Dealer verkaufte Drogen an Minderjährigen
Prozess am Amtsgericht - 43-Jähriger zu Haftstrafe verurteilt - Schwerster Anklagepunkt fiel weg

Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Seine Drogengeschäfte mit einem Minderjährigen brachten einem 43-Jährigen am Dienstag eine knapp zweijährige Haftstrafe ohne Bewährung ein. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, einem 16-Jährigen 20 mal Drogen verkauft zu haben – schon das ist ein Verbrechenstatbestand, auf den eine Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis steht. Ein weiterer Vorwurf gegen den Angeklagten wog aber noch schwerer: Er soll demselben Jugendlichen an einem Sommertag Schläge verpasst und ihm alles bis auf seine Badehose, Socken und seinen Personalausweis abgenommen haben. Der Grund sollen Schulden in Höhe von 20 Euro gewesen sein.
"Ich habe ihm niemals was verkauft", beteuerte der Angeklagte vor Gericht. Der Junge sei zu ihm gekommen, habe an der Tür geklopft und ihn gebeten, ihm Drogen zu verkaufen. Er habe ihn weggeschickt, woraufhin der damals 16-Jährige gesagt haben soll: "Gib mir was oder ich gehe zur Polizei und sage, du bist ein Haschisch-Dealer." Der 43-Jährige sei ärgerlich geworden, "vielleicht habe ich ihn geschubst und ihm eine Ohrfeige gegeben", erklärte er. Warum der Junge aus Neckarsteinach gerade bei ihm aufschlagen sollte? Er vermutete, der Junge habe sich in der Tür geirrt: "In der Asylunterkunft gibt es viele Dealer. Er dachte, ich wäre auch einer."
In der Anklageschrift heißt es, der 43-Jährige habe bereits 20 Mal kleine Mengen Marihuana an den jungen Mann verkauft. Beim letzten Kauf soll er knapp zwei Gramm bekommen haben, ohne sofort den Preis von 20 Euro bezahlen zu müssen. Als er das nächste Mal mit nur rund 13 Euro aufgekreuzt sei, habe der Angeklagte ihn in sein Zimmer gezogen, geschlagen und ihn so eingeschüchtert, dass der Junge sein Handy, sein T-Shirt, seine Schuhe, Ohrstecker, Kette und mehr bei ihm ließ. "Wegen zehn Euro soll ich sowas machen?", fragte der Angeklagte. Und erklärte: "Der Junge macht mir mein Leben kaputt."
Der minderjährige Drogenkäufer überzeugte im Zeugenstand allerdings wenig. Seine Aussage wich in fast allen Punkten von der bei der Polizei ab. Er sei nicht gekommen, um Schulden zu bezahlen, sondern um für zehn Euro Gras zu kaufen. Die Schulden seien von einem Freund, für den er letztes Mal eingekauft hätte. Er habe immer bezahlt. In der polizeilichen Aussage hieß es, der Angeklagte sei ihm im Treppenhaus begegnet. Jetzt sagte er, er sei in der Wohnung gewesen, mit einigen anderen. "Ich kann mich nicht gescheit erinnern", erklärte er. Statt den Tathergang genau zu beschreiben, sagte er immer wieder: "Es ist eskaliert."
Als die Polizei etwa zwei Stunden nach der angeblichen Tat eine Hausdurchsuchung bei dem Angeklagten durchführte, fand sie keine Habseligkeiten des Jugendlichen. Ob er denn danach noch Kontakt gesucht habe, um sie wiederzubekommen, will Englert-Biedert wissen. Der Jugendliche verneinte. Er habe keinen Kontakt mehr zum Angeklagten gehabt. Als dieser allerdings erklärte, der Jugendliche sei mit einem Freund im Februar bei ihm gewesen, räumte der junge Mann ein, dass sein Freund den Kontakt gesucht, er aber in einiger Entfernung gewartet habe. Weil er aber weder Adresse noch Telefonnummer des Freundes hatte, entschieden Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht, die Sache "aus praktischen Gründen", so Englert-Biedert, nicht weiter zu verfolgen, den Anklagepunkt abzutrennen und dieses Verfahren einzustellen.
20 Verbrechenstatbestände blieben schließlich übrig. Und dass der Angeklagte dem Minderjährigen in der Vergangenheit etwas verkauft hatte – schließlich belastete der 16-Jährige sich mit dieser Aussage selbst –, glaubte das Gericht: "Da haben wir keinerlei Zweifel", so Englert-Biedert in der Urteilsbegründung. Sie verurteilte den 43-Jährigen zu einem Jahr und zehn Monaten Haft.