Ankunftszentrum für Flüchtlinge

Mannheim will nicht überfordert werden

Deshalb stellt sich Oberbürgermeister Peter Kurz gegen ein vom Bund geplantes Ankunfts- und Abschiebezentrum für Flüchtlinge

23.04.2018 UPDATE: 24.04.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden

Die Coleman Barracks im Mannheimer Norden könnten ein möglicher Standort sein - auf dem riesigen Gelände ist aber auch noch die US-Armee stationiert. Foto: Gerold

Von Alexander Albrecht und Steffen Blatt

Mannheim. Oberbürgermeister Peter Kurz hält ein Registrierungszentrum für Flüchtlinge in den Mannheimer Coleman Barracks weiterhin für möglich. Ein von der Bundesregierung ins Spiel gebrachtes "Ankerzentrum" lehnt er jedoch ab. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

> Wie ist die Ausgangslage? Aktuell ist das zentrale Registrierungszentrum für Flüchtlinge in Baden-Württemberg im Heidelberger Patrick Henry Village (PHV) angesiedelt. Dort werden die Neuankömmlinge registriert und untersucht. Außerdem stellen sie vor Ort bei Mitarbeitern des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ihren Asylantrag. Anschließend werden die Flüchtlinge über die Landeserstaufnahmestellen (LEA) auf andere Kommunen verteilt.

> Was soll sich ändern? Das Land hat Heidelberg zugesagt, das Gelände freizumachen. Die Stadt will PHV zu einer volldigitalisierten "Smart City" weiterentwickeln. Innenminister Thomas Strobl hat am Wochenende angekündigt, dass noch in diesem Jahr ein "Ausstiegsszenario" gefunden werden soll. Nach dem Wunsch des CDU-Politikers soll der Nachfolgestandort in Mannheim entstehen, als "Favorit" galt bislang ein Teil der riesigen Coleman-Barracks in Sandhofen. Nach Angaben des Ministers werden aber auch andere Alternativen in der Stadt geprüft. Das Innenministerium hält sich bei der Frage bedeckt, wo sich diese befinden.

> Wie steht Mannheim zum Registrierungszentrum? Oberbürgermeister Peter Kurz kann sich das Flüchtlingsdrehkreuz in der Stadt vorstellen - unter bestimmten Voraussetzungen. So sollen die Neuankömmlinge maximal ein bis zwei Wochen in Mannheim bleiben. Im Gegenzug, so fordert Kurz, soll die Stadt davon befreit werden, Geflüchtete längerfristig aufzunehmen. Das ist jetzt schon der Fall, da Mannheim Landeserstaufnahmestadt ist. Nach Berechnungen des Rathauses würden der Stadt nach Wegfall dieses Privilegs in den nächsten vier bis fünf Jahren bis zu 4000 Flüchtlinge zugewiesen werden. Die LEA-Vereinbarung läuft 2019 aus, dann gibt das Land die bisherigen Einrichtungen in den Spinelli Barracks und im ehemaligen Benjamin Franklin Village auf. Was die Aufenthaltsdauer im Registrierungszentrum und den "Zuweisungsstopp" von Flüchtlingen angeht, seien sich Kurz und Strobl bisher einig gewesen, erklärte ein Stadtsprecher.

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> Was ist das Problem? Mannheim hat nach wie vor alle Hände damit zu tun, die mehr als 10.000 Zuwanderer aus Südosteuropa in den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem zu integrieren. Kämen noch die bis zu 4000 Flüchtlinge dauerhaft hinzu, sähe sich die Stadt überfordert. Zumal für diese Menschen auch noch Wohnungen gefunden werden müssten. Und Wohnraum ist eher knapp in Mannheim. Darüber hinaus ist ein mögliches Ankunftszentrum in den Coleman-Barracks sehr umstritten. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Stadtrat Nikolas Löbel lehnt den Standort ab, weil die zur Verfügung stehenden Liegenschaften "abbruchreif" seien. Und: Der andere große Teil des Geländes wird vom US-Militär genutzt, das dort unter anderem Panzer repariert und auf Einsätze vorbereitet. Zum Teil traumatisierte Flüchtlinge neben Kriegsgerät - das halten die Mannheimer Grünen im Gegensatz zu Kurz für undenkbar.

> Was hat der Bund vor? Die schwarz-rote Bundesregierung plant laut ihrem Koalitionsvertrag sogenannte Ankerzentren. Eines davon könnte in Mannheim entstehen - mit einer Kapazität für rund 3500 Menschen.

> Registrierungszentrum und "Ankerzentrum" - wo liegen die Unterschiede? "Ankerzentren" sind weit mehr, nämlich Ankunfts-, Registrierungs- und Abschiebezentren in einem. Derzeit werden auch Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive auf andere Kommunen verteilt. Nach den Plänen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sollen diese Menschen künftig bis zur Ablehnung ihres Asylantrags und der Abschiebung im "Ankerzentrum" bleiben.

> Wie reagiert die Stadt? Oberbürgermeister Peter Kurz ist mit Blick auf die Zuwanderung aus Südosteuropa gegen ein "Ankerzentrum". "Das ist keine tragbare Konzeption für Mannheim und seine Bevölkerung", teilte er mit. In dieser Frage ist Kurz mit Löbel einer Meinung. "Wir wollen Mannheim entlasten und nicht weiter belasten", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete. Auch sähen die Sicherheitskräfte die Ansiedlung eines solchen Zentrums kritisch.

> Und Heidelberg? Strobls Aussagen hört man dort natürlich gern. "Ich habe lange mit dem Minister gesprochen und freue mich, dass er die bekannte Position noch einmal bestätigt hat", sagte Oberbürgermeister Eckart Würzner gestern. Darum habe die Verwaltung die baurechtliche Duldung des Ankunftszentrums in Patrick Henry Village im März bis zum 20. September dieses Jahres verlängert. "Wichtig für uns ist die klare Aussage, dass die wichtige Entwicklungsfläche PHV für uns zeitnah zur Verfügung stehen muss", so Würzner weiter.

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