"Jeder sollte erkennen: Das geht mich auch was an"
Der Mosbacher Wissenschaftler und Friedensforscher Hans Günter Brauch über Klimawandel, Politik und Einsicht.

Seltsame Idylle - vor den Rauchschwaden einer Fabrikanlage geht ein kleiner Junge Richtung Sonnenuntergang. Der Mensch ist inzwischen zum bedeutendsten Faktor für biologische, geologische und atmosphärische Prozesse auf der Erde geworden. Wie man dem Klimawandel und dessen Folgen begegnen kann und welche Rolle die Politik dabei spielen sollte, das erörterten gestern Wissenschaftler aus der ganzen Welt in Mosbach. Auch ein Nobelpreisträger diskutierte mit über Politik, Klima, neue Wege - und Donald Trump... Foto: dpa
Von Heiko Schattauer
Mosbach. Für Biochemiker, Molekularbiologen und Toxikologen aus aller Welt ist Mosbach seit Jahren regelmäßig Treff- und Austauschpunkt. Das ist zwar immer wieder spannend, aber nichts Neues. Gestern war die Große Kreisstadt nun das gemeinsame Forum für ein ganzes Dutzend renommierter Wissenschaftler, die ein Thema erörterten, das die ganze Welt angeht: Beleuchtet wurde der Mensch, der zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Erörtert wurde zudem, welche Rolle die Politik im Zeitalter des "Anthropozäns" (so wird diese Phase benannt) spielen kann. Mit am Tisch: Nobelpreisträger Prof. Dr. Paul J. Crutzen, der als Entdecker des Ozonlochs gilt.
Initiiert hat den Austausch der Mosbacher Politikwissenschaftler, Historiker und Autor Dr. Hans Günter Brauch (AG Friedensforschung und Europäische Sicherheitspolitik). Am Mittwochabend informierte man im Rahmen einer Vortragsveranstaltung im Rathaussaal über Wirken und Ziele der Friedensforschung, übergab zudem Ausgaben des "Handbuchs zum Übergang zur Nachhaltigkeit und zum nachhaltigen Frieden". Am Rande des besonderen Treffens begab sich die RNZ gemeinsam mit Dr. Brauch auf die Suche nach verständlichen Antworten zum weltbewegenden Themenkomplex.
Ein Nobelpreisträger in Mosbach - das ist außergewöhnlich. Wie eng ist ihr Kontakt zu Prof. Dr. Crutzen bzw. wie kam er überhaupt zustande?
Wir sind beide Mitglieder in der Vereinigung der deutschen Wissenschaftler. Für eines meiner Bücher über den Klimawandel habe ich ihn einst um ein Vorwort gebeten, so kam der direkte Kontakt zustande. Inzwischen habe ich auch in der Reihe "Pioniere der Wissenschaft" ein Buch über Prof. Dr. Crutzen, seine Ansätze, sein Wirken herausgegeben.
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Abgesehen vom Austausch in Mosbach, wie arbeiten Sie und ihre wissenschaftlichen Mitstreiter in Sachen Friedensforschung zusammen?
Jeder macht seine eigenen Publikationen, immer wieder realisiert man aber auch Projekte zusammen. So habe ich gemeinsam mit Kollegen drei dicke Buchbände zum Umdenken über Sicherheit aus menschlicher und ökologischer Sicht verfasst. In gedruckter Version sind die leider eher unerschwinglich, als E-Book wurden sie aber weltweit schon 600.000- mal heruntergeladen.
Gestern übergaben Sie im Rathaussaal zwei Ausgaben des "Handbuchs zum Übergang zur Nachhaltigkeit und zum nachhaltigen Frieden" - 1000 Seiten stark, von Ihnen mitverfasst. Ist das eine Art Anleitung für eine bessere Welt?
Naja, ich würde es eher als Ideensammlung bezeichnen. Ausgangspunkt ist die Frage, die wir uns immer wieder stellen: Was passiert mit der Erde, wenn sich nichts ändert, man alles so weiter laufen lässt? Die Auswirkungen sind klar: Anstieg der Temperatur und des Meeresspiegels und Zunahme extremer Wettereignisse. Und da gibt es eben viele Ideen, wie man gegensteuern, zu einem nachhaltigeren Handeln kommen kann.
Können Sie diese Ideen ein wenig konkretisieren?
Grundsätzlich lässt sich beispielsweise beim Thema Energie festhalten: Je mehr erneuerbare Energien wir nutzen, desto weniger Ressourcenkonflikte wird es geben. Das lässt sich unter dem Oberbegriff "Umweltkonfliktvermeidung" zusammenfassen. Mit unserer Sammlung wollen wir zur Weiterentwicklung von diesen Ideen motivieren, Adressaten sind da andere Wissenschaftler auf der ganzen Welt, die Hochschulen.
Was kann Otto-Normal-Bürger tun?
Mit energiesparender Lebensweise einen Beitrag leisten. Ich bin selbst kein Vegetarier, aber es ist nunmal so, dass für die Fleischproduktion Unmengen an Wasser benötigt werden. Energie sparen kann eigentlich jeder, auf verschiedene Art und Weise. Am wichtigsten aber ist, dass jeder Einzelne bei den Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit erkennt: Das geht auch mich was an!
Wie sehen Sie Deutschland in Bezug auf eine nachhaltige Energiepolitik?
Wir sind da schon sehr weit, bis auf wenige Ausnahmen hat die Politik die Notwendigkeit eines Umbaus zu nachhaltigem Wirtschaften erkannt. Man muss auch nicht immer gleich alle Ziele erreichen, aber sie im Auge zu behalten - das ist wichtig! Auch die Region ist hier schon weit, da hat sich in Sachen Nachhaltigkeit in den letzten Jahren viel getan. Das muss man wirklich anerkennen.
Bei "Ihren" Themen Politik und Klima(wandel) kommt man um Donald Trump nicht herum. Wie geht man als Wissenschaftler und Friedensforscher mit einem mächtigen Mann um, der den Klimawandel nicht wahrhaben will?
In Taormina (G7-Gipfel, Anm. der Redaktion) hat man ja gerade erst gesehen, wie die Lage ist. Es ist inzwischen nicht mehr G7, sondern 6+1. Trump befeuert eine ideologische Borniertheit, die in den USA mit einer massiven Propaganda über Jahre hinweg verbreitet wurde. Das ist dramatisch, zumal das Land in der Wissenschaft nach wie vor an der Spitze steht.
Ungeachtet von Donald Trump und den jüngsten Entwicklungen: Was würde sich ein Wissenschaftler und Friedensforscher von der "Weltpolitik" wünschen?
Zunächst einmal, dass diejenigen, die eine andere Sicht der Dinge haben, sich nicht Trump "anpassen". Sondern (weiter) zu ihren Zielen stehen. Deutschland ist da recht gut aufgestellt, hat seine Wirtschaft teilweise schon nachhaltig umgebaut. Das hat uns stärker gemacht. Und dann würde ich mir noch wünschen, dass der Politik klar wird, dass der nachhaltige Umbau der Industriegesellschaft dauerhaft friedensfördernde Wirkung haben kann.