Entkommene Häftlinge zurück im Gefängnis (Update)
Zwei Gefangene fliehen aus dem offenen Vollzug. Die Fälle hatten für Kritik an der Justiz gesorgt. Nun sind beide wieder in Haft.

Bad Schönborn. (dpa/lsw) Die beiden aus dem sogenannten offenen Vollzug geflohenen Häftlinge sind wieder im Gefängnis. Dies teilte das baden-württembergische Justizministerium am Mittwoch in Stuttgart mit. Wegen dieser und ähnlicher Fälle hatte es Kritik an den Strafvollzugsbehörden gegeben.
Der an Heiligabend aus der Außenstelle Kislau der Justizvollzugsanstalt Bruchsal entkommener Mann wurde bereits am 4. Februar geschnappt und dann ins Gefängnis gebracht. Der 28 Jahre alte Gefangene war ursprünglich zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Da er diese Geldstrafe nicht bezahlte, hatte er stattdessen eine Freiheitsstrafe von 140 Tagen zu verbüßen.
Ein am 26. Januar gleichfalls in Kislau geflohene Gefangene stellte sich am 6. Februar selbst in Bruchsal und befindet sich nun dort im geschlossenen Vollzug. Er hatte von einer ursprünglich zur Bewährung ausgesetzten zehnmonatigen Freiheitsstrafe noch acht Monate zu verbüßen, nachdem die Bewährung widerrufen wurde, weil der Mann die damit verbundenen Auflagen nicht erfüllt hatte.
Nach Bekanntwerden der beiden Fälle hatte das Justizministerium erklärt: "In den Einrichtungen des offenen Vollzugs sieht das Gesetz keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor." Das Fluchtrisiko sei bei dieser Vollzugsform gegeben.
Im offenen Vollzug müssen Gefangene oft einsitzen, wenn sie Geldstrafen nicht bezahlt haben. Sie arbeiten unter anderem in der landwirtschaftlichen Produktion oder in einem Hofladen. Durchschnittlich gab es laut Ministerium im offenen Vollzug in Baden-Württemberg in den vergangenen zwölf Jahren jährlich rund neun sogenannte Entweichungen. Im vergangenen Jahr konnten elf Gefangene entkommen, von denen fünf noch auf der Flucht seien.
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Update: Mittwoch, 7. Februar 2024, 16.14 Uhr
Ausbruch an Heiligabend – Wieder ist ein Häftling geflohen
Von Konrad Bülow
Bad Schönborn. Die Flucht eines Insassen aus der Anstalt des offenen Vollzugs auf Schloss Kislau in Bad Schönborn hat dieser Tage für Aufregung gesorgt. Die Badischen Neuen Nachrichten hatten zuerst darüber berichtet, nachdem die Redaktion einen anonymen Brief über die Flucht erhalten hatte.
Nach der Veröffentlichung des Artikels schlägt der nordbadische FDP-Landtagsabgeordnete Christian Jung Alarm. "Die Bevölkerung ist nach dem dritten gelungenen Fluchtversuch eines Gefangenen aus nordbadischen Justizvollzugsanstalten im vierten Quartal 2023 zurecht beunruhigt", wettert er.
Bereits im Oktober war ein verurteilter Mörder und Häftling der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal während eines Ausgangs in Germersheim geflohen. Im Dezember entwischte ein Insasse des Mannheimer Gefängnisses während eines Arztbesuchs in Ludwigshafen.
Zumindest dieser ging der Polizei nach zwei Wochen in einem Weinheimer Hotel wieder ins Netz. Nach Darstellung des Landesjustizministeriums liegt der Fall des bereits an Heiligabend aus Schloss Kislau entflohenen Mannes aber etwas anders als die beiden vorangegangenen.
Der Sachverhalt selbst wird auf RNZ-Anfrage indirekt bestätigt: Der Entflohene sei zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Da er diese nicht bezahlt habe, sollte er eine Ersatzfreiheitsstrafe von 140 Tagen verbüßen. Damit war er in Schloss Kislau nicht alleine: Die Anstalt im Ortsteil Mingolsheim von Bad Schönborn ist eine Außenstelle des offenen Vollzugs der JVA Bruchsal.
Der überwiegende Teil der untergebrachten Gefangenen sei dort aufgrund einer solchen Ersatzfreiheitsstrafe oder aufgrund einer anderen kurzen Freiheitsstrafe. Es handele sich um Insassen, von denen nicht zu befürchten sei, dass sie sich der Freiheitsstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs für Straftaten missbrauchen. Ziel solcher Einrichtungen sei insbesondere die Resozialisierung.
"In den Einrichtungen des offenen Vollzugs sieht das Gesetz keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor", heißt es in einer Antwort auf die Anfrage der RNZ. Das Ministerium beruft sich auf eine Verwaltungsvorschrift, nach der bauliche und technische Sicherungsvorkehrungen, "insbesondere Umfassungsmauer, Fenstergitter und besonders gesicherte Türen", in Einrichtungen des offenen Vollzugs wie jener in Kislau entfallen können. Einzelheiten zur jüngsten Flucht nennt das Ministerium nicht.
Die sorgfältige Prüfung der Gefangenen, die im offenen Vollzug untergebracht sind, zeige sich auch an der Belegung der Einrichtungen: Trotz Überbelegung des geschlossenen Vollzuges seien im offenen Vollzug lediglich rund die Hälfte der Plätze belegt.
Dass dies aber auch ein erhöhtes Risiko von Ausbrüchen mit sich bringe, belegt die Pressestelle des Justizministeriums mit Zahlen. Demnach ist der nun Entflohene bei Weitem nicht der erste. Elf Insassen brachen 2023 aus dem offenen Vollzug aus, einer ist es bisher im neuen Jahr.
"Durchschnittlich gab es im offenen Vollzug in den vergangenen zwölf Jahren jährlich rund neun Entweichungen", schreibt die Pressestelle des Ministeriums weiter.
Nur während der Pandemie seien es etwas weniger gewesen: zwei im Jahr 2021, fünf 2022. Im Jahr 2018 entflohen demnach sogar 14 Insassen aus dem offenen Vollzug. Von einer Gefahr für die Bevölkerung geht das Ministerium aufgrund der Fluchten aus dem offenen Vollzug nicht aus – deshalb werde auch keine aktive Öffentlichkeitsarbeit dazu betrieben.
FDP-Abgeordneter Jung mahnt eine Verbesserung der Kommunikation im Justizministerium an. Es tue weh, "wenn viele wichtige Sachverhalte" erst durch parlamentarische Anfragen, Nachfragen und den öffentlichen Druck bekannt würden.
Gemeinsam mit seiner Parteifreundin Alena Fink-Trauschel habe er sich in einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung gewandt. Justizministerin Marion Gentges (CDU) müsse darauf innerhalb von 21 Tagen antworten.
Die Liberalen fordern eine Aufklärung des Vorgangs und fragen, wie sicher die Justizvollzugsanstalten in Bruchsal und auf Schloss Kislau sind.