So lief die Erstwähler-Veranstaltung zur Bundestagswahl
Das Politiker-Dating war intensiv und aufschlussreich. Es gab eine Podiumsdiskussion, persönliche Dialoge und ein Konzert von "Dequartier".
Von Jonas Hemmelskamp
Walldorf. "Hier sind Personen, keine Namen auf dem Wahlzettel", sagte die 18-jährige Siri. Das war auch das Ziel der Walldorfer Erstwählerveranstaltung "Du hast die Wahl – nutze sie!" in der Astoria-Halle. Moderatorin Rosa Omenaca-Prado erklärte: "Ich sage immer Kandidaten, tatsächlich sind es alles Menschen." Das federführende Jump hatte zur Veranstaltung Jens Brandenburg (FDP), Lars Castellucci (SPD), Jürgen Kretz (Grüne), Stefan Holzmann (AFD) und Moritz Oppelt (CDU) für eine Podiumsdiskussion und ein "Speeddating" mit den Erstwählerinnen und Erstwählern zusammengebracht. Für die Linke war Heinrich Stürtz eingesprungen, weil Ecevit Emre verhindert war. "Die Bundestagswahl ist so wichtig", betonte der 18-jährige Linus. "Für uns das einzige Mittel, sich einzubringen", fand er.
Unter den Zuhörern waren nicht nur Erstwähler, auch einige Jüngere waren gekommen. Die Wichtigkeit der Veranstaltung betonte Bürgermeister Matthias Renschler: "Das Wahlrecht ist eins der höchsten Güter, die wir haben".
Die Podiumsdiskussion startete mit dem Thema "Mobilität". Hierbei schien noch überwiegend Einigkeit zwischen den Kandidaten zu herrschen, danach wurde die Debatte zunehmend konfliktreicher. Immer wieder schwenkten die Politiker auf Haushaltsthemen um, wobei sich eine klassische Konfliktlinie zwischen Links und Rechts bei der Steuerpolitik abzeichnete. Ein großes Thema in Walldorf wurde auch angesprochen: der Wohnungsmangel. Lebhafte Debatten waren willkommen, nur wenn sich die Beiträge auf Vorwürfe beschränkten, schritt die Moderatorin ein.
Das kam bei den Zuhörern gut an. Siri meinte: "Ich fand es sehr gut, dass es nicht nur Angriffe waren, aber auch nicht nur Kuscheln". Und auch die 16-jährige Annika fand es gut, "dass ein bisschen Diskussion da war". Die Konflikte zwischen den Politikern sorgten unter den jungen Zuhörern manchmal für Lacher, manchmal für Unverständnis. Zwischendurch erklärte ein Gast seinen Freunden noch mal, welcher der Kandidaten eigentlich für welche Partei stand. Insgesamt habe es bei der Diskussion nicht viel Neues gegeben, wie eine Gruppe von der Jugendorganisation der SPD (Jusos) betonte: "Vieles war vorhersehbar." Sehr interessant sei aber gewesen, wie "Herr Oppelt die Unterschiede zwischen CDU und SPD herausgestellt hat".
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Das Highlight des Abends war das "Speeddating" mit den Kandidaten. Die Zuhörerinnen und Zuhörer positionierten sich an Tischen und die Kandidaten rotierten in regelmäßigen Abständen – so konnten die Teilnehmer direkt mit allen Kandidaten sprechen. Diese Gespräche waren persönlicher, thematisch vielfältiger und inhaltlich schärfer als die Podiumsdiskussion. "Wir können denen auch erzählen, was uns wichtig ist", sagte der 16-jährige Henrik. Aber nicht alle Zuhörer trauten sich, einen persönlichen Dialog mit den Kandidaten zu starten, einige gingen schon nach der Podiumsdiskussion.
Von den – immer noch zahlreich – verbliebenen, häufig schon politisch aktiven jungen Leuten mussten sich die Kandidaten kritische Fragen gefallen lassen. Neben einer großen Gruppe Jusos trugen einige auch ein Porträt von Karl Marx oder den Schriftzug "Linksverseucht" auf der Kleidung. "Wir dachten, wenn hier einer von der AFD rumläuft, müssen wir Paroli bieten", erklärte der 16-jährige Simon. Ein Geografiestudent bemerkte gegenüber AFD-Kandidat Holzmann: "Die Auswirkungen des Klimawandels sind schon da". Ein wichtiges Thema, denn "wir müssen hier noch am längsten sein", hatte Siri festgestellt. Holzmann meinte darauf, man müsse sich eben an den Klimawandel anpassen.
Prinzipiell wurden die Parteien vor allem zu ihren eigenen Themen befragt, wie Siri erklärte: "Parteiprogramme sind lang und undurchsichtig, die Personen können es besser erklären." Die Gespräche waren zum Teil auch recht persönlich. Angesprochen auf die Schulpolitik sprach Lars Castellucci unter anderem über seine eigenen Erfahrungen. Jürgen Kretz diskutierte derweil mit einer Gruppe über das Abstimmungsverhalten der Parteien im Bundestag und taktisches Wählen. So machten sich einige der Erstwähler Gedanken, ob es nicht sinnvoll sei, die Erststimme auf den aussichtsreichsten linksgerichteten Kandidaten zu setzen, wenn man die CDU quasi "verhindern" wolle.
Heinrich Stürtz überzog seine Zeit, so vertieft war er darin, über das Rentensystem zu sprechen, darüber, dass die Rente in Österreich höher sei. Gefragt, worauf er das zurückführe, wurde die sogenannte "Bürgerversicherung" thematisiert. Jens Brandenburg erklärte die Inhalte der FDP detailliert. Angesprochen darauf, dass die Wirtschaft "doch nicht alles" regeln könne, ging er zum Beispiel auf CO2-Zertifikate zur Senkung des Schadstoffausstoßes ein.
Trotz aller politischen Konflikte waren die Gespräche der jungen Wählerinnen und Wähler mit den Abgeordneten immer höflich und auf Inhalte fokussiert. "Die Diskussion funktioniert. Natürlich einigt man sich nicht auf etwas wir sind ja nicht im Bundestag", sagte Henrik. Er ergänzte: Eigentlich aber "sind wir hier wegen Dequartier – Politik und Dequartier, was will man mehr".
Das Konzert der Band wurde zum zweiten Highlight des Abends. In der Lobby gab es derweil noch einige intensive Gespräche mit den Kandidaten.