Ist denn schon Weihnachten?
In Lappland halten wir Small Talk mit dem Weihnachtsmann und springen über den Polarkreis. So richtig in Stimmung kommen wir aber nicht

Sarah und Mathias sammeln Aufkleber - "Pickerl", wie Mathias sagt - für ihren Bus. Um einen Finnland-Aufkleber zu ergattern, haben sie sich durch die Souvenirläden gekämpft, die die Straßen rund um das offizielle Weihnachtsmannbüro säumen. Foto: Kringe
Von Sarah Kringe
Der Weihnachtsmann hat Mundgeruch. Zugegebenermaßen weiß ich auch nicht, was ich mir von einem leicht gestressten älteren Mann erwartet habe, der den ganzen Tag mit Besuchern aus aller Welt - hauptsächlich dem asiatischen Teil - reden muss. Vielleicht den Duft nach frischen Lebkuchen, ein Hauch von Tanne oder zumindest eine Prise Gänsebraten. Ich versuche, mich - ohne unhöflich die Nase zu kräuseln - auf die Holzbank neben den Weihnachtsmann zu setzen, während Mathias auf seiner anderen Seite Platz nimmt. Er begrüßt uns in perfektem Deutsch: "Guten Tag, wo kommt ihr her?" Von Heidelberg hat er noch nie gehört, aber Salzburg sagt ihm etwas. Er habe dort mal einen Freund gehabt, Wolfgang. Damit belässt er es aber auch mit den persönlichen Informationen.
Dass der Weihnachtsmann nicht nach Zimt oder Weihrauch riecht, ist nur eine von vielen kleinen Enttäuschungen, die man als Besucher von Santas Office im lappländischen Rovaniemi, dem offiziellen Weihnachtsmannbüro, hinnehmen muss. Wir haben hier angehalten, weil wir hofften, in einem der unzähligen Souvenirläden einen Finnland-Aufkleber - "a Pickerl", wie Mathias sagt - für unseren Bus zu bekommen. Außerdem ist das der einzige Ort in Finnland, wo der Polarkreis mit einer Linie auf dem Boden markiert ist und wir konnten der Versuchung nicht widerstehen, darauf hin- und herzuhüpfen. Und wenn wir schon mal hier sind: "Los komm, wir besuchen den Weihnachtsmann!", habe ich Mathias aufgefordert, der zwar erst nicht begeistert war, die Einmal-im-Leben-Gelegenheit dann aber doch nicht liegen lassen wollte.
Santas offizielles Büro ist in einem riesigen roten Holzkomplex untergebracht, die Linie des Polarkreises läuft direkt darauf zu. Sprechstunde ist jeden Tag von 10 bis 17 Uhr, in der Vorweihnachtszeit auch länger. Bis zum Eingang haben wir uns durch unzählige Souvenirshops (mit einer großen Auswahl an "Pickerln") gekämpft und sind zu Weihnachtsmusik-Gedudel mehrfach über den Polarkreis gesprungen - wohlgemerkt, es ist September, und auch wenn die Temperaturen bereits tiefer liegen als bei uns an Heiligabend, will einfach keine Weihnachtsstimmung aufkommen.
Im Bürogebäude des Weihnachtsmannes trifft man auf Mitarbeiter - Elfen - die mit spitzen Hüten und Schuhen aussehen wie eine Mischung aus Umpa Lumpa, den fiktiven Pygmäen aus dem Film "Charlie und die Schokoladenfabrik", und dem "kleinen Muck" und einen in die richtige Spur für die vorweihnachtliche Audienz schicken. Wie Disneyland, habe ich gedacht, als ich durch die weihnachtlich dekorierten Gänge gelaufen bin und unterwegs einen Blick in "Santas Baby-Rentier-Kindergarten" und "Santas Keksküche" geworfen habe. Einen solchen Touristen-Zirkus haben wir zum letzten Mal in Rumänien auf dem Schloss von Graf Dracula erlebt.
Die letzte Hürde vor dem persönlichen Zusammentreffen mit dem Weihnachtsmann ist eine Elfe, die uns mitteilt, dass Fotos streng verboten sind. Sie zückt während des Gesprächs einen großen Fotoapparat und macht ein "offizielles" Bild mit dem Weihnachtsmann, das man hinterher für 40 Euro erwerben kann.
Santa selbst sieht tatsächlich so aus, wie man sich den Weihnachtsmann gemeinhin vorstellt, auch wenn ich den Verdacht nicht loswerde, dass außer dem Gesicht und den Armen sein Körper zum größten Teil aus Pappmaschee besteht. Er fragt mich, ob Mathias dieses Jahr denn schön brav gewesen sei und ich antworte wahrheitsgemäß, dass er uns einen tollen Campingbus gebaut habe, mit dem wir jetzt durch Europa reisen.
Der Weihnachtsmann wirkt beeindruckt, wir smalltalken noch ein bisschen, erzählen ihm von unserer Reise und dass wir Weihnachten eventuell nicht zuhause sein werden. Zum Schluss flüstere ich ihm noch einen Herzenswunsch ins Ohr, nämlich einmal Nordlichter zu sehen. "Wenn du heute Nacht im Bett die Augen zumachst und es dir ganz fest wünschst, siehst du sie im Schlaf", verspricht er mir augenzwinkernd. Kopfschüttelnd verlasse ich das Büro des Weihnachtsmannes. Zum Glück habe ich als Kind an das Christkind geglaubt, sonst wäre ich jetzt ziemlich desillusioniert.
FiInfo: In loser Folge berichtet uns Sarah Kringe hier von ihrem Wohnmobil-Abenteuer mit ihrem Freund Mathias.