Auf den Spuren Harry Potters

Im Herzen von Hogwarts

Bei der Tour durch die Kulissen der Harry-Potter-Filme in den Studios bei London wandeln Fans auf den Spuren ihres Idols

27.06.2019 UPDATE: 29.06.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 54 Sekunden
Einmal auf dem Motorrad von Halbriese Hagrid sitzen. Auch dieser Traum wird wahr in den Potter-Filmstudios. Foto: Bisping

Von Stefanie Bisping

Als Kinder betraten sie die Filmstudios in Leavesden zum ersten Mal und blieben zehn Jahre. Von einer riesigen Leinwand herab erzählen Harry Potter, Hermine Granger und Ron Weasley vom Dreh der womöglich erfolgreichsten Reihe in der Geschichte des Films - oder vielmehr: ihre Darsteller Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint. Im Potter-Universum verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität schnell; auch das ist Teil seiner Faszination. Schon rauscht die Leinwand nach oben, ein imposantes holzgeschnitztes Tor wird sichtbar: der Eingang von Hogwarts. Kinder, die heute ihren Geburtstag feiern, dürfen nach vorne kommen und das Portal zum Herzen des Zauberinternats öffnen.

Hintergrund

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Anreise: Mehrmals täglich Flüge mit Lufthansa ab Frankfurt nach London Heathrow. Mit dem Zug fährt man vom Londoner Bahnhof Euston bis nach Watford Junction

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Anreise: Mehrmals täglich Flüge mit Lufthansa ab Frankfurt nach London Heathrow. Mit dem Zug fährt man vom Londoner Bahnhof Euston bis nach Watford Junction (www. nationalrail.co.uk). Von dort gibt es alle 20 bis 30 Minuten Shuttle-Busse zur Studio-Tour (Rückfahrticket 2,50 Pfund). Parken ist gegen Vorlage der Ticket-Reservierung gratis.

Studio-Touren: Tickets müssen im Voraus gebucht werden, um die bis zu 6000 Besucher pro Tag zu kanalisieren (http://tickets.wbstudiotour. co.uk). Der Eintritt kostet für Erwachsene 43 Pfund, für Kinder (5 bis 15 Jahre) 35 Pfund; ein Familienticket für zwei Erwachsene und zwei Kinder (oder einen Erwachsenen und drei Kinder) 140 Pfund. Mindestens drei Stunden sollte man für den Besuch einplanen, auch fünf Stunden vergehen schnell.

Übernachten: Im Umkreis von 20 Autominuten befinden sich mehrere Hotels der Kette Premier Inn. In diesen modernen, gut ausgestatteten, preiswerten Hotels lässt sich einsparen, was man in den Shops der Studio-Tour verprasst hat. Ein Zimmer kostet ab 35 Pfund, Zustellbetten werden nicht extra berechnet. Das Frühstück wird gesondert berechnet und kostet 8,99 Pfund pro Erwachsenem. Bis zu zwei Kinder in Begleitung zweier Vollzahler frühstücken kostenfrei (www.premierinn.com).

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Dann stehen alle in der großen Halle von Hogwarts: Kinder mit Schals in den Hausfarben Gryffindors und in Zaubererumhängen, würdige Senioren im Dumbledore-Kostüm, Paare und Familien aus allen Teilen der Welt. Kein Zweifel: Auch über zwanzig Jahre, nachdem der erste Band "Harry Potter und der Stein der Weisen" im englischen Bloomsbury Verlag in der bescheidenen Auflage von fünfhundert Stück erschienen ist, ist der Zauber der magischen Welt von Joanne K. Rowling noch genauso stark wie auf dem Höhepunkt der Potter-Euphorie, als junge Leser in Erwartung des neuesten Bands vor Buchhandlungen Schlange standen.

Die Besucher der Filmstudios tauchen tief in die Zauberwelt ein. An den Wänden der großen Halle stehen die Tische der vier Häuser Gryffindor, Ravenclaw, Hufflepuff und Slytherin. Mit Äxten und Ketten wurden die Haustische bearbeitet, bis sie aussahen, als hätten schon viele Generationen junger Zauberer hier gesessen und die köstlichen, von Hauselfen zubereiteten Speisen gegessen. An der Stirnwand befinden sich die Tafel der Lehrer sowie ihre auf Puppen gespannten Kostüme. Wie alle anderen Kulissen wurde auch die große Halle von Hogwarts hier im Studio für die Potter-Filme gebaut und ausstaffiert; seit 2012 sind sie der Öffentlichkeit zugänglich.

Mit leuchtenden Augen betrachten kleine und große Besucher den Gemeinschaftsraum des Gryffindor-Turms und den Schlafsaal der Jungen, dessen Betten so kurz sind, dass die größer gewordenen Darsteller sich in den späteren Filmen verrenken mussten, um noch hineinzupassen. Unter den Betten liegen die Koffer mit den Initialen von Harry, Ron und ihren Schlafsaalgenossen. Dann geht es zum Büro Dumbledores. Unter einem gotischen Turmfenster steht der Schreibtisch des Schulleiters, auf einem Regal liegt der sprechende Hut, der alle Neuzugänge ins passende Haus sortiert.

In der Wohnküche der Weasleys rühren Löffel selbstständig in Töpfen, das Strickzeug von Mutter Molly verlängert sich dank praktischer Alltagsmagie von selbst. An der Wand hängt die magische Uhr, die den Aufenthalt aller Familienmitglieder anzeigt. In der Welt des Films liegen nur wenige Schritte zwischen Harrys Ersatzheimat bei den Weasleys, dem Kellerraum, in dem Professor Snape seine Zaubertränke braut, und dem Büro der bösen Professorin Umbridge, einem Albtraum in Pink.

Doch die Besucher müssen die magische Welt nicht nur betrachten. In einer Ecke können Muggel sich in die korrekten Bewegungsabläufe im Umgang mit dem Zauberstab einführen lassen: Vor einem Spiegel schwingen sie den Stab und stoßen unterschiedlich wirksame Zauber aus. Und dank der ausgeklügelten Technologie, mit der sich bei den Verfilmungen der Potter-Romane die Kreativität eines riesigen Teams verband, sind sogar Erinnerungsfotos und -filme, die die Besucher beim Besenflug zeigen, kein Problem.

Am Eingang zum "Verbotenen Wald" erwarten Halbriese Hagrid und der riesige Vogel Seidenschnabel die Besucher. Auf Knopfdruck ertönt Donner, Blitze zucken, und Riesenspinnen senken sich auf den Pfad hinab - genauso, wie Harry und Ron es in "Harry Potter und die Kammer des Schreckens" erleben. Die meisten Waldszenen entstanden hier im Studio, nur wenige in freier Natur. Am breiten Bahnsteig 9 ¾ wartet schließlich der echte Hogwarts-Express. Hier wurde die allerletzte Szene der Potter-Filme gedreht - und, bedingt durch technische Abläufe, auch die allererste des ersten Films "Harry Potter und der Stein der Weisen". Die Abteile der knallroten Eisenbahn sehen dank herumliegender Requisiten aus, als machte sich der Zug jeden Moment auf den Weg nach Hogwarts. Langsam gehen die Besucher durch den Gang und schauen in die Abteile, in denen Harry, Ron und Hermine Schokoladenfrösche aßen und sich Scharmützel mit ihrem Mitschüler Draco Malfoy lieferten.

So echt wirken die Kulissen, dass Fantasie und Realität in schönster Weise miteinander verschmelzen. Beim Gang durch die Winkelgasse würde man sich kaum wundern, Hagrid um eine Ecke stapfen zu sehen. Im verstaubten Geschäft von Mister Ollivander stapeln sich Schachteln mit Zauberstäben bis in die Fenster des ersten Stocks. Wie die Buchhandlung Flourish and Blotts besteht dieser Fachhandel nicht nur aus einer Fassade, sondern die einschlägigen Szenen wurden tatsächlich hinter den Eingangstüren gedreht. Ein paar Schritte weiter werden Eulen zum Kauf angeboten, dann erhebt sich das dreistöckige Gebäude von "Weasley’s Wizarding Wheezes" in leuchtendem Orange, wo die Weasley-Zwillinge Kotzpastillen und Langziehohren verkaufen.

Auch, wenn in den Ausstellungen zu den Special Effects so manche Illusion verpufft, wirkt der Blick in die Kulissen nicht ernüchternd, sondern eher beflügelnd. Dass die Flugszenen vor grüner Wand gefilmt und erst am Computer ihren "echten" Hintergrund erhielten, dass der Drache, auf dem die drei jungen Helden aus der Zaubererbank Gringotts flüchten, nur aus einem kunstvoll gefertigten Stück Stachelrücken besteht, der ebenfalls erst am Bildschirm Körper, Kopf und Schwanz erhielt oder dass es vier männliche Schneeulen brauchte, um Hedwig zu verkörpern, - all das vermag den Zauber nicht zu zerstören. Es weckt vielmehr den Wunsch, die Filme gleich noch einmal zu sehen, und diesmal vor allem auf Hintergründe und Requisiten zu achten.

Die magische Welt von Harry Potter ist eben nicht nur von universaler, sondern auch von dauerhafter Anziehungskraft. Potter-Liebhaber wachsen nach; viele der Eltern, die nun ihre Kinder durch die Zauberwelt führen, waren selbst Fans der ersten Stunde. Zweifellos sind die Studios mit Fotos und Videos, die jeder von sich beim Besenreiten machen lassen und erwerben kann, sowie der eindrucksvollen Batterie von Merchandising-Produkten auch eine gewaltige Geldmaschine. Doch wenn das Kind flüstert, dies sei das Tollste, was es je erlebt habe, und sich auch die Eltern dem Alltag seltsam entrückt fühlen, dann tun die dreißig Pfund für den Zauberstab von Harry Potter, die zehn Pfund fürs Begleitbuch und die dreißig für die Karte des Rumtreibers auf Pergament schon fast nicht mehr weh.