Die Suche gleicht einer Odyssee
Der Liefer-Engpass betrifft auch Heidelberg. Ärzte und Apotheker hoffen auf Mitte November.

Von Julia Lauer
Heidelberg. Seit sechs Wochen versucht Monika Frey-Eger, in Heidelberg Grippe-Impfstoff aufzutreiben. Weil die Vorräte ihres Hausarztes bereits aufgebraucht waren, stellte er ihr ein Rezept aus, und Frey-Eger machte sich selbst auf die Suche. Bei zehn, zwölf Apotheken in Heidelberg habe sie angerufen, erzählt die 67-Jährige aus dem Stadtteil Kirchheim: bisher ohne Erfolg.
"Überall wird propagiert, man solle sich impfen lassen, aber nirgendwo gibt es den Impfstoff", fasst sie ihre Odyssee zusammen. Selbst bei einer Apotheke, die Dependancen im Umland hat, war er nicht mehr erhältlich. "Jetzt habe ich aufgegeben", sagt Frey-Eger.
Jenseits der Stadtgrenzen zu suchen, ist das Einzige, was momentan bleibt. Ein 31 Jahre alter Bewohner der Weststadt zum Beispiel wurde unlängst bei einer Apotheke in seiner Heimatgemeinde in der Pfalz fündig; die Suche in Heidelberg hatte ihn schon Anfang Oktober nicht mehr weitergebracht. Sein Hausarzt behielt seine Vorräte für Ältere und für Beschäftigte in Gesundheitsberufen zurück, gab dem jungen Mann aber ein Rezept. "In Heidelberg war dann schon alles ausverkauft", berichtet er. "Doch im Dorf meiner Eltern in der Pfalz hatte ich Glück."
Hintergrund
> Grippe gehört zum Winter dazu – meist rollt die Welle nach dem Jahreswechsel übers Land. Vor allem für Ältere, chronisch Kranke und Schwangere kann sie gefährlich werden. Sie wird über Tröpfchen übertragen, weshalb Abstandhalten und regelmäßiges Händewaschen empfohlen
> Grippe gehört zum Winter dazu – meist rollt die Welle nach dem Jahreswechsel übers Land. Vor allem für Ältere, chronisch Kranke und Schwangere kann sie gefährlich werden. Sie wird über Tröpfchen übertragen, weshalb Abstandhalten und regelmäßiges Händewaschen empfohlen werden – gegebenenfalls auch eine Impfung.
> Jedes Jahr muss ein neuer Impfstoff entwickelt werden, weil sich die Grippeviren verändern. Auf der Grundlage von Untersuchungen von Influenzaviren in aller Welt legt die Weltgesundheitsorganisation WHO jedes Jahr aufs Neue fest, wie sich der Impfstoff zusammensetzt.
> 26 Millionen Impfdosen hat das Gesundheitsministerium für diesen Winter bestellt – mehr als je zuvor. Zum Vergleich: In der zurückliegenden Grippesaison wurden 14 Millionen Dosen verbraucht. Trotz der großen Bestellung steht derzeit nicht überall ausreichend Impfstoff zur Verfügung.
Dass in der Stadt kein Grippe-Impfstoff mehr zu bekommen ist, können Hausärzte bestätigen. "Es gab viel Werbung für die Impfung, aber Impfstoff ist in Heidelberg nirgends mehr zu haben", sagt Albertus Arends, Hausarzt mit Praxis im Stadtteil Neuenheim und stellvertretender Vorsitzender der Heidelberger Ärzteschaft. "Das ist zum Heulen", lautet sein Kommentar – doch anderswo, in München etwa, sei die Situation noch viel schlimmer. Arends rät dazu, den Kopf dennoch nicht in den Sand zu stecken: "Die Hausärzte und Apotheken hoffen, dass Mitte November wieder Impfstoff verfügbar ist." Dann hoffentlich in ausreichender Menge.
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Er selbst, sagt Arends, erhalte für seine Praxis hin und wieder Impfstoff – aber nur in kleinen Mengen. So sei erst am Montagmorgen eine Charge angekommen. Sie sei für Hochrisikopatienten bestimmt. Zehn von ihnen kann er mit der neuen Lieferung versorgen – dabei stehen 30 weitere Patienten auf seiner Warteliste. Nicht sehr viel höher als die Zahl der Wartenden ist die Zahl der Patienten, die er in dieser Saison gegen Grippe geimpft hat. Etwa 50 Patienten habe er bisher versorgen können, schätzt der Mediziner.
"Impfstoff herzustellen ist eben aufwendiger, als Tabletten zu produzieren", erklärt Heiner Kunz, Inhaber der Apotheke im Mengler-Bau. Auch er hat keine Grippe-Impfungen mehr und wartet derzeit auf Nachschub. Die Nachfrage sei in diesem Jahr viel größer, als er es aus der Vergangenheit kennt. Allein 200 Impfdosen hat er nun nachbestellt, normalerweise verkauft er 40 bis 50 Grippe-Impfungen im ganzen Jahr.
Auch die Rosen-Apotheke in Handschuhsheim hat Impfstoff beim Großhandel nachbestellt – für Arztpraxen und Patienten, darunter nun auch viele Ältere, die gesetzlich versichert sind. "In diesem Jahr sagen die Ärzte auch ihnen: Schauen Sie selbst, ob Sie Impfstoff irgendwo finden", sagt der Apotheker Tim Blume. Er rechnet damit, dass bald Nachschub kommt. Wer sich impfen lassen will, solle sich auf die Warteliste einer Apotheke setzen lassen, rät er – aber bitte nur auf eine.