Edingen-Neckarhausen

Einreisesperre für abgeschobenen Fährmann Hakim Aggoun

Zwei Jahre darf der abgeschobene Fährmann Hakim Aggoun nicht nach Deutschland. Die Gemeinde kündigt Hilfe bei Jobsuche an.

31.07.2023 UPDATE: 31.07.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Noch am Tag seiner Abschiebung hätte Hakim Aggoun eigentlich auf der Neckarhäuser Fähre arbeiten sollen. In eineinhalb Jahren versucht er zurückzukehren. Foto: privat

Von Max Rieser

Edingen-Neckarhausen. Im Januar wurde Hakim Nourredine Aggoun nach Algerien abgeschoben. Dort ist er zwar geboren, lebte allerdings seit 24 Jahren in Deutschland, acht davon in der Doppelgemeinde, wo er zur Zeit seiner Abschiebung gerade eine Ausbildung zum Fährmann absolvierte. Als Grund für die Abschiebung teilte das Regierungspräsidium seinerzeit unter anderem Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und schwere Körperverletzung mit. Hört man sich seine Geschichte an und das, was die Menschen aus Neckarhausen, die ihn kennen, über ihn berichten, entsteht allerdings nicht das Bild eines Gangsters, sondern eher das von jemandem, der trotz verwerflicher Laster und einiger Reibereien mit der Justiz immer versucht hat, ein hilfsbereiter und arbeitswilliger Teil der Gesellschaft zu werden.

Seit seiner Ausweisung kämpfen Aggoun und auch das Bündnis für Flüchtlingshilfe dafür, dass er wieder zurückkehren darf. In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats fragte ein Besucher in der Bürgerfragestunde nach dem Stand der Dinge in Aggouns Fall. Das nahm die RNZ zum Anlass, bei allen Beteiligten noch mal nachzufragen.

"Mir geht es wie vorher. Ich vermisse meine neue Heimat Edingen-Neckarhausen. Ich vermisse meinen Sohn und, ich weiß, es klingt blöd, auch meine Katze, die Fischkinderstube, die Fähre, die Luft und die Straßen", berichtet Aggoun, der nach wie vor bei seiner Schwester in Aïn M’lila lebt. In Algerien sei es für ihn "die Hölle auf Erden". Er arbeite zwischen zehn und zwölf Stunden am Tag als Servicekraft in einem Hotel, das Ganze bei 40 bis 42 Grad Außentemperatur. Dabei verdiene er umgerechnet rund 100 Euro, die Hälfte davon müsse er für Miete an seine Schwester abgeben. Ende August absolviere er eine Prüfung als Bootsführer, danach habe er sich noch für einen international anerkannten Führerschein für schwere Baumaschinen angemeldet, der ein Jahr dauere, "Algerien halt", schiebt er nach. Dort fühle er sich fremd: "Die Menschen, die ich früher gekannt habe, gibt es nicht mehr, und die Mentalität ist schrecklich. Ich war frei in Europa – hier bin ich es nicht", sagt er.

Eine mögliche Rückkehr nach Deutschland liegt jedoch noch in weiter Ferne, wie Lutz Rohrmann vom Bündnis für Flüchtlingshilfe im Gespräch mit der RNZ erklärt: "Es wurde ein Einreiseverbot von zwei Jahren gegen ihn verhängt, und dagegen kann man nichts machen." Danach sei eine Wiedereinreise schon möglich, "und das wollen wir gemeinsam angehen", erklärt er. Dafür muss Aggoun dann einen neuen Antrag stellen und hoffen, dass dieser bewilligt wird. Dazu kommen Kosten von 5000 bis 10.000 Euro, wie ein Anwalt, von dem sich das Bündnis beraten lässt, in Erfahrung brachte.

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Um wieder nach Deutschland zu dürfen, muss Aggoun auch eine qualifizierte Tätigkeit nachweisen. Hier kommt die Gemeinde Edingen-Neckarhausen ins Spiel: "Wir haben uns mit dem Bürgermeister getroffen, und er hat angedeutet, dass man für Herrn Aggoun wieder einen Arbeitsplatz bereitstellen würde, was mich sehr gefreut hat", so Rohrmann. Bürgermeister Florian König bestätigte auf RNZ-Anfrage: "Die Gemeindeverwaltung und das Bündnis für Flüchtlingshilfe arbeiten sehr eng zusammen und, – sofern es uns möglich ist – unterstützen wir das Bündnis für Flüchtlingshilfe gerne, zu gegebener Zeit einen Arbeitsplatz für Herrn Aggoun zu finden."

Die beiden Landtagsabgeordneten Sebastian Cuny (SPD) und Fadime Tuncer (Grüne) stünden ebenfalls im Austausch mit dem Bündnis und hätten ihre Unterstützung zugesagt. Tuncer sagte gegenüber der RNZ, dass "ein offizielles Schreiben der Gemeinde", bei der Aggoun zuletzt angestellt war, hilfreich sein könnte. Denn "durch so ein Signal des Arbeitgebers wird der Antrag auch wohlwollender geprüft", sagte sie der RNZ. Im Fall von Mostafa Nazari aus Ladenburg hätte das Engagement des Arbeitgebers für den Abgeschobenen sogar eine frühere Wiedereinreise ermöglicht. Da Aggoun gern und viel zeichnet, kam Tuncer auch eine Idee für die Deckung der Kosten einer Wiedereinreise: "Man könnte eine kleine Benefiz-Ausstellung mit seinen Bildern organisieren", regte sie an.

Rohrmann findet, Deutschland sei ob des Fachkräftemangels gut beraten, wenn es "Leute wie Herrn Aggoun, die wirklich arbeiten wollen", einen dauerhaften Aufenthalt ermögliche. "Ich bin wirklich niemand, der sagt: ,Lasset alle Schäflein zu uns kommen’. Es sollte ein Fördern und Fordern sein. Aber wir können nur davon profitieren, wenn Menschen hierherkommen, die wenigstens etwas vom allgegenwärtigen Personalmangel auffangen können." Daher wolle man am Ball bleiben und alles gut vorbereiten. "Damit haben wir keine Eile, denn die zwei Jahre sind fix. Aber ein halbes Jahr ist ja schon geschafft."

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