Universität Heidelberg

Studiendekan begrüßt Urteil zum Numerus clausus

An der Uni Heidelberg sieht man das Urteil des Verfassungsgerichtes gelassen - Zu wenige Studienplätze sind das eigentliche Problem

19.12.2017 UPDATE: 20.12.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Auch ohne Einser-Abitur kann man in Heidelberg Medizin studieren. Foto: Medizinische Fakultät Heidelberg

Von Denis Schnur

Die Uni Heidelberg ist bundesweit einer der wichtigsten Ausbildungsstandorte für Ärzte. Der Studiendekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Andreas Draguhn (56), erklärt, wieso er das Urteil des Verfassungsgerichts zum Numerus clausus begrüßt.

Hintergrund

Das Auswahlverfahren für die rund 3600 Plätze in den medizinischen Studiengängen der Universität Heidelberg (Stand: Wintersemester 2017/18) setzt sich aus drei Teilen zusammen:

60 Prozent der Bewerber werden von der Uni ausgewählt. In Heidelberg spielt

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Das Auswahlverfahren für die rund 3600 Plätze in den medizinischen Studiengängen der Universität Heidelberg (Stand: Wintersemester 2017/18) setzt sich aus drei Teilen zusammen:

60 Prozent der Bewerber werden von der Uni ausgewählt. In Heidelberg spielt der Abi-Schnitt dabei die größte Rolle, ist jedoch nur zu 46 Prozent ausschlaggebend. Fast genauso wichtig ist das Ergebnis des "Medizinertestes" (44 Prozent) - eine Prüfung, bei der Dinge wie das Erfassen von Informationen, Wahrnehmung, räumliches Vorstellungsvermögen und Konzentrationsfähigkeit geprüft werden. Hinzu kommen Bonuspunkte (10 Prozent) für Berufsausbildungen, Freiwilligendienste, Auszeichnungen in Schüler-Wettbewerben oder herausragende sportliche Leistungen.

20 Prozent aller Medizin-Studienplätze werden deutschlandweit - und damit auch in Heidelberg - von der Stiftung für Hochschulzulassung nach der Abitur-Note vergeben.

20 Prozent der Plätze vergibt die Stiftung nach Wartesemestern. dns

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Prof. Draguhn, wie erkennen Sie, ob aus einer Abiturientin eine gute Ärztin wird?

Das weiß heute niemand. Erstens gibt es trotz intensiver Forschung keine verlässlichen Kriterien, nach denen man den Erfolg im Beruf vorhersagen könnte. Die Abiturnote sagt lediglich etwas über den Studienerfolg, aber nicht den beruflichen. Zweitens gibt es keine einheitliche Definition dessen, was eine gute Ärztin ausmacht. Das ist ein extrem vielfältiges Berufsfeld, in dem ganz verschiedene Kompetenzen wichtig sind.

Die Abitur-Note sagt nur etwas über den Erfolg während des Studiums voraus?

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So ist es. Aber wie das Verfassungsgericht auch würde ich das nicht gering schätzen. Umfassendes Wissen und Verständnis sind für die angehenden Ärzte und Ärztinnen doch ganz wichtig! Die Auswahl sollte sicherlich nicht nur durch die Note erfolgen - aber auch nicht ohne.

Also begrüßen Sie das Karlsruher Urteil?

Ja, es erlaubt eine gute Gewichtung zwischen theoretischem Rüstzeug - wie dem Abi - und berufsbezogenen Kriterien. In Heidelberg gehen wir diesen Weg schon: 60 Prozent der Studienplätze werden bei uns über ein Verfahren vergeben, in den sowohl der NC wie der "Mediziner-Test", ein in Heidelberg entwickelter Eignungstest, eingehen.

Für Heidelberg ändert sich also nicht viel?

Das Verfassungsgericht fordert landesweit einheitliche Regelungen, da gibt es jetzt sicher Gespräche mit der Landesregierung. Wir sind aber optimistisch, dass es bei uns keinen hohen Änderungsbedarf gibt. Es wird vielleicht eine Anpassung geben, aber keine Revolution.

Würden Sie im Zuge dieser Abstimmung anderen Hochschulen den "Mediziner-Test" ans Herz legen?

Ja. Laut Begleitforschung verbessert er ganz wesentlich die Vorhersage des Erfolgs - wenn auch nur für das Studium. Inzwischen wird der Test bundesweit von über 20 Fakultäten genutzt. Wir glauben, dass er ein guter Ausgangspunkt für einheitliche Verfahren sein könnte. Wir haben das Gefühl, dass er uns hilft, sehr gute und engagierte Studenten auszuwählen. Wir sind weit weg vom Zerrbild des Strebers, der ein Einser-Abi hat und sonst nur an sein eigenes Vorankommen denkt.

Eine Möglichkeit zur faireren Auswahl wären persönliche Gespräche. Ist das bei 320 Studienplätzen pro Semester in Heidelberg überhaupt machbar?

Bei mehreren tausend Bewerbern pro Jahr wäre das nicht finanzierbar und würde uns auch logistisch an die Grenze bringen. Andere Unis machen zwar Gespräche, aber sie treffen eine Vorauswahl. Das Verfassungsgericht hat nun beschlossen, dass es auch dafür einheitliche und transparente Kriterien geben muss. Das müsste man erst entwickeln und das ist sehr aufwendig. Auch bei einem überarbeiteten Verfahren werden viele Bewerber leer ausgehen. An den Wartezeiten wird sich daher wahrscheinlich nicht viel ändern, oder?

Das Verfassungsgericht diskutiert eine Begrenzung der Wartezeit. Unzumutbare Längen wie jetzt, wo man mit schlechtem Abitur über sechs Jahre wartet - und in der Zeit nichts anderes studieren darf - darf es nicht mehr geben. Denkbar wäre eine Kombination aus Wartezeit und leistungsbezogenen Kriterien: Das Warten würde dann helfen, aber keine Garantie auf einen Studienplatz mit sich bringen.

Ist das eigentliche Problem nicht, dass es zu wenige Studienplätze gibt?

Doch. Pro Jahr gibt es bundesweit 60.000 Bewerber für 11.000 Plätze, zugleich haben wir einen eklatanten Ärztemangel. Da stehen die Hochschulen in der Pflicht, für mehr Studienplätze zu sorgen. Das ist natürlich auch eine Frage der Finanzierung. Aber man muss auch ehrlich sagen, dass es nicht für alle, die Ärztin oder Arzt werden wollen, einen Studienplatz geben kann.

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