Inklusives Straßentheater-Projekt "Hierbleiben… Spuren nach Grafeneck"
Der graue Bus bringt Geschichte auf den Marktplatz - Theater-Premiere 80 Jahre nach der Deportation

Mosbach. (RNZ) Am Donnerstag, 17. September, ist ab 11 Uhr das inklusive Straßentheaterprojekt des Reutlinger "Theaters in der Tonne" in Mosbach auf dem Marktplatz zu sehen. Unter dem Titel "Hierbleiben… Spuren nach Grafeneck" nimmt sich das Projekt eines historisch bedeutendes Ereignisses an. Durch die Begegnung der Darsteller mit Behinderung im öffentlichen Raum wird auch ihre heutige Situation aufgezeigt.
Am 17. September 1940, also zur Zeit des Nationalsozialismus, kamen die berüchtigten "grauen Busse" nach Mosbach und deportierten Menschen mit Behinderung aus der Johannes-Diakonie nach Grafeneck, darunter zum Beispiel auch die gebürtige Mosbacherin Maria Zeitler. Am Tag der Aufführung jährt sich dieses traurige Ereignis somit zum 80. Mal. In der Tötungsanstalt Grafeneck wurde Maria Zeitler im Jahr 1940 neben 10.653 weiteren Menschen mit Behinderungen ermordet.
Für das Gastspiel des inklusiven Theaters wurden 25 Herkunftsorte der Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg ausgesucht, einer der Orte ist auch Mosbach. Ein grauer Bus fährt mit dem inklusiven Ensemble, Requisiten, Bühnenbild, Kunstobjekten und mehr direkt auf den Marktplatz, um die performative Aufführung umzusetzen. Unter der Regie von Enrico Urbanek wird das Projekt vom Theater Reutlingen "Die Tonne" umgesetzt.
Bei diesem Projekt verbinden sich Choreografie, Musik, bildende Kunst, Medienkunst und dokumentarische Elemente. Über eine facettenreiche Auseinandersetzung zwischen Ensemble und Publikum werden Denkanstöße gegeben, die weit über Betroffenheit einerseits und Information andererseits hinausgehen. Durch den Einsatz historischer Fakten in Zusammenarbeit mit dem Dokumentationszentrum Gedenkstätte Grafeneck und lokalen Akteuren wie der Johannes-Diakonie Mosbach, eine der von den Deportationen betroffenen Einrichtungen, wird ein regionaler und gesellschaftlicher Bezug hergestellt.
Der Bus verweilt dabei mehrere Stunden auf dem Marktplatz und bietet verschiedene Begegnungen mit dem Ensemble. Die Interaktionen mit dem Publikum können Aufgrund der Corona-Pandemie nur unter gebührendem Abstand stattfinden. "Wir danken der Stadt Mosbach und der Johannes-Diakonie, die uns nach allen Möglichkeiten bei der Umsetzung der Aufführung des Projekts in Mosbach unterstützen – trotz Corona", sagt Projektleiter Maximilian Tremmel. "Ein besonderer Dank gilt Pfarrer Richard Lallathin, der uns bei der Recherche von Biografien von aus Mosbach Deportierten unterstützte."
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Ursprünglich hätte die Premiere am 8. Mai in Reutlingen im Rahmen Festivals "Kultur vom Rande" stattfinden sollen. Die Corona-Pandemie machte eine Neuplanung nötig. Nun ist das Projekt bis 18. Oktober in Baden-Württemberg unterwegs. Um die nötigen Abstände zwischen den Zuschauern einzuhalten, wird auf dem Marktplatz eine Theatersituation aufgebaut, sodass auch Stühle vor der Bühne vorhanden sind.
Das seit 60 Jahren bestehende Theater "Die Tonne" hat bereits seit vielen Jahren Erfahrungen mit der inklusiven Theaterarbeit und präsentiert seine Inszenierungen regelmäßig auf Festivals im deutschsprachigen Raum. Seit 2012 gibt es am Theater Reutlingen eine von den örtlichen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen mitgetragene Initiative, bei der Menschen mit Beeinträchtigungen einen Teil ihrer Arbeitszeit am Theater absolvieren und dort eine künstlerische Ausbildung erhalten.
Das Projekt wird durch Leader, von der "Lernenden Kulturregion Schwäbische Alb", von der "Trafo – Modelle für Kultur im Wandel", dem Landkreis Reutlingen sowie Daimler-Truck finanziell gefördert. Kooperationspartner des Projekts sind Baff (Träger Lebenshilfe und BruderhausDiakonie), die Fakultät für Sonderpädagogik der PH Ludwigsburg, die Bruderhaus Diakonie-Werkstätten Reutlingen sowie die Habila GmbH Rappertshofen Reutlingen.