Hardheim

Mit Gottschalk verliert die Gemeinde eine echte Institution

Der Getränkemarkt schließt zum Monatsende. Einen Nachfolger gibt es nicht.

17.06.2022 UPDATE: 18.06.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 27 Sekunden
Die Mitarbeiter (v. l.): der junge Helfer Tim, Jürgen Ritt, Waldemar „Waldi“ Hallbaur, Klaus Arenz, Mario Schmidt, Klaus und Karin Gottschalk sowie Gerti Goldschmidt. Foto: Adrian Brosch

Hardheim. (adb) "Ich geh’ mal zum Getränke-Gottschalk": Ein Satz, der nahezu jedem Hardheimer schon über die Lippen gegangen sein dürfte. Der Getränke-Abholmarkt in der Hebelstraße gilt als echte Institution und Traditionsgeschäft. Ende des Monats werden jedoch zum letzten Mal Getränke sowie der bekannte "Hardheim-Sekt" verkauft: Zum 30. Juni schließen Karin und Klaus Gottschalk ihr Lebenswerk und gehen in den Ruhestand.

"Die Bemühungen um einen Nachfolger waren leider nicht erfolgreich – vielleicht auch deswegen, weil körperliche Arbeit und lange Arbeitszeiten heute nicht mehr so gefragt sind", bedauert Klaus Gottschalk. Als gelernter Werkzeugmacher und Bürokaufmann war er 1972 als Auslieferungsfahrer in den Familienbetrieb eingestiegen, den er schließlich am 3. Januar 1983 in zweiter Generation übernommen hatte. Seit März 1990 unterstützte ihn Ehefrau Karin (geb. Düll) tatkräftig. Die Arbeitsteilung war optimal: Klaus kümmerte sich zumeist um die Auslieferung, Karin um den Verkauf, den Festservice (Verleih von Bierzeltgarnituren, Gläsern und Kühlanhänger) und das Büro.

Unsere Aufnahme von 1957 zeigt das Areal von Getränke-Gottschalk mit Goliath-Dreirädern, vor denen der 1999 verstorbene Gründer Erhard Gottschalk steht. Repro: Adrian Brosch

Die Historie des Geschäfts freilich geht noch länger: Man schrieb den 11. Juni 1951, als Erhard Gottschalk die Gewerbelizenz für einen "Getränkevertrieb für Limonaden, Selterswasser und Flaschenbier" ausgehändigt bekam. Aber auch das hat eine Vorgeschichte, die stellvertretend für die Wirtschaftswunderjahre und den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg steht: Seit 1949 hatte Erhard Gottschalk Lesezirkelmappen geheftet und vermietet, bis eines Tages der Getränkehersteller "Hessen-Quelle" auf ihn zukam: Wolle er vielleicht doch lieber mit Getränken handeln? Erhard Gottschalk wollte – und konnte: "Zunächst war er mit dem Ziehwagen unterwegs, dann mit dem Goliathdreirad. Irgendwann kam der VW-Bus, dann der Mercedes – und die Gebiete der Auslieferung wuchsen weiter bis nach Bödigheim und Seckach oder in den Main-Tauber-Kreis", erinnert sich Klaus Gottschalk, der Generationen als leutseliger Kaufmann vom alten Schlag bekannt ist.

Er weiß auch – wie Karin – genau, was den Leuten schmeckt. "Wenn man sich kennt, dann kennt man auch den Geschmack seiner Kunden", erklärt der 70-Jährige. Bei Gottschalks trafen dabei Generationen aufeinander: Schüler, die sich auf dem Heimweg noch ein paar Süßigkeiten gönnten, begegneten durchaus dem Opa, der einen Kasten Wasser in sein Auto lud, oder der Nachbarin, die ein Hermes-Paket zur Retoure brachte. "So gut wie jeden Kunden kannten wir mit Namen – und meist waren wir auch per Du", sagt Klaus Gottschalk.

Bei einem kühlen Getränk kramen er und Karin im Fotoalbum – und viele Erinnerungen sind sofort wieder präsent. Zum Beispiel an die Kundschaft. "Alle Kontakte waren bereichernd auf ihre Weise. Man kam ins Gespräch, lernte sich immer besser kennen und nahm gegenseitig Anteil am Leben – der persönliche Kontakt war uns immer wichtig", sagt Karin Gottschalk und spricht von Stammkunden über Generationen. "Wir haben gesehen, wie aus Kindern Leute wurden, die selber wieder Kinder bekamen und immer noch bei uns ihre Getränke gekauft haben", fügt sie hinzu. Auch die Zusammenarbeit mit den zahlreichen Vereinen, Gaststätten und der Gemeinde Hardheim sowie den rund zehn Verkaufsstellen zwischen Hardheim, Walldürn, Külsheim und Königheim habe viele bleibende Eindrücke hinterlassen: "Hier redet man noch miteinander, das erleichtert vieles – man kennt sich und weiß, wie man mit dem anderen spricht", betont Klaus Gottschalk.

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Klaus Gottschalk lieferte im Jahr 1996 mit dem Fahrrad Getränke aus. Es handelte sich dabei um eine Werbeaktion. Foto/ Repro: Adrian Brosch

Er blickt zurück auf die vielen mit Getränken belieferten Festlichkeiten: Ein Sommerfest ohne Getränke-Gottschalk schien ebenso undenkbar wie ein Feuerwehrfest oder eines der legendären Waldfeste auf dem Wurmberg ohne den örtlichen Lieferanten. Dennoch kämpften auch die Gottschalks seit den 1990er-Jahren mit abnehmender Treue zum Einzelhandel um die Ecke: "Früher hatten wir ja drei Getränkemärkte in Hardheim. Es gab uns, die Firma Hallbaur und die Firma Scherf, die letzten Endes in der Firma Rubey aufging", zeigt Karin Gottschalk auf. Dem Überangebot der Supermärkte begegneten die Eheleute zunächst mit verlängerten Öffnungszeiten, was gut klappte: Ein großartiger Kundenrückgang sei nicht aufgefallen. "Unsere Stammkunden kamen weiter zu uns, gelegentlich konnten wir zudem Neukunden gewinnen – auch aus umliegenden Gemeinden, die keinen eigenen Getränkemarkt mehr vor Ort hatten", berichtet sie. Spürbar geringer wurden die Umsätze nur bei den Auslieferungsfahrten, die Klaus Gottschalk bis vor wenigen Jahren zum Großteil selbst vornahm.

Zum Monatswechsel endet nun in Hardheim die Ära "Getränke Gottschalk". Ein Schritt, den Karin und Klaus Gottschalk entgegen seit Längerem kursierender Gerüchte recht kurzfristig anberaumt hatten: "Wir hätten gern noch ein paar Jahre weitergemacht, aber gesundheitliche Gründe sprechen leider dagegen", erklärt Klaus Gottschalk. Fehlen werden ihm und Karin neben der Kundschaft die durchweg langjährigen Mitarbeiter: Gerti Goldschmidt und Jürgen Ritt im Verkauf sowie die Auslieferungsfahrer Klaus Arenz, Waldemar "Waldi" Hallbaur und Mario Schmidt sowie der junge Helfer Tim gehören fast zum Inventar. "Wir konnten uns jederzeit zu 100 Prozent auf unsere Leute verlassen", unterstreicht Karin Gottschalk.

Zur Geschichte der Firma gehört aber auch ein weiteres Hordemer Urgestein: Adolf Fischer. Als Mitarbeiter der (fast) ersten Stunde war er bis zum Ruhestand als einer von ursprünglich drei fest angestellten Auslieferungsfahrern tätig und blieb seinem Arbeitgeber bis zu seinem Tod 2011 freundschaftlich verbunden. Freundschaft ist auch ein Gefühl, das die Gottschalks mit vielen ihrer Kunden verbindet: "Zum Abschied möchten wir einfach nur ganz herzlich Danke sagen – für jede liebe Begegnung, für jedes nette Wort und auch für jeden Einkauf über so viele Jahre hinweg. Ohne unsere Kunden hätten wir uns nie so lang am Markt behaupten können. Und ganz sicher sieht man sich mal irgendwo – wir bleiben ja in Hardheim wohnen", betonen sie abschließend.

Info: Gutscheine sind bis zum Monatsende einzulösen. Die Auslieferung übernehmen die Firmen Stemmler (Külsheim), Löhr (Buchen/Walldürn) und Haas (Hardheim).

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