"Ich will da nicht hin!"

Was hinter Schulangst stecken kann

Wie Eltern Warnsignale erkennen und ihrem Kind gezielt helfen können.

16.07.2025 UPDATE: 16.07.2025 10:37 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
Leistungsdruck, Mobbing, soziale Ängste und Lese- oder Rechtschreibschwäche sind die häufigsten Ursachen, die zur Schulangst führen können. Foto: dpa

Wenn Kinder plötzlich nicht mehr zur Schule wollen, kann mehr dahinterstecken als bloße Unlust. Schulangst ist ein verbreitetes Phänomen – oft ausgelöst durch Leistungsdruck, Mobbing oder soziale Ängste. Woran Eltern Schulangst bemerken, wie sie angemessen reagieren und wann professionelle Hilfe gefragt ist. Hier kommen Antworten auf die wichtigsten Fragen: 

Was sind die häufigsten Ursachen für Schulangst?

Laut Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Josepha Katzmann liegen einer Schulangst häufig psychische Störungen zugrunde. Dazu zählen soziale Ängste oder Prüfungs- und Leistungsangst. Eine eigene Diagnose sei Schulangst jedoch nicht. "Auslöser können hoher Leistungsdruck durch Eltern, Lehrer oder auch gleichaltrige Mitschüler sein, insbesondere in weiterführenden Schulen", sagt Katzmann, die Mitglied im Bundesvorstand der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) ist. 

Konkurrenzdenken und ein starker Fokus auf Noten können ebenfalls eine Rolle spielen. Weitere mögliche Ursachen sind soziale Isolation, Überforderung oder eine Lese-Rechtschreib-Störung. Auch Marcus Gehl, Psychologe im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, nennt unerfüllbare Erwartungen, Mobbing, ein Klima der Angst sowie Lernstörungen wie Lese- und Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche als häufige Auslöser.

Wie können Eltern erkennen, ob ihr Kind unter Schulangst leidet?

Ein deutliches Anzeichen: Wenn Kinder regelmäßig und mit erkennbarem Leidensdruck äußern, dass sie nicht zur Schule gehen wollen oder häufiger in Bezug auf den Schulbesuch ängstlich wirken. Körperliche Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen – vor allem, wenn sie ohne organische Ursache auftreten und in den Ferien oder am Wochenende nicht vorhanden sind – können Hinweise sein. 

Auch Lehrkräfte können wichtige Warnsignale erkennen, beispielsweise, wenn ein Kind Angst zeigt, vor der Klasse zu sprechen oder vor Prüfungen auffällig nervös ist.

Welche Anzeichen oder Symptome deuten auf Schulangst hin?

Neben den körperlichen Symptomen nennt Gehl weitere Hinweise: Stimmungsschwankungen, depressive oder manische Verhaltensweisen, soziale Rückzugsphasen, Flucht in virtuelle Welten, Essensprobleme oder das generelle Desinteresse an der Schule. Da solche Symptome auch während der Pubertät auftreten können, sei eine genaue Beobachtung durch die Eltern notwendig.

Wie lässt sich mit einem Kind über seine Ängste sprechen?

Wichtig ist laut Katzmann, eine freundliche und zugewandte Haltung einzunehmen und nicht strafend zu reagieren. Eltern sollten vermitteln, dass es in Ordnung ist, Angst zu haben, aber gleichzeitig deutlich machen, dass der Schulbesuch notwendig ist. Ziel sei es, gemeinsam herauszufinden, was den Schulbesuch für das Kind so schwierig mache und wie Unterstützung geleistet werden kann. 

Gehl betont, wie wichtig es ist, das Gespräch mit dem Kind wertschätzend zu führen, dem Kind den Rücken zu stärken und gegebenenfalls andere Bezugspersonen wie Großeltern oder Freunde einzubinden, wenn das Vertrauensverhältnis zu den Eltern belastet ist. "Kommunizieren Sie offen, dass Sie sich sorgen und ohne Mitarbeit ihres Kindes das Problem nicht beheben können", rät der Therapeut und Pädagoge.

Welche Strategien können Eltern anwenden, um dem Kind zu helfen, seine Schulangst zu überwinden?

Eltern sollten empathisch und gleichzeitig konsequent sein: Der Schulbesuch muss das Ziel bleiben, doch Unterstützung und Verständnis sind essenziell. Erfolgserlebnisse außerhalb der Schule und eine positive Alltagsstruktur helfen, den Fokus zu verschieben. "Man tut den Kindern keinen Gefallen, wenn man sie regelmäßig von der Schule fernbleiben und dann zu Hause nur herumhängen lässt", sagt Katzmann. "Dabei geht es nicht nur ums Lernen, sondern auch um den sozialen Aspekt von Schule."

Laut Gehl kann es hilfreich sein, gemeinsam Zeit zu verbringen, etwa täglich zusammen zu essen oder einen kurzen Urlaub zu machen, um ins Gespräch zu kommen. "Der Vertrauensaufbau ist zentral", sagt Gehl. Ebenso wichtig sei der Austausch mit Lehrkräften wie Klassenlehrer und Vertrauenslehrerin. Ein positives Arbeitsklima und psychologisch geschulte Lehrer können ebenfalls eine große Hilfe sein.

Wann sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden?

Katzmann rät, so früh wie möglich professionelle Unterstützung zu suchen – spätestens bei regelmäßigen Fehlzeiten oder wenn man als Eltern das Gefühl hat, man kommt nicht weiter. Erste Ansprechpartner können schulpsychologische Dienste, Schulsozialarbeiter oder ambulante psychotherapeutische Praxen für Kinder und Jugendliche sein. 

Auch ein Orts- oder Schulwechsel kann in Erwägung gezogen werden. "Haben Sie keine Angst, offen zu kommunizieren", sagt Gehl. Auch Eltern sollten Unterstützung und Beratung erfahren, um angemessen mit der Situation umzugehen. Allerdings sei eine Psychotherapie aufgrund des Mangels an Therapieplätzen häufig mit Wartezeiten verbunden, was gerade bei Kindern und Jugendlichen dazu führen könne, dass sich das Problem verfestige.