Kläffen, springen, jagen

Wie man es Hunden abgewöhnt

Jogger jagen, am Zaun kläffen oder Besucher anspringen: Hunde, die sich so verhalten, nerven. Nicht nur die Besitzer.

28.07.2025 UPDATE: 28.07.2025 11:13 Uhr 4 Minuten
Die Grundsignale «Sitz» und «Platz» zu beherrschen, ist die Basis für die weitere Erziehung des Hundes. Foto: dpa

Rosenheim/Hamburg. (dpa) - Am Anfang ist es doch so süß: Wie der kleine Welpe den Blättern hinterherjagt oder wie er an mir hochspringt. Aber spätestens, wenn "Luna" und "Sammy" größer und schwerer geworden sind und sich ihr Verhalten manifestiert hat, wissen viele Besitzer: Es muss sich etwas ändern.

Die gute Nachricht: Auch älteren Hunden oder solchen, die man als erwachsene Tiere aus dem Tierschutz bekommen hat, kann man ungeliebtes Verhalten noch "abgewöhnen". Allerdings: Den Erfolg gibt es nicht per Knopfdruck. 

Kommunikation ist die Grundlage

"Man muss dem Hund die Chance geben, zu erlernen, mit Alltagssituationen umzugehen. Dafür benötigt es Geduld, Zeit und Engagement", sagt Hundetrainer und Sachbuch-Autor André Henkelmann. Seiner Ansicht nach muss man sich mindestens ein Jahr Zeit nehmen, um den Hund in der Kommunikation aufzubauen und ihn dann auch gut durch die Welt führen zu können.

Natürlich kommt es immer ganz individuell auf den Hund, seine Rasse, seine Genetik, seine Sozialisierung und seine Erfahrungen an, wann er sich wie warum so verhält. Doch für Ausbildungsexpertin Katharina Schlegl-Kofler ist klar: "Der Fehler liegt beim Halter - auch, wenn das meistens unbewusst passiert."

Aufs Anspringen folgt Ignorieren 

Das fängt schon beim Anspringen eines jungen Hundes an: "Wichtig ist erst einmal, dass man sich klarmacht: Der Hund will Aufmerksamkeit von seinem Besitzer, wenn er so etwas tut." Und in dem Moment, wo ich mich ihm zuwende, ganz gleich, ob ich ihn streichle oder ausschimpfe, bekommt er sie. "Auch eine negative Reaktion ist eine Reaktion", sagt die Hundetrainerin und Autorin. 

Daher ist das Beste in solch einer Situation, ich ignoriere den Hund jedes Mal einfach und entziehe ihm meine Aufmerksamkeit. Konkret: Ich drehe mich um 180 Grad weg, bleibe stehen, verschränke meine Arme und mache nichts. Und dann kommt es auf das richtige Timing an.

In der Ruhe liegt die Kraft

Denn erst dann, wenn der Hund nicht mehr so aufgedreht und wirklich mit allen vier Pfoten auf dem Boden ist, bekommt er meine Zuwendung. "Und zwar ruhig", so die Expertin. "Davon hängt ganz viel ab. Und Ruhe ist grundsätzlich bei allen Übungen wichtig." Dazu gehört auch, dass man den Vierbeiner nicht durch aufgeregtes und zu überschwängliches Verhalten auch noch zum Anspringen animiert. 

Ebenso, dass der Vierbeiner mit seinem unerwünschten Verhalten keine Erfolge mehr hat. "Wenn er meine Aufmerksamkeit möchte, bedeutet das, ihn zu ignorieren. Wo ich es nicht beeinflussen kann, bedeutet es vermeiden." Wenn also Besuch kommt, leine ich den Hund vorher einfach an. 

Ist er später schon gut ausgebildet und auch in einem aufgeregten Zustand ansprechbar, kann ich ihm ein Alternativverhalten anbieten: Etwa ein "Sitz" - für das er dann gelobt wird.

Mangelnde Impulskontrolle 

Auch André Henkelmann hält Grundsignale wie "Sitz" und "Platz" als Basis für die Erziehung für besonders wichtig. Vor allem bei Übungen zur Impulskontrolle - also der Fähigkeit, spontane Reaktionen zu zügeln. Denn oft ist der Mangel daran eine der Ursachen dafür, dass Hunde ständig bellen oder bei Joggern außer Kontrolle geraten. 

Das bedeutet umgekehrt: Wenn man die Impulskontrolle seines Vierbeiners verbessert, können auch die unerwünschten Verhaltensweisen abgebaut werden - und dem Hund wird in seiner Umwelt mehr Sicherheit und Ruhe vermittelt.

Geduld kann man lernen
- Hund auch

Durch das Trainieren von "Sitz" und "Platz" lernt der Hund, in herausfordernden Situationen ruhig zu bleiben. "Sie eignen sich hervorragend als Wartesignale, mit denen der Vierbeiner selbst anspruchsvolle Situationen mühelos meistern kann", sagt Henkelmann. Und ein Hund, der gelernt hat, im "Sitz" auf seine Futterschüssel zu warten, springt nicht impulsiv an der Küchenzeile oder an seinem Menschen hoch.

Wertvolle Belohnungen vermitteln dem Vierbeiner dabei, dass ruhiges Verhalten erwünscht ist. "Das stärkt die Impulskontrolle enorm und fördert die Fähigkeit des Hundes, geduldig abzuwarten", so der Hundetrainer und Verhaltensberater. Auch gezielte Spiele oder Bewegungsübungen wie das Langsam-Gehen an der Leine fördern die Fähigkeit des Hundes, gelassen zu reagieren und nicht sofort jedem verlockenden Reiz zu folgen.

"Geh auf deine Hundedecke!"

Durch viele Wiederholungen wird dabei eine Grundkommunikation und ein Alternativverhalten aufgebaut. "Dabei lege ich nicht den Fokus darauf, was ich nicht will, sondern auf das, was ich erreichen möchte", sagt Henkelmann. Beispiel: Der Hund bellt ohne Ende, wenn es an der Tür klingelt. Statt ihn anzumeckern oder mehrfach "Aus" oder "Sei still" zu rufen - was in der Regel ohnehin nichts bringt - übt man stattdessen, dass er ruhig auf seinem Platz bleibt.

Praktisch würde dies - am besten mit Unterstützung von Freunden und Angehörigen, die "mithelfen" - folgendermaßen laufen: 

Es klingelt, man schickt den Hund auf seine Decke (eventuell auch mit einem Kommando wie "Hundedecke!"), belohnt ihn dort mit einer Kaustange und öffnet erst dann die Tür.

Wenn der Hund ruhig bleibt und entspannt auf seinem Platz bleibt, während man die Besucher hereinlässt, belohnt man ihn erneut.

Sobald sich die erste Aufregung gelegt hat, erlaubt man ihm, die Decke zu verlassen und die Gäste ruhig zu begrüßen.

"Sollte er übereifrig und sehr aufgeregt reagieren, schickst du ihn zur Entspannung wieder zurück auf seine Decke und bietest ihm erneut einen Kauartikel an", empfiehlt Henkelmann.

Idealerweise sollte man dies mehrmals in der Woche üben - und dann den Schwierigkeitsgrad erhöhen, indem mehrere und auch unbekannte Besucher kommen.

Jagd auf Jogger? Auch das ist hausgemacht 

Und es kann ein weiteres problematisches Verhalten bei Begegnungen geben: Dann, wenn Radfahrer und Jogger vorbeikommen und die Hunde großen Spaß haben, ihnen hinterherzujagen. "Natürlich gibt es Hunderassen wie Hütehunde, die prädestinierter dafür sind, aber grundsätzlich ist das Erziehungssache", sagt Katharina Schlegl-Kofler. 

"Man muss vorbeugen, die ersten Anzeichen erkennen und einen zuverlässigen Rückruf haben - das ist mit das Wichtigste." Hilfreich sind von klein auf sogenannte Bindungs-Spaziergänge, bei denen die Hunde lernen, dass sie immer aufpassen, wo Frauchen oder Herrchen sind.

Und auch beim Anti-Jagd-Training gilt: Dem Hund keine Gelegenheit geben, Freude beim Jagen zu haben ("selbstbelohnendes Verhalten"), die Übungen schrittweise aufbauen, die Impulskontrolle trainieren und ihm eine Ersatzbeschäftigung etwa in Form von Apportierübungen mit einem Futterdummy bieten.

"Man muss früh Anzeichen erkennen und gegensteuern", sagt die Trainerin. Das heißt: Sollte er schon konzentriert in eine Richtung schauen, ihn sofort zu sich rufen und nicht erst warten, bis er lossprintet. Ist er erstmal im Rennen, wird es vermutlich schon zu spät sein, um ihn noch zum Umkehren zu bringen. Klappt der Rückruf, gibt es eine ganz besondere Belohnung.