"Wir sind mehr"-Demo

In Heidelberg zeigten mehr als 1000 Menschen Flagge gegen Neo-Nazis

Demo auf dem Bismarckplatz gegen die Aufmärsche der Rechten in Chemnitz. Rund 100 Menschen waren erwartet worden. Es kamen mehr.

03.09.2018 UPDATE: 04.09.2018 07:00 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden

Dicht gedrängt standen die Demonstranten am Montagabend auf dem Bismarckplatz. Rund 1000 Menschen aus der ganzen Region waren dem Aufruf der SPD gefolgt und setzten ein Zeichen gegen Fremdenhass. Foto: Philipp Rothe

Von Jonas Labrenz

Heidelberg. Der Bismarckplatz platzte am Montagabend aus allen Nähten: Bis zum Taxistand, zur Bushaltestelle und zur Rohrbacher Straße standen die Menschen dicht gedrängt. Die SPD hatte zur Solidaritätsveranstaltung "Wir sind mehr" aufgerufen und mit einem breiten Bündnis über Parteigrenzen hinweg deutlich gemacht, dass das, was zurzeit in Chemnitz passiert, von der Mehrheit nicht gutgeheißen wird. Ab 18.30 Uhr kamen mehr als 1000 Menschen zusammen.

"Es ist Zeit, gemeinsam für unsere Werte einzustehen und Flagge zu zeigen", rief Marlen Pankonin in die bunte Menge. Die quittierte jede Aussage der SPD-Vorsitzenden mit schallendem Applaus.

Nachdem in Chemnitz ein Mensch mutmaßlich von zwei Asylbewerbern getötet wurde, stehen sich dort regelmäßig tausende Demonstranten gegenüber. Auf der einen Seite tauchen immer wieder Nazi-Symbole auf, wird der Hitlergruß gezeigt, werden Parolen gegrölt.

"Jetzt werden wieder Menschen durch die Straßen gejagt", verkündete Pankonin wütend. Für sie ist klar: "Wer solches Unrecht duldet, trägt eine Mitschuld." Und wer sich mit Nazizeichen schmücke und den Hitlergruß zeige, "der muss sich auch als Nazi bezeichnen lassen", befand die SPD-Vorsitzende. Es gebe Parteien in unserem Land, die alles versuchten, um Menschen auseinanderzubringen - durch Hass und Gewalt. "Das werden wir nicht zulassen", rief Pankonin. Stattdessen müssten die Menschen wieder gemeinsam an Problemen arbeiten: "Mit ehrlichen Antworten - im Sinne der Bürger."

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Bei der Anmeldung der Demo rechnete die SPD-Vorsitzende nicht mit so viel Zulauf. Für 100 Teilnehmer sei sie eigentlich genehmigt worden, berichtet der Einsatzleiter der Polizei. Auf etwa 400 Personen schätzte er die Menge. Allerdings: Beim Blick von oben zeigte sich, dass eher über 1000 Menschen auf dem Bismarckplatz standen.

Max Schwendemann war einer von ihnen: "Das, was gerade in Chemnitz passiert, hat bei vielen Menschen einen Schalter umgelegt", mutmaßte der 22-Jährige. So war es bei Karin Zimmermann, die mit ihrer ganzen Familie extra aus Mauer nach Heidelberg gekommen war, um auf dem Bismarckplatz Flagge zu zeigen. "Dass ich auf meiner letzten Demo war, ist sicherlich 20 Jahre her", erinnerte sie sich. Doch jetzt konnte sie einfach nicht zuhause sitzen: "Das Fass ist einfach übergelaufen", sagte die 55-Jährige und ergänzte: "Die sind nicht die Mehrheit."

Auch Berthold Schmidt wollte klarstellen, dass er nicht einverstanden ist mit dem, was im Land passiert. "Die Zivilgesellschaft muss sich wehren", erklärte der 78-Jährige. Seine Frau habe ihn vor der Demo noch gefragt: "Was bringt es, wenn wir noch dabei sind?". Schmidt weiß: "Man ist immer nur ein kleines Rad", doch zusammen könne man etwas bewirken. Gerade dann, wenn auch viele junge Leute da sind.

Neben Rednern von den Grünen, den Linken, der Seebrücke und vielen anderen, sprach auch CDU-Stadtrat Matthias Kutsch. Zwischen dem tosenden Applaus, den er dafür bekam, dass er die Menschenwürde als Kern des Grundgesetzes hervorhob, mischten sich auch hier und da Buh-Rufe gegen den Vertreter der Bürgerlichen. Für Pankonin ging das zu weit: "Das können wir wann anders machen, aber nicht jetzt", rief sie.

Ein Taxifahrer, der das Geschehen aus seinem Auto beobachtete, war erstaunt angesichts der vielen Teilnehmer. Ob er den Bismarckplatz schon einmal so voll gesehen habe? "Ich glaube nicht", sagte er - und fügte hinzu: "Aber das ist ja ein gutes Zeichen."

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