderungen, auch wenn sie im Vergleich zu den althergebrachten "analogen" Straftaten noch relativ gering ist, wenngleich mit großem Wachstumspotenzial.
Gut 550.000 dieser "analogen" Straftaten zählte man in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr, mehr als 60 Prozent davon konnten aufgeklärt werden. Nur knapp 140.000 Straftaten waren es dagegen bundesweit im Bereich der Cyberkriminalität bei einer Schadenssumme von rund 200 Milliarden Euro. Hierbei beträgt die Aufklärungsquote allerdings nur etwa 30 Prozent.
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"Die Täter sitzen in Ländern, auf die wir keinen Zugriff haben", erklärte Stenger. Viele operierten von Russland aus, wusste er. Hier gebe es nicht nur eine "Cybermafia von Putins Gnaden", auch der russische Staat selbst wäre auf dem Gebiet der Cyberattacken aktiv.
Dabei habe man nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine erhöhte Tätigkeit festgestellt. Jedoch seien bisher keine Angriffe auf Einrichtungen der kritischen Infrastruktur, wie etwa Energieunternehmen, festgestellt worden, beruhigte der LKA-Präsident seine Zuhörer.
Die Täter würden aber nicht immer selbst die Straftaten begehen, sie verkauften auch entsprechende Software für Cyberangriffe im Darknet. Habhaft könne man den Kriminellen nur werden, wenn sie sich von ihrem sicheren Ort ins Ausland begeben, um beispielsweise die Bregenzer Festspiele zu besuchen, so Stenger.
"Wenn wir die Täter schon nicht festnehmen können, müssen wir deren Infrastruktur zerstören", ging der LKA-Präsident auf die Vorgehensweise zur Bekämpfung der Cyberkriminalität ein. So wäre das Auffinden und Zerstören von Rechenzentren der Kriminellen durchaus ein großer Erfolg. Außerdem setze man auf Prävention, indem man herausfinde, wie Täter etwa in ein Netzwerk eines Unternehmens eindringen konnten. Daraufhin könne man andere Firmen entsprechend warnen.
Dafür sei es notwendig, gut ausgebildete Spezialisten im Landeskriminalamt zu beschäftigen. "Wir haben an unseren Hochschulen Studiengänge für IT-Spezialisten eingeführt", berichtete Stenger über die Anstrengungen, qualifiziertes Personal zu finden. Das sei bei der geringeren Bezahlung im öffentlichen Dienst im Vergleich zu großen Unternehmen in der Wirtschaft nicht immer einfach. Doch den Mitarbeitern im LKA sei es an einer sinnvollen Tätigkeit gelegen, bei der man an konkreten Fällen arbeitet, und hilft, sie zu lösen. Das Gebiet der Cyberkriminalität sei jedoch für eine Dienststelle viel zu komplex. Daher setze man auf Kooperationsverbünde, etwa mit dem FBI, Europol oder dem Bundeskriminalamt.
"Keine Digitalisierung ohne Cybersecurity", riet Stenger schließlich allen, die sich im Internet bewegten. Für Unternehmen und Privatpersonen sei es daher gut angelegtes Geld, in die Sicherheit ihrer Netzwerke zu investieren.