Der Neckarsteig will schönster deutscher Wanderweg werden

Eine der landschaftlich schönsten Etappen ist die zwischen Neckargerach und Mosbach, vor allem weil sie die größtmögliche Bandbreite an Odenwald präsentiert

31.07.2015 UPDATE: 02.08.2015 06:00 Uhr 4 Minuten, 19 Sekunden

Schluchten-Abenteuer inklusive: Die Margarethenschlucht bei Neckargerach ist Teil des Neckarsteigs zwischen Heidelberg und Bad Wimpfen. Fotos: Stefan Weindl

Von Rolf Kienle

Knackig" ist ein Wort, das Michael Dörr benutzt, wenn er körperlich anstrengend meint. Andere würden es "anspruchsvoll" nennen, aber das ist dem Sportwissenschaftler dann doch nicht aussagekräftig genug. Bei "knackig" weiß jeder, dass der Aufstieg in die Knochen geht.

Dörr hat schon mehrere Male den Kilimandscharo bestiegen, aber in der Region kann er vom Neckarsteig, dem Wanderweg zwischen Heidelberg und Bad Wimpfen, nicht genug kriegen. Einige Etappen ist er schon wiederholt gegangen, und ein paar davon haben knackige Teilstücke "im Angebot".

Eine der landschaftlich schönsten Etappen ist die zwischen Neckargerach und Mosbach, vor allem weil sie die größtmögliche Bandbreite an Odenwald präsentiert: Wiesen und Felder, dichter Mischwald, weite Flusslandschaft, spektakuläre Schluchten und Karstlandschaft, die wir an diesem Morgen erwandern wollen.

Höhepunkt ist die wilde Margarethenschlucht. Wie alle Etappen des Neckarsteigs ist sie verkehrstechnisch bestens angebunden. Man parkt sein Auto beim Bahnhof Neckargerach oder fährt per S-Bahn bis dorthin und steigt nach 16 Kilometern und vier Stunden Wanderung in Mosbach in die S-Bahn zurück nach Neckargerach.

Der Neckarsteig ist einer der jüngsten deutschen Wanderwege. Erst Anfang 2012 stellten ihn die Marketingleute aus Heidelberg und weiteren Städten entlang des Flusses sowie der Triathloneuropameister Timo Bracht bei der Stuttgarter Reisemesse CMT vor.

Für Bracht ist der Neckarsteig so etwas wie ein Heimspiel. Hier trainiert der Eberbacher auf seine Wettkämpfe. Er war es, der vorschlug, einzelne bestehende Wanderwege am Neckar zu einem Wanderweg mit eigenem Namen zu verbinden. Nun schickt sich das Mosbacher Neckarsteig-Büro an, den Wanderweg zum schönsten im ganzen Land küren zu lassen. Sympathisierende Wanderer konnten abstimmen, im September wird der Sieger bekannt gegeben.

Wer ansonsten in der Pfalz oder im Schwarzwald wandert, muss wissen, dass sich im Odenwald nie eine ausgeprägte Hüttenkultur entwickelt hat. Wo man in der Pfalz fast im Stundentakt einkehren kann, muss man entlang des Neckars vorsorgen. Aber für eine Vier-Stunden-Etappe müsste eine Flasche Wasser ausreichend sein, wenngleich unterwegs ein schön angelegter Picknickplatz förmlich zur Rast einlädt. Eine umfangreiche Wanderausrüstung ist nicht erforderlich: Gut eingelaufene Wanderschuhe und zweckmäßige Bekleidung, je nach Wetterlage.

Beim kleinen Neckargeracher Bahnhof ist gottlob genug legaler Parkraum, um sein Auto für die Zeit der Wanderung abzustellen. Von hier aus geht es über die Brücke auf die Bergseite der Bahnlinie. Ab hier folgt man dem geschwungenen blauen "N" für Neckarsteig und dem Hinweis "Margarethenschlucht". Letzteres kann bei Schlechtwetter, Schnee und Eis mit Umleitungen verbunden sein. Denn bei extremen Wetterbedingungen wird die Schlucht gesperrt.

Der erste Anstieg nach dem Start ist geeignet, den Puls in die Höhe zu treiben, es ist so ein Stück, das Michael Dörr als knackig bezeichnet. Aber schließlich wollen wir auch Höhe gewinnen; 500 Höhenmeter sieht die gesamte Etappe vor. Nach gut zwei Kilometern erreicht man bereits die Margarethenschlucht, wo der schmale Flursbach über Sandsteinfelsen nach unten Richtung Neckar stürzt. Auf drei Kilometern Wanderpfad, der teilweise durch Seile gesichert ist, kann man den Weg des Baches begleiten. Hundert Meter Höhenunterschied überwindet der Flursbach.

Die Schlucht ist dunkel und feucht. Etwas Trittsicherheit sollte man deshalb mitbringen, aber vor allem für Kinder dürfte sie ein Erlebnis sein. Feuersalamander und Molche gibt es hier, Farne und urige Eichen. Alles hier riecht nach Wildnis, die Forstwirtschaft bleibt außen vor. Feuersalamander brauchen das klare Wasser des Flursbaches, "eine Verunreinigung der Schlucht wäre ihr Todesurteil", steht auf einem der Hinweistafeln. Ausgewachsen wird ein Feuersalamander zwanzig Zentimeter lang. Ganz in der Nähe fand man aber auch schon den 30 Zentimeter langen Schädelabdruck eines Riesenlurchs aus der Buntsandsteinzeit.

Über gemütliche Graswege ziehen wir weiter den Neckar entlang, der sich nur ab und zu auf kurzen Wegstrecken zeigt, dann aber von seinen schönsten Seiten. Der Blick geht zum Beispiel hinunter nach Binau, das eingebettet ist von einer imposanten Neckarschleife. Hier mäandert der Neckar. Es ist die größte Schleife entlang unserer kleinen Tour.

Dann durchwandert man Buchenwälder, kommt am Rastplatz "Grüne Hütte" vorbei, an Streuobstwiesen und schließlich einem weiteren Aufstieg, der bestimmt in Erinnerung bleibt. Der Weg zum Schreckhof hinauf will kein Ende nehmen.

Der Neckarsteig verläuft ein Stück auf dem Naturerlebnispfad Schreckberg, vorbei an alten Weinbergterrassen und Muschelkalkfelsen, die man im Odenwald nie erwartet hätte. Schön, dass die Initiatoren des Naturerlebnispfades reichlich Schautafeln aufgestellt haben, die einem Geologie, Flora und Fauna erklären. Denn der Schreckberghang ist unter Naturschutz gestellt und birgt einige Besonderheiten.

Da, wo die Schaumkalkbänke des Muschelkalks sichtbar werden, ist kaum Bodenkrume vorhanden. An sonnigen Sommertagen steigen die Temperaturen "fast ins Wüstenhafte." Das macht den Überlebenskampf auf dem trockenen Boden für die Pflanzenwelt hart. Hier wachsen die Küchenschelle, der Gefranste Enzian, Feld-Mannstreu und die Bocks-Riemenzunge.

Vom Schreckhof geht es über Asphaltwege hinunter nach Diedesheim, wo man sich auf die Wegweiser konzentrieren muss, um nicht unversehens in Neckarelz zu landen. Anderseits hat man hier die Gelegenheit, die Tour vorzeitig zu beenden und am Bahnhof Neckarelz die S-Bahn zurück nach Neckargerach zu nehmen. Wer Zeit hat, sollte oberhalb von Neckarelz am Hamberg entlang Richtung Mosbach gehen.

Die Stadt liegt einem hier oben gewissermaßen zu Füßen. Zwischenzeitlich muss man zur Stadt absteigen, doch die Tour ist nicht zu Ende, wie es scheinen mag. An der Nüstenbacher Straße nimmt die Strecke unvermittelt wieder ihren Verlauf hinauf zu den Wiesen. Wer nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit unterwegs ist, geht an dem sehr schmalen Einstieg mit der Treppe vorbei. Am Sonnenrain geht es zum Henschelberg hinauf. Der Weg führt zur Stadt hinunter, den Bahnhof sieht man schon weitem.

Wer sich aufmacht, eine weitere Etappe des Neckarsteigs zu gehen, bleibt über Nacht in Mosbach und wandert am nächsten Tag weiter nach Gundelsheim. Danach, sagen die Kenner, verliert der Neckarsteig ohnehin seinen Reiz. Oder man fährt gleich zurück nach Neckargerach. Es ist übrigens ein guter Tipp, den Neckarsteig ein zweites mal in umgekehrter Richtung zu gehen. Man entdeckt immer wieder Neues.

Information:

Allgemeine Auskünfte erteilt das Neckarsteig-Büro, Neckarelzer Str. 7, 74821 Mosbach, Telefon 06261 841386, www.neckarsteig.de.

Anreise: Mit der S-Bahn S 1 oder S 2 oder mit dem Auto zum Bahnhof Neckargerach. Nach der Ankunft in Mosbach per S-Bahn zurück nach Neckargerach, www.rnv.de.

Übernachten: In Mosbach zum Beispiel im Amtsstüble, Übernachtung im Doppelzimmer mit Frühstück ab 75 Euro pro Person, Hotel & Restaurant "Zum Amtsstüble", Lohrtalweg 1, 74821 Mosbach, Telefon 062 61 93460, www.amtsstueble.de. Oder im Hotel "Lamm", Hauptstraße 59, Übernachtung im Doppelzimmer mit Frühstück ab 80 Euro. Das "Lamm" hat auch einen spezielles Neckarsteig-Angebot. Telefon 06261 89020, www.lamm-mosbach.de.

Essen und Trinken: Zwischen Neckargerach und Mosbach gibt es außer dem "Schreckhof" keine Einkehrmöglichkeiten. In Mosbach empfehlen sich folgende

Restaurants: "Ludwig" Hauptgerichte ab 9,80 Euro, Hauptstraße 92, 74821 Mosbach, Telefon 06261 2242, www.ludwig-mosbach.de. In Diedesheim hat die "Krone" einen schönen Biergarten, Alte Brückenstraße 5, 74821 Mosbach, Telefon 06261 7187, www.krone-diedesheim.de.

Reiseliteratur: "Neckarweg mit Neckarsteig" Rother Wanderführer, ISBN 978-3-7633-4443-7, 14,90 Euro. "Neckarsteig", Verlag Bärenfelser, ISBN 978-3-86372-012-4, 12,90 Euro.