Die Füße ausstrecken und das verschneite Västerbotten genießen, während Huskys den Schlitten ziehen. Fotos: Katharina Epper
Von Katharina Eppert
Eisiger Wind peitscht ins Gesicht, während die Finger sich am Schlitten festkrallen und die Füße das nostalgische Gefährt in der Spur zu halten versuchen. "Jetzt Körperspannung halten und in die Seitenlage, sonst kippt das Geschoss in der Kurve um!", brummt Morgan Liljemark (siehe Foto rechts) im Imperativ. Schlittenfahren ist ein Knochenjob! Vor allem für den hechelnden Motor mit klappernden Ketten: jeweils sechs Huskys ziehen den "Nesthocker" des Schlittens mitsamt seinem Steuermann durchs wilde Lappland in "Västerbottens län". Die nordschwedische Provinz unweit des Polarkreises ist etwa so groß wie Dänemark und beherbergt einen Nationalpark sowie rund 250 Naturreservate.
Für Hundenarr Morgan spielt sich aber alles in Ruskträsk ab. In dem Örtchen, das circa 130 Kilometer nordwestlich von Umeå liegt, hat er sein Haus, seine Frau Lina und seine rund 30 Huskys, die außer Rand und Band sind, wenn er die Zwinger-Tore öffnet: Ein ohrenbetäubendes Gejaule, eingeforderte Streicheleinheiten, hier und da wird im Schnee markiert. "Das Dominanzverhalten!", lacht Morgan. Und dann der typische Wolfsrudel-Sound, in den alle Vierbeiner einstimmen: "Es kann losgehen, Chef", wollen sie mitteilen.
Die Fahrt auf dem Schlitten durch die tief verschneiten Fjälle verzaubert. Bei Sonnenschein und königsblauen Himmel wird die wohltuende Stille nur vom Knirschen des Schlittens und Hecheln der Hunde durchbrochen. So geht Schlittenfahren in Nordschweden! Und das im Frühling. Während in Deutschland Ende März Narzissen und Tulpen ihre Köpfe gen Horizont strecken, lugen hier allenfalls rote Beeren aus der dichten Schneedecke. Einen Frühling, bei dem die Natur peu à peu erwacht, gibt es hier nicht. "Entweder ist es kalt und liegt Schnee oder es wird rasend schnell Sommer", sagt die Schwedenexpertin Sabine Klautzsch.
Da verwundert es fast, dass die Sami (auch Samen genannt) auf stolze acht Jahreszeiten kommen. Sie sind Europas einzige Urbevölkerung - und in Västerbotten beheimatet. Jan-Krista ist so ein Sami (siehe Foto rechts). Er führt drei Rentiere mit sich, die ihm etwas bockig folgen. Ihre Füße sinken immer wieder im rund ein Meter hohen Schnee ein. Sieht ganz schön ulkig aus, wie die Rentiere durch den Schnee wackeln - bis hin zum Kâta (ein traditionelles Zelt der Sami). Wie viele Rentiere er insgesamt besitzt, möchte Jan-Krista nicht verraten. Denn die Anzahl der Tiere steht für den wirtschaftlichen Wohlstand eines Sami, erklärt der junge Mann mit Lederschurz und Pelzmütze. Es ist, als ob man nach dem Kontostand fragen würde. Im Tipi knistert das offene Feuer. Der Kaffee darauf köchelt vor sich hin und wandert dann mit einer Gastfreundschaft wie bei uns selten zu erleben in unsere Holzgefäße. Dazu werden belegte Schinken- und Käsebrote gereicht. Es ist Fika-Zeit! Fika hier, Fika dort. "Ein Leben ohne Fika wäre in Schweden undenkbar", erklärt Sabine Klautzsch und führt aus: "Fika ist quasi eine Pause, um mit der Familie oder Freunden zu quatschen." Sie dauert in der Regel zwischen 15 und 45 Minuten. Dazu gibt es Kaffee und meist auch Kuchen oder ein Fikabröd. Während der starke Kaffee der einsetzenden Müdigkeit entgegenwirkt, erzählt Jan-Krista, was ein Leben als Sami bedeutet.
In Västerbotten in Nordschweden fährt man mit HuskysDie acht Jahreszeiten sollen das Wechselspiel der Natur verdeutlichen und den Fokus auf das legen, was im jeweiligen Stadium der Natur wichtig ist. So ist beispielsweise der Winter die Jahreszeit der Pflege: die Rentiere irgendwo in der Natur (es gibt keine Gehege) graben sich mit ihren Hufen durch die Schneedecken, um die als Nahrung dienenden Flechten freizulegen. "Im Juli holen wir die Rentiere aus den Bergen zurück". Und zwischenzeitlich sind Beeren, Pilze und Kräuter zu sammeln, die Zeit des Nachdenkens und Sattessens steht an, bevor im Spätsommer die Nächte wieder dunkler werden.
Dunkel wird es im März auch über dem zugefrorenen Fluss Umeälven in Granö. Hier kann man mit ein bisschen Glück die Nordlichter tanzen sehen. Wir haben Glück. Für ein paar Minuten sehen wir das Spektakel der Aurora borealis, erst grün, dann rot - bis die Wolken die natürliche Lichtershow bedecken. Erlebnisreich ist aber auch die Nacht in "Vogelnestern". So heißen die Baumhäuser, in welchen Gäste des Eco Lodge Hotels nächtigen können. Eben hat man noch ein Eichhörnchen einen Meter von sich entfernt den Baumstamm hochhuschen gesehen, schon spürt man die leichten Bewegungen des Vogelnestes.
Nicht durch das grazile Tapsen des Eichhörnchens ausgelöst, vielmehr durch den Wind, der gerade ziemlich pustet. An die Ruhe vor Auto- und Stadtlärm und die plötzlich auftauchenden Laute und Bewegungen der Natur muss man sich erst einmal gewöhnen!
In Tärnaby, 70 Kilometer von der norwegischen Grenze entfernt, wird’s dann etwas zivilisierter, bergiger, wintersportlicher. Hier wuchsen einige bekannte schwedische Skirennläufer auf, wie Ingemar Stenmark, Stig Strand, Jens Byggmark und Anja Pärson. Ein Skimuseum im Ort ist ihnen gewidmet. Des Weiteren befindet sich in Tärnaby ein Samenmuseum mit Exponaten aus dem 18. und 19. Jahrhundert.
Bevor es in Hemavan Tärnaby auf die Skier geht, heißt es aber erst mal "Fika"!