Was kann ich bei sexueller Belästigung tun?
Oft herrschen Verunsicherung und Hilflosigkeit. Hilfestellung für Vertrauenspersonen.
Von Constanze Werry
Heidelberg. Zwei von drei Frauen erleben sexuelle Belästigung. Aber auch Männer sind betroffen. Verunsicherung und Hilflosigkeit gehen oftmals mit dem Erlebnis einher. Was Sie tun können, wenn Sie von sexueller Belästigung betroffen sind oder jemanden kennen, der es ist.
Was tun, wenn ich mich sexuell belästigt fühle? "Zuerst mal ist es wichtig, zuzulassen, dass ich mich fühle, wie ich mich fühle", sagt Pia Kuchenmüller, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Prävention bei der Fachberatungsstelle Frauenhorizonte in Freiburg. "Man würde gar nicht darüber nachdenken, wenn nichts wäre." Man darf seine eigenen Gefühle ernst nehmen.
Betroffene Personen können sich auch einer Vertrauensperson gegenüber öffnen – vielleicht auch gerade jemandem außerhalb des Settings. Und – ganz wichtig: Beratungsstellen können dabei helfen, Situationen einzuschätzen und einen Umgang damit zu finden. Ein Überblick über Anlaufstellen – auch in der Umgebung – findet sich etwa auf www.frauen-gegen-gewalt.de.
Wie in einer akuten Situation handeln? Die Diskriminierungsstelle des Bundes empfiehlt, möglichst direkt zu reagieren. Aber wie? Mit einer unmittelbaren Reaktion auf das Verhalten der übergriffigen Person, indem etwa geäußert wird, dass man sich durch ein bestimmtes Verhalten belästigt fühlt und das nicht wünscht.
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"Statistisch ist es so, dass bei direktem Ansprechen die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass das Verhalten aufhört", sagt Kuchenmüller. "Allerdings muss man aufpassen, dass die Verantwortung nicht der betroffenen Person aufgebürdet wird."
Jeder Mensch reagiert in einer Ausnahmesituation anders und wie es ihm möglich ist. Und das gilt es zu akzeptieren, wie die Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt in ihrer Broschüre "Sexuelle Belästigung" klarstellt.
"Viele Betroffene stellen sich in der Akutsituation die Frage, wie sie angemessen reagieren können – sie wollen oft die Form wahren", berichtet Kuchenmüller aus dem Beratungsalltag. Dabei seien Grenzen verletzt worden. "Wir erwarten oft von uns selbst eine direkte Reaktion – man kann aber auch später noch reagieren", macht die Expertin deutlich.
Was tun, wenn ich es nicht geschafft habe, direkt zu reagieren? Unmittelbar zu reagieren, kann schwierig sein. Nach einem belastenden Ereignis fällt einem oft danach erst ein, wie man hätte reagieren können – das kennt wohl jeder. Wie man mit einem Vorfall umgeht, ist eine individuelle Entscheidung – ob man ein direktes Gespräch sucht oder vielleicht auch lieber schriftlich reagiert.
"Es ist wünschenswert, dass man wegkommt vom Stempel des Petzens oder Denunzierens", so Kuchenmüller. "Man ist auch nicht in der Verantwortung, den aktiven Part zu übernehmen", so die Expertin. "Auch wenn eine betroffene Person nichts unternehmen möchte – das ist dann ihre Entscheidung." Wer sich im Unklaren über das weitere Vorgehen ist: Beratungsstellen stehen Betroffenen auch in diesem Fall offen und zur Seite.
Wie verhält es sich mit Belästigungen im öffentlichen Umfeld? Eine spätere Konfrontation ist dann schwierig. "Der Fokus liegt aber eh nicht auf der Täterperson – hier sind vor allem die eigenen Ressourcen relevant", erklärt Kuchenmüller. "Wir beraten dann stärkend dahingehend, dass man sich nicht von einem Ereignis einschränken lässt." Dass man nach Wegen sucht, sich nicht vom Übergriff seine Freiheiten nehmen zu lassen und nach Möglichkeiten schaut, seine Gewohnheiten wieder aufzunehmen.
Ich bin von einer betroffenen Person ins Vertrauen gezogen worden – wie reagiere ich richtig? Wichtig ist, keine ungebetenen Ratschläge zu geben. Denn sie enthalten – wenn auch ungewollt – oftmals implizite Vorwürfe. "Wieso hast du denn nicht..." oder "Du musst unbedingt....", um nur zwei Beispiele zu nennen. Kuchenmüller empfiehlt stattdessen, zuzuhören und auch nicht zu bewerten.
"Man kann anbieten, zu gucken, was man machen kann", so die Expertin. Und sich zum Beispiel auch als Person, die ins Vertrauen gezogen wurde, an eine Beratungsstelle wenden. "Ich sage immer: ,Wir sind niemand’, wenn es darum geht, dass man versprochen hat, nichts zu erzählen."
Denn Beratungsstellen unterliegen der Schweigepflicht und sind unbeteiligte Dritte. Niemals sollte man ohne das Einverständnis von Betroffenen agieren. Das kommt nach einem Übergriff einem erneuten Autonomieverlust gleich.
Was kann ich tun, auch wenn ich nicht direkt involviert bin? Wichtig ist Haltung. "Es ist sehr hilfreich, sich selbst zu positionieren", so Kuchenmüller. Es kann sich nur wirklich etwas ändern, wenn das Umfeld, also wir alle, über Belästigungen oder auch anzügliche Witze nicht hinwegsehen und bagatellisieren. "Auch Verhalten im privaten Umfeld zu reflektieren, ist wichtig", so Kuchenmüller. Viele kennen persönlich Betroffene sexueller Belästigung – aber Täter?