Heidelberg

Reichsbürger gab sich als Bürgermeister aus

64-Jähriger erhielt Bewährungsstrafe - Wirre Briefe geschrieben

18.12.2017 UPDATE: 19.12.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden

Symbolfoto: Uli Deck/dpa

Willi Berg

Heidelberg. Ein den Reichsbürgern nahestehender Mann hat Millionenbeträge von Bankern, Politikern und Richtern gefordert. Das Heidelberger Schöffengericht verurteilte den Arbeitslosen jetzt zu zwei Bewährungsstrafen von jeweils zwei Jahren. Der 64-Jährige habe sich unter anderem der versuchten Nötigung in 39 Fällen schuldig gemacht. "Sie müssen nicht ihre Gesinnung ändern, sondern sich an Gesetze halten", mahnte die Vorsitzende Richterin Nicole Bargatzky. Miteinbezogen wurde ein früheres Urteil wegen Sozialversicherungsbetruges. Der Angeklagte leugne die Existenz der Bundesrepublik, kassiere aber Sozialleistungen, sagte Staatsanwalt Jonathan Waldschmidt. Er forderte insgesamt vier Jahre Haft ohne Bewährung.

Über Jahre hinweg hat der Angeklagte wirre Briefe vor allem an Amtsträger verschickt. "Die Motivation ist für uns schwer nachzuvollziehen", sagte die Richterin. Von den Adressaten verlangte der Mann, dass sie eine amtliche Legitimation sowie eine beglaubigte "Gründungsurkunde" der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Baden-Württemberg vorlegen. Anwälte sollten ihre Zulassung der "Militärregierung" beibringen. Und das innerhalb von 72 Stunden.

Ansonsten wären hohe Geldbeträge fällig. Zehn Millionen Euro allein vom damaligen Chef der Sparkasse Heidelberg, Helmut Schleweis. Und eine Million Euro vom Bundestagsabgeordneten Lothar Binding. Die gleiche Summe wurde auch von der Verlagsleitung der Rhein-Neckar-Zeitung sowie Heidelberger Richtern, Staatsanwälten und einer Notarin gefordert. Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner war mit 100.000 Euro dabei. Die Adressaten sollten "Urkunden vorlegen, die es gar nicht gibt", sagte die Richterin. Das sei "ziemlich verschroben". Die Masche habe der gelernte Großhandelskaufmann aber nicht selbst erfunden.

Auch der damalige Vorstandschef der Commerzbank, Martin Blessing, bekam Post. Er wurde aufgefordert, die Zwangsversteigerung einer Immobilie des Angeklagten zurückzunehmen. Ansonsten müsse Blessing zehn Millionen Euro zahlen. Diese Forderung ließ der Angeklagte in einem Schuldnerverzeichnis im US-Staat Washington eintragen. Die Richterin nannte das "wahnwitzig". Als Blessing nicht reagierte, bekam ein Gerichtsvollzieher den Auftrag, das Geld einzutreiben. Was der natürlich nicht tat.

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Fünf weitere Personen landeten in dem US-Schuldnerverzeichnis. Darunter ein Heidelberger Richter - mit einer Forderung von mehr als 500.000 Euro. Dem Juristen soll es den Urlaub vermiest haben, als er in Mittelamerika davon erfuhr. Die Briefe hätten für "ganz erhebliche Irritationen gesorgt", sagte Staatsanwalt Jonathan Waldschmidt. "Das hat was von Terror", meinte Richterin Bargatzky. Verteidiger Karlheinz Schnell bezeichnete den Inhalt der Schreiben als "Quatsch" und "Riesenunfug". Er könne nicht verstehen, warum man die Briefe nicht weggeworfen habe.

Mehrere Empfänger erstatteten jedoch Strafanzeigen, darunter der Heidelberger Landgerichtspräsident und die Direktorin des Amtsgerichts. Außerdem das Bundespräsidialamt wegen eines Briefes an Joachim Gauck im September 2016. Darin teilte der Angeklagte diesem mit, dass die souveräne und von "Badischen Staatsangehörigen" bewohnte Stadt Heidelberg den USA und den alliierten Besatzungsmächten einseitig den Frieden erklärt. Und: "Wir fordern Sie im Namen der Menschlichkeit nach über 100 Jahren auf, auch uns den Frieden zu erklären." Derlei Unsinn ist nicht strafbar. Jedoch hatte der Angeklagte als "Bürgermeister Bernd" unterschrieben und den Briefkopf der Stadt Heidelberg verwendet. Die als Amtsanmaßung und Titelmissbrauch angeklagte Tat wurde jetzt eingestellt.

Da dem Gericht zwei Anklagen vorlagen, mussten auch zwei Strafen gebildet werden. Verurteilt wurde der 64-Jährige auch, weil er mit einer gefälschten Unterschrift zu Unrecht Geld von seiner Schwester einforderte. Dies wertete das Gericht als besonders schwerwiegend. Die Vorsitzende stellte dem Angeklagten dennoch eine günstige Sozialprognose. "Ich hoffe, dass sie sich nicht was anderes einfallen lassen", so Bargatzky. "Er wird in Zukunft so etwas nicht mehr tun", glaubt Verteidiger Schnell und beantragte eine Bewährungsstrafe. Das Haus seines Mandanten wird jetzt zwangsversteigert. Dass die Commerzbank ihm nun zehn Millionen Euro zahlt, darauf kann der hoch verschuldete Mann nicht hoffen.

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