RNZ-Podcast "Sagenhafter Odenwald" - Staffel 6

Wurde das Elisabethentor in nur einer Nacht erbaut? (Folge 2)

Die Geburtstagsüberraschung für die Gemahlin gilt als romantischer Liebesbeweis. Aber war das Elisabethentor vielleicht viel mehr ein politisches Statement?

09.08.2025 UPDATE: 09.08.2025 04:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden
Das Elisabethentor auf dem Heidelberger Schloss gilt bis heute als romantischer Liebesbeweis. Kurfürst Friedrich V. schenkte es 1615 seiner Frau zum Geburtstag. Archiv-Foto: Wacker

Von Noemi Girgla

Heidelberg. Nur wenige Schritte vom Haupteingang des Heidelberger Schlosses entfernt steht das Elisabethentor. In nur einer einzigen Nacht soll es Kurfürst Friedrich V. im Jahr 1615 als Geburtstagsüberraschung für seine "herzallerliebste Gemahlin" Elisabeth Stuart errichtet lassen haben.

Doch ist es tatsächlich nur als Liebesbeweis zu sehen, oder steckt auch eine politische Botschaft hinter dem Bauwerk? Mit dieser Frage befasst sich die zweite Folge der sechsten Staffel des RNZ-Podcasts "Sagenhafter Odenwald".

 

Dr. Heiko P. Wacker hat über das Heidelberger Schloss promoviert, sein Buch "Das Heidelberger Schloss: Burg – Residenz – Denkmal" gilt seit Jahren als Standardwerk. Er hält es für extrem unwahrscheinlich, dass das Elisabethentor in nur einer Nacht erbaut worden sein kann.

Für diese Erkenntnis müsse man lediglich durch es hindurchgehen: "Die Idee, das Tor in einer Nacht zu errichten, hängt sich an der Vorstellung auf, dass nur ein paar vorgefertigte, einzelne Steine aufeinander gestapelt wurden. Stattdessen wurde hier klassisch gemauert, was man auf seiner Rückseite sieht. Dennoch scheint es vorstellbar, dass zunächst die Schmucksteine der Südseite auf einem Holzgerüst gezeigt wurden. Das könnte man in einer Nacht stemmen", ordnet er ein.

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Was auf besagten Schmucksteinen dargestellt ist, erklärt die Kunsthistorikerin Bettina Müller: "Rechts und links vom Torbogen befinden sich je zwei floral gestaltete Säulen, die jeweils zwei Figurennischen einrahmen. Über dem Torbogen sind allegorische Darstellungen mit den Göttinnen Flora und Pomona, die für Blüte und Fruchtbarkeit stehen, sowie Füllhörner." Besondere Beachtung verdienen jedoch zwei heraldische Löwen mit einem Reichsapfel – und über diesen die lateinische Widmungsinschrift.

Laut Müller können Löwen und Reichsapfel als Hinweis auf die politische Dimension der Ehe zwischen Friedrich V. und Elisabeth Stuart gelesen werden. "Der Reichsapfel steht zum einen für die weltliche Herrschaft des Kaisers oder auch von Königen und zum anderen für die Rolle des Monarchen als Verteidiger des Glaubens", erläutert sie.

Wacker fügt hinzu, dass sowohl die Kurpfalz als auch London den Löwen im Wappen führten. Friedrich V. hatte am Valentinstag 1613 nämlich keine Geringere als die Tochter Jakobs I. – König von England, Irland und Schottland sowie starker Verfechter des protestantischen Glaubens – geheiratet.

"Die Eheschließung besiegelte eine konfessionspolitisch motivierte Allianz zwischen der Kurpfalz und England. Die beiden protestantischen Mächte vereinten sich hier – alleine das war ein deutliches Signal an das katholisch-habsburgische Lager, das in Europa zu diesem Zeitpunkt die Vormachtstellung hatte", erläutert Wacker. Also doch nicht die große Liebe, die dem Paar so oft zugeschrieben wird?

Doch, aber nicht nur, fasst Müller zusammen: "Das Tor gilt bis heute als ein Sinnbild für die tiefe Liebe und Zuneigung von Elisabeth und Friedrich zueinander. Denn anders als die ganzen politischen und diplomatischen Zusammenhänge vermuten lassen, haben sich die beiden herzlich und innig ineinander verliebt und wurden nicht nur ein Ehe- sondern auch ein Liebespaar." Keine Selbstverständlichkeit in der damaligen Zeit.

Die Unbeschwertheit der beiden sollte jedoch nicht lange andauern, der Dreißigjährige Krieg stand vor der Tür. Im September 1619 nahm Friedrich V. trotz Warnungen die ihm von Böhmen angetragene Königswürde an und reiste mit Elisabeth nach Prag. "Das endete in einem Desaster", bringt es Wacker kurz auf den Punkt. Nur ein Jahr nach seiner Krönung wurden Friedrichs Truppen 1620 bei der Schlacht am Weißen Berg von der Katholische Liga geschlagen – während dieser mit den Gesandten seines Schwiegervaters beim Essen saß, und um militärischen Beistand bat.

1622 kehrte der nun zum Exil Verdammte noch einmal nach Heidelberg zurück, um Akten und Wertgegenstände zu holen, kurz bevor Tilly seine Residenzstadt einnahm. Elisabeth begleitete ihren Mann nicht. Sie sollte Heidelberg, ihr Tor und ihren Lustgarten, der dieses umgab, nie wiedersehen.

Bis heute gilt das Elisabethentor als romantischer Liebesbeweis, vor dem sich zahlreiche Hochzeitspaare fotografieren lassen. Welche Rolle sein Auftraggeber zu Beginn eines der längsten und blutigsten Kriege Europas spielte, ist den meisten hingegen unbekannt.

Info: Wer mehr über das Elisabethentor und andere regionale Sagen erfahren möchte, findet die neuen Folgen jeweils freitagabends im August hier.

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