Nürburgring des Odenwalds

1950 gab's das erste Motorrad-Rennen auf dem Odenwaldring

Am Pfingstmontag vor 75 Jahren heulten zum ersten Male die Motoren auf dem neu errichteten Ring auf. Es gibt ein Fest in Oberneudorf am Samstag, 5. Juli.

29.06.2025 UPDATE: 29.06.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 10 Sekunden
Die Fotos aus dem Jahr 1952 geben Einblick in den Mythos Odenwaldring. Foto: Heimatverein Oberneudorf

Von Jochen Schwab

Oberneudorf. Wer auf der B27 von Buchen in Richtung Mosbach fährt, passiert wenige hundert Meter vor der Einmündung nach Mudau den Rastplatz "Rüdt’sches Eck". Beim herrlichen Rundumblick über Odenwald und Bauland fällt der Blick schnell auf eine 4,5 Meter hohe Skulptur mit der Aufschrift "Odenwaldring". Doch was verbirgt sich eigentlich hinter dem "Odenwaldring"?

Im Verkehrsverein Buchen entwickelte man 1949 unter der Leitung von Fabrikant Dr. Herbert Schneider die Idee, Motorradrennen durchzuführen, um den Landstrich zwischen Neckar und Main über die Region hinaus bekannt zu machen. Die von Mudau kommende Landstraße teilte sich früher auf der Gemarkung Oberneudorf am sogenannten "Mudauer Dreieck" in eine Abzweigung Richtung Waldhausen und eine Richtung Buchen. Beide Abzweigungen gelangen auf die B27. Dieses 3,9 Kilometer lange Straßendreieck schien ideal geeignet.

Im August 1949 stellte der Verkehrsverein bei der zuständigen Verkehrsbehörde einen Antrag für Motorradrennen auf dem Verkehrsdreieck. Weil die B27 als Militärstraße während des geplanten Rennens gesperrt war, war auch die Genehmigung der amerikanischen Militärregierung erforderlich.

Da nur eine Motorsportorganisation eine Genehmigung für die Durchführung von Straßenrennen erhalten konnte, übertrug der Verkehrsverein Buchen die weitere Planung und die Durchführung kurzerhand der eigens dafür ins Leben gerufenen Bezirksgruppe Buchen des ADAC.

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Die Verantwortlichen gingen die notwendige bauliche Umgestaltung der Rennstrecke an, die insbesondere an den drei engen Kurven erforderlich war, so dass am Pfingstmontag 1950 zum ersten Male die Motoren auf dem neu errichteten Odenwaldring aufheulen konnten. Start und Zieleinlauf, das Fahrerlager und die Tribüne für die Ehrengäste lagen am Rüdt‘schen Eck – dort, wo heute das Denkmal steht.

Der Erfolg bestärkte die Verantwortlichen, in den Folgejahren die Rennen fortzusetzen. Die Zuschauerzahl steigerte sich von 15.000 auf über 20.000. Die Rennen waren in fünf Klassen unterteilt. 1954 etwa wurden Rennen für Solomotorräder in den Klassen 125, 250, 350 und 500 Kubikmeter sowie ein Rennen für Serienfahrzeuge durchgeführt.

Dabei nahmen 121 Fahrer aus ganz Westdeutschland von Kiel bis München, aber auch aus der näheren Umgebung an den Rennen auf dem Odenwaldring teil. Je nach Klasse wurden zwischen zehn und 15 Runden gefahren, was einer Länge von 39 bis 58,5 Kilometern entspricht. Die Spitzengeschwindigkeit der 500-Kubik-Maschinen betrug knapp 120 Kilometer pro Stunde.

Die Bezirksgruppe Buchen des ADAC hatte mit Unterstützung des Landkreises Buchen und der Städte Buchen und Walldürn sowie der Gemeinden Mudau, Oberneudorf und Waldhausen das größte motorsportliche Ereignis zwischen Main und Neckar auf die Beine gestellt. "Man wird von dieser Veranstaltung vielleicht einmal vom Nürburg des Odenwalds sprechen", resümierte der Vorsitzende des ADAC-Gau Nordbaden, Dr. Franz Stahl, bei der Siegesfeier 1951.

Der Odenwaldring könne sich, so Stahl, mit jeder vergleichbaren Veranstaltung im Bundesgebiet messen. Bei einer Wertung aller in Deutschland durchgeführten Motorradrennen im Hinblick auf Organisation und sportliches Niveau rangierte der Odenwaldring 1952 an vierter Stelle hinter dem Nürburgring, der Avus und dem Hockenheimring. Organisation und Durchführung dieser Rennen stellen bis heute eine großartige Leistung dar.

Zum Mythos Odenwaldring trugen auch das gesellschaftliche Beiprogramm und die Prominenz der Besucher bei. So fand die Siegerehrung in der Buchener Schützenhalle im Rahmen einer großen Tanzveranstaltung für die Fahrer und deren Angehörigen statt. Besonders großartig verlief sie 1951, als der Süddeutsche Rundfunk unter Anwesenheit des Intendanten ein Programm der Extraklasse gestaltete und Showgrößen wie Heinz Erhardt und Vico Torriani auf die Bühne brachte. 1952 kam Rennfahrer Wilhelm Herz, der damals den Geschwindigkeitsweltrekord im Motorradfahren hielt, als Ehrengast nach Oberneudorf. Ministerpräsident und Regierungspräsident übernahmen regelmäßig die Schirmherrschaft.

1955 wurden die Rennen aus finanziellen Gründen eingestellt, nachdem Frostschäden die Strecke für eine Rennveranstaltung unbrauchbar gemacht hatten. Außerdem waren verschärfte Sicherheitsmaßnahmen erforderlich, und der zunehmende Verkehr erschwerte eine Straßensperrung. Zum 50-jährigen Bestehen wurde 2003 vom AC Odenwaldring die Skulptur am Rüdt’schen Eck errichtet. Als weitere Reminiszenz an die Odenwälder Rennsportgeschichte wurde 2021 ein Graffiti-Kunstwerk auf der Umspannstation an der B 27 präsentiert.


Das Jubiläumsfest am Samstag, 5. Juli

> Der Heimatverein Oberneudorf und der AC Odenwaldring Buchen lassen zur 75-jährigen Wiederkehr des ersten Rennens die Erinnerungen an das für die damalige Zeit spektakuläre Rennsportereignis wieder aufleben. Alle Interessierten aus nah und fern sind am Samstag, 5. Juli, zu einem bunten Fest in Oberneudorf willkommen. Die Veranstalter bieten ein buntes Programm für Groß und Klein.

> Ab 9 Uhr können bei der Durchfahrtskontrolle der "ADAC Heidelberg Historic" bis zu 180 Oldtimer bestaunt werden. Um 11, 13.15 und 16 Uhr starten einstündige Rad- oder Wandertouren, bei denen Interessierte die Spuren der längst um- und teilweise rückgebauten Rennstrecke entdecken.

> Nachmittags können große und kleine Besucher in einem Rennsimulator selbst zu Rennfahrern werden, historische Motorräder betrachten und über eine Ausstellung spannender Dokumente in die 50er Jahre eintauchen. Für Kinder stehen ein eigens entwickelter Bobby-Car-Parcours, eine Hüpfburg und weitere Attraktionen zur Verfügung.

> Zeitzeuge Walter Jaegle, seines Zeichens Stadionsprecher der Rennen von 1951 und 1952, schildert um 14.30 Uhr seine lebhaften Erinnerungen an diese besondere Zeit.

> Unter dem Motto "Rock am Odenwaldring" lässt die Band "Singing Club" ab 18 Uhr den Festtag standesgemäß ausklingen, an dem der Heimatverein Oberneudorf ab 11 Uhr am Feuerwehrhaus für die Bewirtung sorgt.

Heute erinnern das Graffiti von Marco Billmaier (l.) und die vom Künstlerehepaar Hamleh geschaffene Skulptur am Rüdt’schen Eck an die legendäre Rennstrecke. Fotos: Rüdiger Busch/Jochen Schwab
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