Abgeschobener Afghane

Wie Mostafa Nazari durch die Hölle ging

Mostafa Nazari hat in Ladenburg neue Perspektiven erhalten.

22.04.2022 UPDATE: 23.04.2022 06:00 Uhr 3 Minuten
Mostafa Nazari im Schneetreiben in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Repro: Sturm

Von Axel Sturm

Ladenburg/Rhein-Neckar. Der unter fragwürdigen Umständen vor zwei Jahren nach Afghanistan abgeschobene Mostafa Nazari ist wieder zurück in Ladenburg. Kurz vor Ostern gelang es einer privaten Luftbrücke, den jungen Mann über Pakistan auszufliegen, so dass "der Krimi in letzter Minute gut zu Ende ging", wie die Mitglieder des Ladenburger Hilfsvereins INT.AKT der RNZ berichteten.

Der Rückflug nach Berlin drohte sogar zu scheitern, doch durch den Einsatz der Wahlkreisabgeordneten und Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Franziska Brantner (Grüne), nahm die dramatische Geschichte doch noch ein gutes Ende.

Doch zunächst ein Blick zurück: Den 10. Januar 2020 werden der damals in Ladenburg bestens integrierte 26-jährige afghanische Staatsbürger Mostafa Nazari und die Helferin des Arbeitskreises Flüchtlinge, Petra Fuhry, nie vergessen. Nazari hatte eine feste Anstellung als Straßenbauer bei der Firma Diringer & Scheidel und beste Bleibe-Perspektiven. An jenem Vormittag war er von der Ausländerbehörde im Landratsamt einbestellt worden. Es geht wohl um die Verlängerung der Duldung, dachten sich beide, und es weckte auch keinen Verdacht, als die Behörde einforderte, dass Nazari persönlich anwesend sein müsse.

Mit der Verlängerung der Duldung und der Arbeitserlaubnis wurde es nichts – stattdessen klickten die Handschellen. Nazari wurde erst einem Haftrichter vorgeführt und dann in Abschiebehaft überstellt. Wegen einer Schlägerei war der junge Mann 2016 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, so dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Asylantrag negativ beschied.

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Er wurde somit als "ausreisepflichtig" eingestuft, obwohl er gerade eine zweite Lehre als Rohrleitungsbauer begonnen hatte. Seine erste Ausbildung als Straßenbauer legte er mit Auszeichnung ab. Niemand glaubte wirklich daran, dass der ehrgeizige und zuverlässige, bestens integrierte Auszubildende abgeschoben werden könnte. Nicht er selbst, nicht die Helferinnen des Arbeitskreises Flüchtlinge und auch nicht die Sportfreunde des ASV Ladenburg, wo sich der junge Mann und Vereinshelfer in der Jugendarbeit engagierte. Auch in der Politik schlug die Abschiebung hohe Wellen. Landtagsabgeordnete der Grünen und der SPD setzten sich ebenso wie der Arbeitgeber immer wieder für die Rückholung ein – doch seine Einreise wurde wegen der 30-monatigen Sperrfrist immer wieder verweigert.

Petra Fuhry, die sich heute noch von der Behörde als Helferin instrumentalisiert fühlt, erinnert sich, dass Nazari noch die Arbeitskleidung trug, als die Handschellen klickten. Es gelang den Flüchtlingshelfern, noch ein paar warme Kleidungsstücke in die Abschiebehaft zu schicken, den Flug nach Kabul konnten die Unterstützer aber nicht verhindern.

Soweit die Vorgeschichte. Im RNZ-Gespräch vom Donnerstag hat Nazari erneut die Arbeitskleidung der Firma Diringer & Scheidel an, als er von seiner Rückkehr berichtet. Gleich nach Ostern hat der Rückkehrer seine Arbeit wieder aufgenommen. Er wirkt noch ein wenig erschöpft – ist aber auch erleichtert. "Ich bin zwei Jahre durch die Hölle gegangen", sagt er mit leiser Stimme.

Auf dem Ladenburger Marktplatz strahlt Mostafa Nazari am Freitag mit der Sonne um die Wette. Der Afghane ist glücklich, dass er wieder in Deutschland ist. Foto: Sturm

Dass er überhaupt noch lebt, grenzt irgendwie an ein kleines Wunder. Er erhielt nach seiner Ankunft in Kabul zwar Unterstützung von seinen Ladenburger Helfern, aber der psychische Druck, der auf dem jungen Mann lastete, war riesengroß. Weil er aufgrund seiner guten Deutschkenntnisse bei einer Hilfsorganisation eine Beschäftigung fand und von Freunden immer mal wieder Geld an ihn nach Afghanistan überwiesen wurde, hielt sich Nazari mehr schlecht als recht über Wasser. Ständig musste er seinen Aufenthaltsort wechseln, und spätestens mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 war der Mann, der für eine Hilfsorganisation arbeitete, in Lebensgefahr. Obwohl das Einreiseverbot dank des Einsatzes des inzwischen verstorbenen Landtagsabgeordneten Uli Sckerl auf 18 Monate reduziert wurde, erhielt Nazari keinen Platz in einem Flieger der Rückholaktion. Er musste also weiter in Kabul ausharren. "Die Hoffnung auf die Rückkehr habe ich aber nie aufgegeben – auch wenn zwischendurch alles hoffnungslos erschien", erzählt er.

Die Nachricht, dass seine Rückkehr nach Deutschland erfolgen kann, war für ihn daher eine "pure Erlösung". Auch die Menschen, die sich für ihn einsetzten, sind erleichtert. Gerade die INT.AKT-Helferinnen haben eine schwere Zeit hinter sich. Mitglieder des Vereins erhielten sogar Morddrohungen, weil sie sich für die Rückkehr von Nazari einsetzten. Viel wichtiger sei im Augenblick, dass die Geschichte für Mostafa gut ausgegangen ist, sagte die Vereinsvorsitzende, Sabine Weil, der RNZ. Auch der Ladenburger Bürgermeister Stefan Schmutz, der die Abschiebung Nazaris beim Stadtempfang 2020 als "verheerendes Zeichen" einordnete, ist erleichtert. "Seine Rückkehr ist eine Nachricht, die alle Menschen, die Herrn Nazari kennen und die ihn in den letzten Jahren begleitet und unterstützt haben, unglaublich glücklich und stolz macht", sagte der Bürgermeister. Er findet es erschütternd, was Nazari persönlich nach der Machtergreifung der Taliban zu erleiden hatte.

"Seine Abschiebung war und ist bis heute ein Fehler gewesen. Umso wichtiger ist jetzt, dass es ihm ermöglicht wird, sein Leben hier in Frieden und Freiheit leben zu können". Seine Ausbildung zum Rohrleitungsbauer wird Nazari übrigens fortsetzen. Und auch die will er mit Auszeichnung bestehen.

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