Strecke entlang des Virgin Rivers

Einer der schönsten Wanderwege der USA

Die komplette Wanderung von der Busstation bis zum Ende der Schlucht bei Chamberlain dauert im Schnitt zwölf Stunden.

22.08.2023 UPDATE: 22.08.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 57 Sekunden
Wanderer in den „Narrows“ im Virgin River des Zion-Nationalparks. Foto: Norbert Eisele-Hein

Von Norbert Eisele-Hein

Schon beim ersten Anblick des Zion-Nationalparks dudelt eine Endlosschleife mit Westernmelodien in unseren Gehirnen. Die tiefroten Felswände und Plateauberge kennt jedes Kind aus zahllosen Western- und Werbespots. Und wo sich früher John Wayne und Clint Eastwood balgten, warten auf uns Hobbycowboys zahllose Wanderungen.

Als die Mormonen einst nach Utah kamen, lebten sie in ständiger Sorge um ihre Longhorns und mussten permanent mit Indianerangriffen rechnen. Ein hartes Leben, eigentlich ohne Raum und Zeit für einen schwärmerischen Blick auf die Landschaft. Dennoch nannten sie ihre Ansiedlung Zion, nach dem Psalm 48,3: "Schön ragt empor, eine Freude der ganzen Erde, der Berg Zion." Heute zählt die monumentale Felsenlandschaft zu einem der beliebtesten Nationalparks der USA.

Mit dem kostenlosen Park-Shuttle steuern wir direkt in das monumentale Felsenkino hinein. Gleich am Parkeingang bilden die "Towers of the Virgin" eine massive Felswand. Daneben ragen Dutzende tempelähnlicher Gebilde aus knallrotem Sandstein in das stählerne Blau des Himmels. Vorbei am "Watchman", einem weiteren Felsgiganten, der tatsächlich über das Tal zu wachen scheint, gelangen wir zum "Court of the Patriarchs". Auch diese drei Felstürme ragen beinahe senkrecht in die Höhe. Bei der Busstation "The Grotto" steigen bereits etliche Wanderer aus. Hier startet ein luftiger, zum Teil mit Stahlseilen gesicherter Pfad zum "Angel’s Landing". Für diesen Trip zum Landeplatz der Engel ist Schwindelfreiheit nötig. Doch die meisten Wanderer im Bus warten bis zur letzten Haltestelle "Temple of Sinawawa". Sie sind ohnehin an ihrem Neopren- oder Wathosen-Outfit erkennbar. Trotz 28 Grad im Schatten und schönstem Sonnenschein zieht es sie alle in die schattigen "Narrows": eine enge Schlucht, die der Virgin River über Jahre hinweg durch das Bergmassiv gefräst hat.

Eingang zum Nationalpark. Foto: Eisele-Hein

Ab in die Watstiefel, denn der Fluss ist der Weg. Gut 60 Prozent der Wanderzeit werden wir im Fluss verbringen. Wir patschen durch sandige Pfützen, rutschen an der Böschung entlang, kämpfen uns kraftraubend durch die Strömung. Bei einem Fehltritt muss man auch mal ein paar Meter schwimmen. Die Ausrüstung gehört in einen wasserdichten Rucksack. Kamera und Wertsachen sollten noch mal in einem separaten Plastikbeutel lagern.

Vor allem algenbewachsene, von der Strömung kugelrund geschliffene Steinbrocken, die unsichtbar über den Flussgrund rollen, sind tückisch. Hier erweist sich der stabile Holzstock als äußerst nützlich. Normale Wanderstäbe aus Aluminium oder Karbon brechen serienweise zwischen den Felsblöcken. Der lange Holzstab scheint unkaputtbar und hilft beim Sondieren der Wassertiefe. Hinter jeder Biegung warten grandiose Aussichten. Hängende Gärten in den Schattenpartien beim Temple of Sinawawa erzeugen eine surreale Stimmung. Spiegelnde Felswände und mit der Wanderung der Sonne stetig wechselnde Lichtspiele begeistern Wanderer aus aller Welt.

Die komplette Wanderung von der Busstation bis zum Ende der Schlucht bei Chamberlain dauert im Schnitt zwölf Stunden. Die 26 Kilometer in der Strömung sind selbst für fitte Wanderer eine harte Nuss. Viele wandern "nur" zwei bis drei Stunden durch die "Narrows" bis zur "Wall Street". Dort trifft man allerdings keine Banker mit Schlips und Kragen, und der Dow Jones ist nebensächlich. Dafür ragen Sandsteinwände enger zusammengedrängt als Manhattans Hochhausfluchten bis zu 600 Meter in die Höhe und geben nur noch einen klitzekleinen Sichtschlitz auf den Himmel preis. Stromabwärts verläuft der Rückweg auf derselben Strecke etwas kraftsparender, wird aber keineswegs langweilig, denn die Licht- und Schattenspiele sorgen erneut für einen psychedelischen Fantasy-Streifen.


Infos:  

Anreise: Der Zion-Nationalpark ist am besten über den Flughafen in Las Vegas zu erreichen, etwa mit Condor, Eurowings oder Lufthansa. 

Einreise: Diese ist in die USA nur mit Esta (Elektronischem Reisegenehmigungssystem) oder einem Visum möglich. Wer kürzlich in islamischen Ländern war, sollte die Bestimmungen vorab genau studieren und einen ausreichenden Zeitpuffer zum Abflug einplanen.

Beste Reisezeit: Im Frühjahr brutzelt die Wüstensonne noch nicht zu heiß, im Herbst kommen die Wälder der Parks besonders gut zur Geltung. Obendrein sind die Parks in der Hauptsaison häufig überfüllt, deshalb sind Mai, Juni und Oktober die besten Monate.

Voraussetzung für diese einzigartige Wanderung ist stabiles Wetter. Regenschauer auch in der weiteren Umgebung machen aus dem harmlosen Fluss im Nu einen reißenden Strom. Die Parkranger informieren über die aktuellen Bedingungen.

Vor Ort: Der Park-Shuttle fährt gratis direkt zum Trail-Start, Haltestelle Temple of Sinawava. Der Eintritt pro Nationalpark beträgt meist 30 US-Dollar, eine Jahreskarte für 80 USD rentiert sich schnell. Eine Neoprentrockenhose mit Latz, Neoprensocken und Neoprenschuhe mit rutschfester Sohle sind von Vorteil.

Übernachten: Campingplätze im Park vorab buchen. Springdale, direkt am Eingang, gilt als Tor zum Zion-Nationalpark.

Outdooraktivitäten: Zion Adventures offeriert sämtliche Touren und verleiht Ausrüstung; www.zionadventures.com 

Veranstalter: America Unlimited; www.america-unlimited.de

Canusa Touristik; www.canusa.de/usa-reisen/nationalparks/zion-national-park

Diamir Erlebnisreisen; www.diamir.de

Weitere Infos: www.visitutah.com, www.visitsouthernutah.com, www.nps.gov/zion