Projekte, Baustellen, Corona

Das macht Fahrenbach aus

Für schwierige Zeiten gut vorbereitet - Gute Infrastruktur - "Ein bisschen Dorf muss im Dorf bleiben"

07.10.2020 UPDATE: 08.10.2020 06:00 Uhr 5 Minuten, 29 Sekunden
Foto: Schattauer

Von Heiko Schattauer

Fahrenbach. Drei Ortsteile, 2800 Einwohner, ein See, aktive Vereine und ein Weihnachtsmarkt, der seinesgleichen sucht – so oder so ähnlich lässt sich die Gemeinde Fahrenbach beschreiben. Vom Aussichtspavillon aus lässt sich weit in die Ferne blicken, das Gute und Vertraute liegt für die Fahrenbacher, Roberner und Trienzer aber in den meisten Fällen ziemlich nah. Fahrenbachs Bürgermeister Jens Wittmann (49) blickt mit der RNZ auf die Gemeinde, was sie ausmacht, wo man gefordert ist, wie man sich entwickeln will.

Herr Wittmann, wir fangen heute mal andersrum an: Was würden Sie sich wünschen, wenn der Bürgermeister von Fahrenbach sich lange vor Weihnachten selbst bescheren könnte?

Interessanter Einstieg ... aber gut: Mein Wunsch wäre dann ganz klar, dass die Gemeinde Fahrenbach auch weiterhin in einer finanziellen Lage ist, die es uns erlaubt, die notwendigen Maßnahmen bewerkstelligen zu können.

Sie sagen "weiterhin". Lässt sich daraus ableiten, dass man aktuell – trotz Corona – in der Lage ist, derlei Maßnahmen zu stemmen?

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Wir stehen aktuell noch ganz ordentlich da. Auch wenn wir in der jüngeren Vergangenheit viele Projekte angegangen und realisiert haben: Unsere Rücklagen sind größer als unsere Schulden. Uns kommt dabei aber eben auch zugute, dass wir in den letzten Jahren immer sparsam gehaushaltet haben – um für schlechtere Zeiten vorbereitet zu sein. Es ist aber auch so, dass man auch in schwierigen Phasen den Kopf nicht in den Sand stecken darf. Für mich ist das eine Grundeinstellung.

Hintergrund

Die indiskreten 13

1 Erinnern Sie sich noch an ihren ersten Tag als Bürgermeister?

Auch wenn der Tag nun bald 20 Jahre zurückliegt, kann ich mich noch sehr gut daran erinnern. Als damals sehr junger Bürgermeister wurde ich im Rathaus,

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Die indiskreten 13

1 Erinnern Sie sich noch an ihren ersten Tag als Bürgermeister?

Auch wenn der Tag nun bald 20 Jahre zurückliegt, kann ich mich noch sehr gut daran erinnern. Als damals sehr junger Bürgermeister wurde ich im Rathaus, Kindergarten und Bauhof sehr gut und freundschaftlich aufgenommen. Natürlich auch, weil man sich schon viele Jahre kannte.

2 Welchen Job außer Bürgermeister könnten Sie sich noch vorstellen?

Schon nach dem Abitur 1992 am NKG und dem Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl reifte in mir der Gedanke, der Wunsch und das Ziel Bürgermeister zu werden. Aus heutiger Sicht bereue ich nichts und kann ich mir eigentlich nichts Anderes vorstellen ...

3 Wenn Sie ihre Gemeinde mit drei Schlagworten beschreiben müssten, welche wären das?

Lebens- und Liebenswert, hervorragende Infrastruktur.

4 Und sich selbst mit drei Eigenschaften…

Herzlich, offen, bürgernah.

5 Bleiben wir bei drei: Ihre drei Lieblingssongs?

Ich bin da nicht auf drei Songs festgelegt. Gute Musik gibt es in nahezu allen Genres. Wenn es aber unbedingt drei sein sollen: Ruf Teddybär 1-4 (Jonny Hill), Fast alles von den Bands: AC/DC, Die Toten Hosen.

6 Worüber können Sie lachen?

Situationskomik, Heinz-Erhard Filme und auch gerne mal über mich selbst.

7 Und was finden sie zum Weinen/was macht sie traurig?

Leider nimmt die gesellschaftliche Geschlossenheit immer mehr ab und Eigeninteressen stehen vor dem großen Ganzen. Dies war aus meiner Wahrnehmung nicht immer so. Dahin sollten wir gemeinsam zurückkehren.

8 Wovor haben Sie Angst?

Die Spaltung der Gesellschaft, Extremismus (in alle Richtungen).

9 Ihre größte Leidenschaft?

Meine Familie, demnächst sicher auch als Opa..., Saunieren mit meiner Frau und unserem Hund.

10 Und ihre größte Schwäche?

Mir fällt es oft schwer, "Nein" zu sagen – was in meinem Amt nicht immer gut ist. Ich nehme mir vieles vielleicht zu sehr zu Herzen, da wäre manchmal ein "Drüber stehen" besser. Und zu meinen Schwächen zähle ich meinen Gerechtigkeitssinn und meinen Perfektionismus. Und mein großes, meist allzu gutes Herz.

11 Mit welcher Person der Zeitgeschichte würden Sie gern mal einen Kaffee/ein Bier trinken?

Oje, da gibt es viele... Ich bin schon seit der Jugend politisch interessiert, demnach fallen mir hier die großen deutschen Politiker der 1970er- und 1980er-Jahre – quer durch alle Parteien– ein. Mit der Zeitmaschine würde ich dann aber auch gern zu Martin Luther und/oder Mitgliedern der großen Königshäuser vom 17.-20. Jahrhundert – Kaiserin Elisabeth II von Österreich (Sissi)– reisen.

12 Was bedeutet für Sie Glück?

Glück bedeutet für mich in erster Linie Gesundheit für mich und meine Familie.

13 Gibt es so was wie ein Lebensmotto für Sie?

Nicht direkt Lebensmotto, aber Motto für mein Amt – nach Theodor Heuss: "Viel wichtiger als der Staat ist die Gemeinde, viel wichtiger als die Gemeinde ist der Mensch!" Ein weiteres Motto gilt für mich beruflich und privat: Es gibt keine Probleme – nur Herausforderungen. Und grundsätzlich halte ich es mit Franz von Assisi, der voller Zuversicht sagte: "Tue erst das Notwendige, dann das Mögliche und plötzlich schaffst du das Unmögliche."

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Also wird man in Fahrenbach auch in diesen schwierigen Zeiten Projekte auf den Weg bringen? Ist die innerörtliche Entwicklung, die mitten im Herzen von Fahrenbach angelaufen ist, so ein Projekt?

Ja, das ist ein wichtiges Projekt. Wir haben da von Gemeindeseite Grundstücke aufgekauft, Altgebäude abgebrochen und neues Bauland geschaffen. Mitten in Fahrenbach, wo Metzger, Bäcker, Banken oder auch das Rathaus ganz schnell zu Fuß erreichbar sind. Die eigentliche Erschließung läuft im Oktober an, im Frühjahr sollen dann sechs Bauplätze fertig sein. Eine Liegenschaft haben wir allerdings behalten.

Und zwar?

Das ist die alte Scheune direkt an der Ecke Hauptstraße/Bahnhofstraße mit ihrem "Bäile", wie wir es nennen. Die gehört einfach zum Ortsbild, ohne die würde was fehlen. Ein bisschen Dorf muss im Dorf bleiben. Der Plan ist, sie als Dorfscheune umzubauen, sie als Treffpunkt für die Gemeinschaft und Vereine einzurichten. Auch ein kleinerer Veranstaltungsraum, als Alternative zum großen Saal im Bürgerzentrum, ist angedacht. Die Idee dazu ist eher spontan entstanden, die Bagger waren eigentlich schon an der Scheune dran. Das war im Juli – und der Gemeinderat hat die Idee von der Dorfscheune gleich mitgetragen. Die Zuschussanträge sind inzwischen gestellt, die Planungen können weitergehen.

Klingt gut. Aber klingt auch nach einer ordentlichen Investition.

Ja, das stimmt. Umsonst bekommen wir die Dorfscheune nicht. Wir gehen von Kosten von knapp einer Million Euro aus, die sich mit Zuschüssen aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum, das ja genau solche Vorhaben unterstützen soll, aber deutlich reduzieren würden.

Eine Million ist – gerade in unsicheren Zeiten – trotzdem eine Hausnummer, oder?

Richtig. Aber noch mal: Das ist ein Vorhaben für die Dorfgemeinschaft, mitten im Ort, für alle, für die Zukunft. Das müssen wir einfach können, finde ich.

Für die Zukunft ganz ordentlich aufgestellt scheint man bereits in Sachen Nahversorgung. Dass eine 2800-Seelen-Gemeinde noch einen Metzger, einen Bäcker und zwei Bankfilialen hat, ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich...

Wir haben sogar noch mehr: Hausarzt, Zahnarzt, Physiotherapeut, Seniorenheim, Lebensmittelmarkt und, und, und. Bäcker und Metzger haben erst jüngst investiert und sehr guten Zulauf, das sieht man gerade auch in der Coronazeit. Auch bei den Banken gibt es keine Anzeichen, dass sich an der Präsenz vor Ort etwas ändern soll, die Filialen sind ja auch strategisch günstig gelegen und gut erreichbar. Wichtig war natürlich auch die Ansiedlung eines Lebensmittelmarktes, die wir 2016 realisieren konnten. Die Entscheidung, "Netto" anzusiedeln, war rückblickend absolut richtig. Das Sortiment ist gut, die Umsatzerwartungen wurden übertroffen. Wir haben auch etliche Stammkunden aus Lohrbach oder Reichenbuch, die lieber nach Fahrenbach als nach Mosbach zum Einkaufen fahren.

Baustellen wie in der Ortsmitte gibt es natürlich auch in der Gemeinde Fahrenbach. Foto: Schattauer

Also keine offenen Baustellen bei der innerörtlichen Entwicklung?

Nein, aktuell haben wir da wirklich keine ganz großen Baustellen, vieles wurde in den vergangenen Jahren abgearbeitet. Natürlich kann man immer noch was machen, im Dienstleistungsbereich könnte ich mir da noch ein paar Dinge vorstellen. Auch Gewerbeflächen wurden und werden zuletzt zunehmend nachgefragt, da haben wir aktuell aber keine Flächen mehr zu bieten. Eine Erweiterung ist aber in Arbeit, gemäß Regionalplan sind wir dran.

Erweitert wird auch für den privaten Bereich. Um die jüngste Baugebietserschließung – Feldbrunnen II – gab’s allerdings einige Diskussionen inklusive Bürgerbegehren.

An dessen Ende wir gemeinsam eine vernünftige Lösung gefunden haben. Den eigentlichen Bebauungsplan für den Feldbrunnen gab es schon in den 1990er-Jahren. Wenngleich ich selbst nicht damit gerechnet habe, dass wir so schnell den Bedarf dafür haben. Der ist aber nun in der Tat da, von den 36 geplanten Bauplätzen sind 25 schon reserviert. Die 27 Plätze aus dem vorherigen Neubaugebiet waren innerhalb von eineinhalb Jahren weg. Für die Gemeinde ist die Entwicklung wichtig und vorrangig, wenngleich ich die Anliegen der einzelnen Anwohner mitunter natürlich nachvollziehen kann. Um die Kindergärten und Schule vor Ort langfristig zu erhalten, braucht es junge Familien. Wenn die sich in Fahrenbach niederlassen wollen, ist das ja auch schön.

Bei den Kindergärten muss man sich derzeit aber keine Sorgen um mangelnde Auslastung machen, oder?

Nein, das stimmt. Die Kindergärten sind fast mehr als voll. Wir haben inzwischen fünf Gruppen in der kommunalen Einrichtung in Fahrenbach, weitere in den kirchlichen Kindergärten in Trienz und Robern. Allesamt bestens belegt. Folglich wird es in der Schule irgendwann auch eng werden. Aber ich finde, das ist ein "Luxusproblem". Andersrum wäre die Lage deutlich schlimmer.

Ein weiteres bestimmendes Thema war zuletzt ein verkehrliches. Mancher Anwohner wünschte sich da neue Regelungen und Einrichtungen.

Ganz ehrlich: Wenn sich jeder an die geltenden Regeln halten würde, dann wäre das gar kein Thema. Der gewünschte Zebrastreifen wäre schön gewesen, aber wenn man bei der Verkehrsschau zu einer anderen Bewertung kommt, dann sind uns von Gemeindeseite auch irgendwo Grenzen gesetzt. Im Übrigen haben wir sämtliche Seitenstraßen schon Jahre als Tempo-30-Zonen ausgewiesen. Und bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs bekommen wir nun Unterstützung vom Ordnungsamt Mosbach.

Baustelle an der Kläranlage. Foto: Schattauer

Auch das Wasser bzw. dessen Aufbereitung bewegte zuletzt. Hat man die Probleme hier inzwischen im Griff?

Wir haben auf die aufgetretenen Schwierigkeiten im Wasserzweckverband reagiert, u.a. mit einer mobilen Ultrafiltrationsanlage. Im Bereich Wasser/Abwasser werden aber weitere Maßnahmen auf uns zukommen.

Welche denn konkret?

An der Kläranlage in Fahrenbach steht eine umfangreiche Sanierung an, vor allem in die Technik muss da investiert werden. Insgesamt werden sich die Kosten da auf rund fünf Millionen Euro belaufen. Auch die interkommunale Zusammenarbeit im Verband wollen wir weiter ausbauen. Bei den Kanälen haben wir schon einiges gemacht, aktuell stehen aber größere Maßnahmen in Trienz an, da kommt auch einiges an Kosten zusammen.

Die Herausforderungen der Zukunft liegen also vor allem im infrastrukturellen Bereich?

Ja, der Erhalt unserer Infrastruktur ist eine große Aufgabe, zumal wir die brauchen, um für alle Generationen eine attraktive Gemeinde zu bleiben. Da geht es dann auch oft um Kleinigkeiten wie die Absenkung von Bordsteinen.

Der Gemeinderat ist bei Kleinigkeiten wie großen Projekten das entscheidende Organ. Wie läuft die Zusammenarbeit Verwaltung, Bürgermeister, Gemeinderat?

Ich denke, wir haben einen kritisch-konstruktiven Austausch – so, wie das auch sein soll. Demokratie bedeutet, dass man Mehrheitsmeinungen akzeptiert, auch wenn man eben selbst anderer Meinung ist oder war. Im genannten kritisch-konstruktiven Austausch kommt es dann manchmal eben auch vor, dass man überstimmt wird, aber manchmal später auch merkt, dass das vielleicht gut so war.

Der Benefizweihnachtsmarkt. Foto: Schattauer

Gut, nein: bemerkenswert gut ist auch der Fahrenbacher Benefiz-Weihnachtsmarkt, bei dem Jahr für Jahr Tausende Euro für bedürftige Menschen aus der Gemeinde zusammen kommen.

Das ist eine wahrhaft besondere Veranstaltung, das stimmt. Wir haben in der Gemeinde zahlreiche engagierte Vereine, die wir auch nach Kräften und Möglichkeiten unterstützen. Aber der Förderverein Weihnachtsmarkt ist natürlich schon außergewöhnlich. Da sind wir in Fahrenbach schon auch stolz drauf.

Dieses Jahr wird es aber wohl – aus bekannten Gründen – schwierig für den Weihnachtsmarkt, oder?

Ja, wir werden uns was überlegen müssen. Aber machen wollen wir auf jeden Fall was, egal, was dann diesmal am Ende rauskommt. Nichts machen ist keine Option!

Apropos machen: Machen, planen, entwickeln und entscheiden dürfen Sie in Fahrenbach schon seit fast 20 Jahren als Bürgermeister. Macht der Job auch in der 3. Amtszeit denn noch Spaß?

Definitiv! Bürgermeister war immer mein Traumjob, erst recht in meiner Heimatgemeinde. Das war am 1. Tag so – und das ist heute immer noch so!

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