Heidelberg

Amtsgericht kämpft mit Herausforderungen

Krankheitsfälle und Personalwechsel verlängerten Verfahrensdauer. Das Nachlassgericht will wieder schneller werden.

18.03.2023 UPDATE: 19.03.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden
Das Foyer des Justizzentrums: In dem Gebäude ist auch das Landgericht untergebracht. Foto: Philipp Rothe​​

Von Jonas Labrenz

Heidelberg. Das Heidelberger Amtsgericht sucht dringend Nachwuchs, kämpft hier und da noch mit der Umstellung auf die elektronische Akte und hat personelle Herausforderungen im Strafrecht überstanden: Amtsgerichtsdirektor Stefan Braun berichtete beim Jahrespressegespräch des Amtsgerichts – das auch für die Kommunen rund um Heidelberg zuständig ist – von aktuellen Entwicklungen in seinem Haus. Seine Stellvertreterin, Roseluise Koester-Buhl, stellte darüber hinaus interessante Gesetzesänderungen vor.

> Beim Erbschein bleibt das Gericht hinter seinem Anspruch zurück: "Seit Einführung der E-Akte knirscht es beim Nachlassgericht am meisten", sagt Braun. Dieses sei früher für seine Schnelligkeit – etwa beim Zustellen von Erbscheinen – bekannt gewesen. "Die Geschwindigkeit hat abgenommen", gibt Braun zu und verspricht, "dass wir dafür kämpfen, dass es besser wird."

Einer der Gründe ist der sogenannte "Medienbruch": Kommen vom Notar gesiegelte Unterlagen, müssen sie entsiegelt, digitalisiert und wieder gesiegelt werden. "Das ist Handarbeit", erklärt Braun. Er betrachtet die Situation mit Sorge: "Der Bürger landet bei uns in einer schwierigen Zeit und braucht unsere Hilfe." Auch für die Mitarbeiter sei es nicht leicht, die Menschen warten zu lassen: "Es tut ihnen weh."

> Vorsorgevollmacht bleibt wichtig: Zum 1. Januar trat das Ehegattennotvertretungsgesetz in Kraft. Viele seien davon ausgegangen, dass Ehepartner oder Kinder entscheiden dürften, wenn sie bewusstlos ins Krankenhaus kämen. "Das traf nicht zu", erklärt Koester-Buhl.

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Jetzt kann der Ehepartner zumindest die medizinischen Fragen für sechs Monate klären. "Es ist sehr eingeschränkt", gibt die Richterin zu bedenken und empfiehlt: "Man sollte sich rechtzeitig um eine Vorsorgevollmacht kümmern."

> Die Zivil-Fälle werden immer weniger: Bereits seit zehn Jahren muss das Amtsgericht tendenziell jedes Jahr weniger Fälle bearbeiten. Auch von 2021 auf 2022 sank die Fallzahl um 82 (-3,5 Prozent) von 2355 auf 2273. Das hat unter anderem mit der Inflation zu tun: Amtsgerichte sind – mit ein paar Ausnahmen – für Fälle zuständig, bei denen der Streitwert unter 5000 Euro liegt. Steigen die Preise, wird der auch schneller erreicht.

Braun erklärt es anhand eines Kratzers im Auto: "Je nachdem, um welches Modell es sich handelt, sind sie schon locker über 5000 Euro – das war früher auch anders." Nun wird diskutiert, die Grenze für die Zuständigkeit anzuheben, erklärt Braun. "Dann werden wir in einem Jahr eine Eingangsexplosion haben."

> Rechtspfleger und Justizfachangestellte gesucht: "Der Nachwuchs steht nicht Schlange", erklärt Amtsgerichtsdirektor Braun. Als Gericht sei man nun auch im "Rennen um die besten Köpfe". Die Justiz könne aber vieles bieten: eine interessante Ausbildung, eine große Bandbreite an Themen und Flexibilität – etwa Homeoffice durch die E-Akte. Und: "Es ist nicht das üppige Gehalt", so Braun, "aber es ist das sichere Gehalt."

> Die Verfahren dauern länger: In den Zivil-, Familien- und Strafverfahren dauerten die Verfahren 2022 länger als im Jahr davor. Einzige Ausnahme: die Ordnungswidrigkeitenverfahren. Hier ist eine Sache nun bereits nach 5,2 statt 5,3 Monaten erledigt. Am stärksten stieg die Verfahrensdauer beim Jugendschöffengericht, das durchschnittlich 6,6 (2022) statt 4,5 Monate (2021) für ein Verfahren brauchte. Das ist allerdings auf einen Krankheitsfall zurückzuführen.

Auch Schwangerschaften und Personalwechsel sorgten für längere Strafverfahren, erklärte Braun. "Angesichts dessen ist das eine tolle Leistung", sagte er über den moderaten Anstieg der Verfahrensdauer. Bei den Zivilverfahren sind die Fälle nun nach fünf statt nach 4,8 Monaten erledigt. "Ein hervorragender Durchschnittswert, von dem andere Bundesländer nur träumen können", so Braun.

> Das Amtsgericht ist weiblich: 122 der 153 Mitarbeiter des Heidelberger Amtsgerichts sind weiblich. 24 der 32 Richter sind Frauen. "Das Amtsgericht kann ohne rot zu werden sagen: Wir sind weiblich", so Braun, der vor eineinhalb Jahren seine Vorgängerin Jutta Kretz beerbt hat. Insgesamt hat das Amtsgericht rund 125 Stellen. Es handelt sich um das größte Direktorenamtsgericht in Baden-Württemberg. Nur fünf Präsidialamtsgerichte sind größer.

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