Wolfgang Niedecken über Ukraine-Krieg, Dylan und Klima-Kleber (plus Verlosung)
Vor seinem Auftritt in Mosbach sprach die RNZ mit Niedecken: "Mit Poesie kommst du viel weiter als mit platten Parolen". Zudem gibt es Konzertkarten und CDs zu gewinnen.



BAP-Sänger und Fan von Bob Dylan
Von Alexander R. Wenisch
Mosbach. Seit Jahrzehnten ist BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken Fan von Bob Dylan. Einige seiner Songs hat er ins Kölsche übersetzt. Nun war der Deutsch-Rocker auf den Spuren seines Idols in den USA unterwegs – und hat daraus ein Bühnenprogramm gemacht, in dem er Szenen der Reise liest und passende Songs (mal im Original, mal auf Kölsch) singt. Am Montag, 27. März, kommt Niedecken damit nach Mosbach in die Alte Mälzerei. Die RNZ hat sich vorab mit ihm unterhalten.
Wolfgang, wenn du auf das vergangene Jahr blickst: Ist da mehr "Times They Are a-Changing" oder "Blowing In The Wind" für dich?
(lacht) Times Are Changing. Auf jeden Fall. In den Corona-Jahren musste man extrem flexibel sein. Zum Glück ist mir das gelungen, und ich bin wirklich gut durch die Pandemie gekommen.
Und vor einem Jahr hat der Krieg in der Ukraine begonnen. Auch eine Zeitenwende.
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Ja, da musste ich plötzlich meine bisher gelebten Einstellungen hinterfragen. Der ein oder andere Hippie-Traum ist da abhandengekommen. Ich bin ja kein Realitätsflüchtling. Ich bin Nachrichten-Junkie, will immer alles wissen – was passiert und wie das miteinander zusammenhängt.
Findest du, die eher vorsichtige Vorgehensweise von Kanzler Scholz ist richtig?
Ich beneide niemanden in der Politik, der da gerade Entscheidungen treffen muss. Wenn man sich überlegt, wofür die Ampel gewählt wurde und was dann im Februar kam! Die tun mir schon leid. Man hat leider viel zu spät gemerkt, was Putin für ein Zeitgenosse ist. Das fällt einem dann wie Schuppen von den Augen. Als ich am 24. Februar morgens seine Rede im Fernsehen gesehen habe, da ist mir die Spucke weggeblieben. Was erzählt der da? Und ich habe mich immer noch nicht dran gewöhnt, wenn der wieder mit dem Märchen kommt, er wäre der große Nazi-Jäger – und seine Leute glauben ihm das auch noch! Ich hoffe nur, dass die Russen bald aufwachen und erkennen, wie sehr sie da belogen werden.
Hast du eine Idee, wo ein Ausweg sein kann?
Ich bin ziemlich ratlos. Vielleicht kann China Russland in den Arm fallen? Ich weiß nur, dass man den Ball ziemlich flach halten muss und den Lautsprechern kein Gehör schenken darf, sondern jenen, die das mit sehr viel Fingerspitzengefühl versuchen zu behandeln.
Lass uns über was Angenehmeres reden. Du warst für dein Buch auf Bob Dylans Spuren in Amerika unterwegs. Ein bisschen wie ein Groupie?
Nein! Wir haben auf der Reise Weggefährten getroffen, die über Bob Dylan erzählt haben. Das war sehr, sehr interessant. Und anstrengend. Ein Road-Movie kreuz und quer durch die USA. Viele Stationen seines Lebens kannte ich natürlich. Aber wenn man das dann vor Ort so hautnah sieht und erlebt, das ist natürlich grandios.
Was war für dich am beeindruckendsten?
Hibbing, dieser kleine Ort in Minnesota, in dem Dylan aufgewachsen ist. Damals war da der Eisenerz-Abbau groß; heute ist das eine sterbende Stadt. Amerika in deinen Vorstellungen ist ja immer groß, fantastisch und ganz, ganz anders als bei uns. Nee, das hat für Dylan auch alles ganz klein angefangen.
Du hast seit Jahrzehnten etliche Dylan-Songs ins Kölsche übersetzt. Gibt es einen, auf den du besonders stolz bist?
Meine Übersetzung von "Every Grain Of Sand"– Jed Körnche Sand – mag ich sehr, sehr gerne. In den letzten Jahren bin ich akribischer geworden. Anfangs habe ich die Arbeit mit den Dylan-Texten oft auf die leichte Schulter genommen. Aber das wird seinen Vorlagen einfach nicht gerecht.
Wie zum Beispiel "Wie ’ne Stein", deine BAP-Version von "Like A Rollin’ Stone"?
Der Text war für mich sehr, sehr wichtig. Die Übersetzung habe ich in einer Nacht im Januar 1980 in New York runtergeschrieben. Da fühlte ich mich sehr einsam und fremd in der Stadt. Heute würde ich einige Zeilen anders formulieren, hab das vor ein paar Jahren auch probiert, es dann aber bleiben lassen. Aber die Fans haben sich schon so an meine Version gewöhnt, dass jede Änderung auch irritieren würde.
Hast du Dylan mal persönlich getroffen?
Ja. Wim Wenders hat uns vorgestellt. Der war mal mit einer Frau aus Dylans Band verheiratet. Und Wim und ich, wir sind befreundet. Als Dylan vor ein paar Jahren in Köln gespielt hat, durften wir von hinter der Bühne aus zuschauen. Da guckte Dylan auch immer mal rüber zu uns. Und nach dem Konzert sind wir hingegangen – das war ein sehr tolles Gespräch. Er war total nett. Gar nicht so unnahbar, wie es immer über ihn heißt.
Bis du in einer solchen Situation Niedecken oder Dylan-Fan?
Nee, da bin ich Niedecken. Ich habe fast alle meine Helden getroffen. Nervös war ich da nie. Gott sei Dank waren auch fast alle nett.
Ich dachte, die ein oder andere Frage will man dann doch bestimmt loswerden, wenn man seinen Helden schon mal trifft.
Dazu war da keine Gelegenheit. Fragen, die mich interessieren würden, die kannst du nur unter vier Augen und mit mehr Zeit loswerden. Wie er seine Musik entwickelt, wie er mit seiner Band zusammenarbeitet. Und wenn ich Antworten bekommen würde, würde ich die für mich behalten. Wenn Dylan wollte, dass die Leute wissen, wie er das macht, dann würde er es ja erzählen.
Dylan hat ja vor einiger Zeit seinen Song-Katalog für mehrere Millionen Dollar verkauft. Hast du da für die BAP-Lieder auch schon mal drüber nachgedacht?
(lacht) Ich glaube nicht, dass sich das lohnen würde. Aber ich denke auch ganz, ganz selten über Zahlen nach. Ich bin froh, wenn ich das machen darf, was ich gerne mache. Ich habe den großen Luxus, dass ich immer Spielkind bleiben durfte. Dass sich das am Ende rechnet, darum kümmern sich zum Glück andere.
Was hältst du von den "Klima-Klebern", die ja auch seit gut einem Jahr Veränderungen einfordern?
Ich habe großes Verständnis. Der Name klingt zwar dramatisch – die letzte Generation. Aber das hat ja seine Berechtigung. Das wird die letzte Generation sein, die an der Klimaerwärmung noch was drehen kann. Die Leute, die sich festkleben, das sind ja keine Krawall-Typen. Die musst du dir mal anschauen. Das sind alles ganz feingeistige junge Menschen. Wenn ich im entsprechenden Alter wäre, ich würde da mitmachen. Aber jetzt, dem Opi nimmt das ja niemand mehr ab (lacht).
Aber einen expliziten Song zum Thema Klima gibt es von dir nicht.
Nein. Ich würde mich nie hinsetzen und sagen: Jetzt mach’ ich mal was zu diesem bestimmten Thema. So arbeite ich nicht. Diese Art von Polit-Rock ist mir sehr suspekt. Ich will ja niemanden bevormunden. Ich kann mit meinen Songs nur anregen, dass jemand über was nachdenkt. Mit Poesie kommst du viel weiter als mit platten Parolen.
Info: Unter allen Anrufern, die am heutigen Freitag, 24. Februar, zwischen 10 und 10.30 Uhr unter der Telefonnummer 06261/93227171 in der RNZ-Redaktion melden, verlosen wir dreimal zwei Freikarten für das Konzert in Mosbach und drei CDs der "Dylan-Reise".