Dossenheim

Lieselotte Faludy schlug den Räuber per Blumenkette in die Flucht

Der Mann bedrohte die 74-jährige Ladeninhaberin offenbar mit einer Schere. Sie ist eine Dossenheimer Institution am Bahnhofsplatz seit bald 50 Jahren.

07.11.2023 UPDATE: 07.11.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden
Lieselotte Faludy bewarf den Räuber unter anderem mit diesem bunten Fanartikel. Foto: bmi

Von Benjamin Miltner

Dossenheim. Angst? Nein, Wut war es, die Lieselotte Faludy empfand, als ihr am Freitagabend in ihrem Laden ein maskierter Mann gegenüberstand und sie mit einem spitzen Gegenstand bedrohte. Wie berichtet hat ein Unbekannter versucht, gegen 17.45 Uhr den Schreib- und Spielwarenladen am Bahnhofsplatz auszurauben. "‚Geld und Kasse!’ hat er nur gerufen", erzählt die 74-Jährige am Montagmorgen beim Besuch der RNZ. Ihre Antwort war noch kürzer: "Hau ab!"

Das saß. Der Täter, der komplett in Schwarz gekleidet war und sein Gesicht mit Schal und Mütze vermummte, floh tatsächlich. "Ich glaube, der hat so etwas zum ersten Mal gemacht", vermutet Faludy, die bei dem Unbekannten neben einem Gefrierbeutel "eine Schere oder ähnliches" in den Händen wahrnahm. Doch nicht allein mit Worten in die Flucht schlug die Ladenbesitzerin den Räuber, der völlig unvermittelt vor ihr stand, als sie für eine Kundin etwas kopierte und sich gerade wieder zum Verkaufstresen umdrehte.

Wo andere in Schockstarre verfallen, griff die Mutter von vier Kindern und Oma von fünf Enkeln zu den nächstbesten Gegenständen: Faludy machte einen Fanartikel der Nationalmannschaft, eine schwarz-rot-goldene Blumenkette, zum Wurfgeschoss. "Danach habe ich ihn mit einer Dekorolle beworfen", erzählt die 74-Jährige weiter, die ihre resolute Reaktion selbst überraschte. Sie sagt aber auch: "Ich bin niemand, der sich wegduckt. Wenn etwa auf der Straße etwas passiert, gehe ich auf die Leute zu und versuche zu helfen."

Die Dossenheimerin führt seit 1974 "Faludy Schreibwaren" am OEG-Bahnhof – kommendes Jahr feiert der Laden seinen 50. Geburtstag. Ein Raub oder größerer Diebstahl ist ihr in der ganzen Zeit nun das allererste Mal widerfahren. "Ich war einfach sauwütend", beschreibt Faludy ihre Emotionen im Schreckmoment vom Freitagabend: Nach einem Tag mit nur wenig Umsatz sehnte sie kurz vor Ladenschluss den Feierabend herbei – "und dann wollte dieser Kerl mich auch noch ausrauben". Der Zorn gab der Angst keine Gelegenheit, überhaupt erst aufzukommen.

Vielmehr macht sich Faludy Gedanken um ihre 88-jährige Kundin, die den versuchten Raubüberfall hautnah miterlebte. "Sie stand direkt vor mir am Tresen und klammerte ihren Rucksack fest an sich. Sie hat das Ganze mehr mitgenommen als mich", berichtet die 74-Jährige. Sie selbst stand gleich am Samstagmorgen wieder im Geschäft, als wäre nichts gewesen – "warum auch nicht?"

Dass Faludy auch nach fast 50 Jahren immer noch sechs Tage die Woche von früh bis spät im Laden steht, hat zwei Gründe. Die romantische Version: "Das Geschäft ist mein Leben, ich mache das einfach sehr gerne." Faludy berichtet von vielen freundlichen Kunden, mit der sie über die Jahre jede Menge nette Worte gewechselt, Beziehungen aufgebaut und auch mal Blümchen als Dankeschön erhalten hat. "Nur ab und an stinkt mir die Arbeit, wenn etwa blöde Leute vorbeikommen und meckern", gibt die 74-Jährige zu.

Zur Wahrheit gehört aber auch der zweite Aspekt: "Ich kann von meiner Rente schlicht und ergreifend nicht leben", erklärt Faludy. Urlaub ist für sie ein Fremdwort. Die einzige längere Pause kam zwangsläufig: Als vor etwa zehn Jahren das alte Gebäude am Dossenheimer OEG-Bahnhof abgerissen und durch den heutigen Neubau ersetzt wurde.

Aus dieser Zeit rührt auch Faludys Engagement bei der Kommission Kunst und Kultur, die sie bei Veranstaltungen als Helferin unterstützt. Ansonsten gehört die Musik zu Faludys Hobbys. Sie ist Teil des Singkreises der katholischen Kirchengemeinde wie beim Chorprojekt "Lust auf Singen".

Und mit ihrem Schreibwarenladen im Dossenheimer Zentrum eine Institution. "Was wären Dossenheims Schulkinder ohne Frau Faludy" heißt es etwa in einer Rezensionen zu ihrem Geschäft. Neben der RNZ stattete am Montagvormittag auch David Faulhaber der 74-Jährigen einen Besuch ab: "Sie machen Sachen", feixte der Bürgermeister ...

Was sich Faludy wünscht? Dass noch mehr Dossenheimer zu ihr kommen und einkaufen. "Viele fahren lieber nach Heidelberg oder bestellen im Internet", berichtet die 74-Jährige. Immer wieder kämen Leute auf der Suche nach etwas Speziellem zu ihr und berichteten: "Ich bin in der Stadt alles abgelaufen, habe aber nichts gefunden." Ihre Antwort: "Wären Sie doch gleich zu mir gekommen..."

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