Von Dillers Mundwasserbombe bis zur Essigsau
In der 40. Ausgabe gibt es Beiträge von 72 ehrenamtlichen Autoren. Das Schwerpunktthema ist das Kriegsende vor 80 Jahren.

Von Peter Lahr
Schefflenz/Rhein-Neckar. Mit dem Coldplay-Megahit "Fix You" gelang es den beiden Sängerinnen Mia Hug und Mia Bahler am Donnerstagabend mühelos, von der unterhaltsamen U-Musik in die edle ernste Musik zu wechseln. Und damit zeigten die begabten Schülerinnen der Musikschule Mosbach auch gleich, mit welcher inhaltlichen Bandbreite der 40. RNZ-Heimatkalender "Unser Land" punktet.
Das druckfrische Werk präsentierten nicht nur die drei Herausgeber Karl-Heinz Neser, Gerhard Layer und Karl Wilhelm Beichert der Öffentlichkeit. Unter den rund 80 Gästen im Schefflenzer Rathaussaal befanden sich auch Minister Peter Hauk, Erster Landesbeamter Björn-Christian Kleih, Bürgermeister-Stellvertreterin Melanie Kammerer sowie zahlreiche ehrenamtliche Autorinnen und Autoren. RNZ-Verlegerin und Chefredakteurin Inge Höltzcke wurde erstmals von ihrem Sohn Robin begleitet, der ebenfalls an verantwortlicher Stelle für die Heidelberger Tageszeitung wirkt.
"Unser Land ist wieder da, und es ist ein Jubiläumskalender", unterstrich Karl-Heinz Neser – und offenbarte sich als "Mann der ersten Stunde", der mittlerweile sein maßangefertigtes "Unser-Land-Regal" hat erweitern müssen. 40 Ausgaben bedeuteten 53,3 laufende Regalzentimeter Heimatgeschichte. Das Opus magnum bringe fast 15 Kilogramm auf die Waage und halte auf 10.759 Seiten gesammeltes Wissen über unsere Region bereit.
"Die Menschen, die hier leben, geben der Heimat ihre Seele und gestalten unsere Zukunft", betonte Melanie Kammerer. Denn Heimat bedeutete der Schefflenzer Gemeinderätin nicht nur ein Ort, sondern zudem ein Gefühl der Zusammengehörigkeit: "Heimat ist das, was uns formt, und sie verpflichtet uns zum Bewahren." An die diesjährige 1250-Jahr Feier der Gemeinde Schefflenz erinnerte Gerhard Layer, und ordnete den Ort geografisch dem Bauland zu. Der Heimatkalender sei seit Anbeginn anno 1985 ein Gemeinschaftswerk, das für eine große thematische Bandbreite stehe. Für die 40. Ausgabe verfassten 72 Autorinnen und Autoren 81 Beiträge: "Sie geben dem Lesebuch der Region Würze und Fülle", betonte Layer.
Einen inhaltlichen Schwerpunkt bilde das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren. Dass es sich hier nicht gerade um leichte Kost handele, sei klar. Gleichwohl gehe der "Zeitstrahl" bis ins Neolithikum zurück. "Die Vielfalt ist unsere Stärke", bekräftigte Layer. Sie reiche von der "Essigsau" bis zum historischen Rahmkuchen-Rezept aus dem Jahr 1900. Sogar "Dillers Mundwasserbombe" hat einen Gastauftritt.
"Heimat ist da, wo wir verstehen und verstanden werden." Diesen Satz des Heidelberger Philosophen und Psychiaters Karl Jaspers stellte Björn-Christian Kleih ins Zentrum seiner Heimat-Gedanken. Auch wenn der Erste Landesbeamte des Neckar-Odenwald-Kreises und bekennende Halbschwabe den Einsatz von Steuergeldern zur Dialektförderung anzweifelte, sah er in der Jasperschen Definition ein Bekenntnis zu einem kleinen Kosmos, welchen man Neudeutsch als Pfadabhängigkeit umschreibe.
"Einen Beitrag zu diesem Vorverständnis leistet ,Unser Land’ für das Neckartal, den Odenwald, das Bauland und den Kraichgau." Herausgekommen sei wieder "eine bunte und wunderbare Mischung, aus den Federn vieler verschiedener Autoren – mit je unterschiedlichem Hintergrund und Duktus".
"Was für eine Freude! Auch in diesem Jahr gibt es eine neue Ausgabe", jubelte Inge Höltzcke und lobte die gelungene Kooperation des bewährten Herausgeber-Trios mit den vielen Autorinnen und Autoren. "Wir finden ein gelungenes Potpourri aus historischen Abhandlungen, Naturbetrachtungen, Lebensgewohnheiten und Sagen, Brauchtum und Volksweisheiten. Im Mittelpunkt stehen die Menschen, darunter Auswanderer, Kriegsgefangene, Zwangs- arbeiter, Studenten, Apotheker, Holzhändler, engagierte Pfarrer und Lehrer."
Auch der Bezug zur heutigen Zeit fehle nicht, nachzulesen etwa in Michael Mendes Beitrag "Jawads Weg", der einen Afghanen nach Heidelberg führt. "Über allem steht der stille Wunsch, den Blick für die Schönheiten der Natur zu schärfen, die Menschen zu schätzen, die Zeit zu nutzen und den Frieden zu wahren", lautete das positive Resümee der RNZ-Verlegerin.
"Edwin Roedder kann als ein Vorläufer von uns allen gelten", erklärte Karl Wilhelm Beichert in seinem Schlusswort. Der Germanist aus Schefflenz, der in den USA Karriere als Wissenschaftler machte – und gleichermaßen Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde wie auch der Uni Heidelberg wurde – charakterisierte seine Arbeiten als "Werk der Heimatliebe"; allerdings einer Liebe, die auch zürnen und strafen könne. Beicherts Dank ging zudem an Gerhard Layer, der seit 35 Jahren als Schriftführer zeige, dass er Orthografie, Syntax und Stilistik beherrsche, sowie an Inge Höltzcke, die ihre schützende Hand über den Heimatkalender halte.
Info: Der RNZ-Heimatkalender "Unser Land 2025" ist ab sofort in den Geschäftsstellen der RNZ und im örtlichen Buchhandel erhältlich, 304 Seiten, Paperback, zahlreiche Abbildungen und Fotografien, ISBN 978-3-936866-78-0, 14,80 Euro.