Schwabacher Blattgold

Werner Auer ist Meister seines Fachs

Heutzutage zeigt er sein Handwerk den Gästen der einstigen Welthauptstadt des Edelmetalls.

19.11.2023 UPDATE: 19.11.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 34 Sekunden
In Schwabach ist Blattgold allgegenwärtig: Auch die Dachtürme des Rathauses am Königsplatz sind mit 1000 Ziegeln komplett vergoldet. Foto: Getty

Von Jochen Müssig

In amerikanischen Westernfilmen beißen die harten Jungs immer auf ihren Gold-Dollar, um zu sehen, dass er echt ist. Dabei ist Gold viel weicher als andere Metalle, sehr dehnbar und lässt sich sogar auf ein Zehntausendstel Millimeter breitschlagen. Ein Goldschläger aus dem fränkischen Schwabach erklärt, wie das geht.

Eigentlich wollte Werner Auer Masseur werden. Zu seiner Zeit war allerdings ein Alter von 18 Jahren vorgesehen, um eine Lehre beginnen zu können. Also dachte er sich: "Wenn nicht Mensch, dann Gold!" Und so begann er 1983 mit 15 Jahren eine dreijährige Goldschlägerlehre, um zu lernen, wie man Blattgold herstellt. "Damals gab es noch 16 Betriebe mit rund 30 Goldschlägern in Schwabach bei Nürnberg. Dazu kamen je vier Frauen als Goldbeschneiderinnen und Helferinnen. Eine von ihnen war meine Schwester", erinnert sich Auer. Pro Woche wurde ein Kilogramm Gold verarbeitet.

Hintergrund

Infos:
Anreise: Mit Bahn und Bus nach Nürnberg, von dort mit der Regionalbahn ohne Stopp in zehn Minuten nach Schwabach. Mit dem Auto kommt man über die Autobahn A 6
Unterkunft: Hotel Centro, helle, freundliche Zimmer

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Infos:
Anreise: Mit Bahn und Bus nach Nürnberg, von dort mit der Regionalbahn ohne Stopp in zehn Minuten nach Schwabach. Mit dem Auto kommt man über die Autobahn A 6
Unterkunft: Hotel Centro, helle, freundliche Zimmer mit italienischen Fliesen. DZ ab 120 Euro; www.hotelcentroschwabach.de
Restaurant: "Der Stern" wurde schon im Mittelalter als Gasthof geführt. Auf Vorbestellung gibt es Gold aufs Essen, gehobene Küche; www.der-stern.com
Aktivitäten: Führung "Mit dem Goldschläger durch Schwabach", Anmeldung im Tourismus-Büro unter Tel.: 09122 / 860241, Kosten: fünf Euro.
Museum: www.schwabach.de/de/kulturportal-stadtmuseum
Event: Goldschlägernacht, jedes zweite Jahr im August, das nächste Mal 2024.
Einkaufen: Im Rathaus-Shop gibt es zum Beispiel Goldstreuer für Sekt oder Essen, Seifen mit Blattgold oder Blattgoldschmuck.
Weitere Infos: www.schwabach.de

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Heute gibt es in Schwabach nur noch zwei Blattgoldhersteller. Und Werner Auer. Der ist Meister seines Fachs, arbeitet aber in keiner Blattgoldfirma, sondern zeigt heutzutage sein Handwerk im Auftrag der Stadt den Gästen von Schwabach. Denn im Goldschlägerschaupavillon und im Stadtmuseum ist jeweils eine traditionelle Goldschlägerwerkstatt aufgebaut. Darin erklärt er den Besuchern den komplizierten Arbeitsvorgang bei der Goldschlägerei. Der sieht so aus: Das Gold wird geschmolzen, gegossen, zu einem Goldband ausgewalzt, gequetscht und immer wieder mehrfach geschlagen und beschnitten, bis es abschließend ein Maß von acht mal acht Zentimetern hat und nur noch ein Zehntausendstel Millimeter dünn ist. Sprich: Es ist so unvorstellbar dünn, dass 10.000 übereinander gelegte Blattgoldblättchen nur einen Millimeter hoch wären.

Doch wie kam das Handwerk ausgerechnet nach Schwabach? "Die Goldschläger arbeiteten Anfang des 16. Jahrhunderts alle in Nürnberg", erklärt Werner Auer. Doch aufgrund der dortigen restriktiven Handwerksordnung wanderten einige ab und ein gewisser Jakob Ratzert stellte auf der Suche nach einem neuen Standort fest, dass in Schwabach nur drei bis vier Pressvorgänge nötig waren gegenüber zehn bis zwölf in Nürnberg. Für die Herstellung von Blattgold wird nämlich ein trockenes Klima benötigt, das durch Schwabachs Mikroklima mit seiner Kessellage und dem sandigen Untergrund gegeben war. Auch der Schlagstein muss stets auf Sand stehen, um die Schläge abzufedern.

Anfang des 20. Jahrhunderts erreichte das Handwerk in Schwabach seine Blüte: In rund 130 Betrieben waren bis zu 1200 Personen beschäftigt. Schwabach galt damals als Welthauptstadt des Blattgolds. Heute gibt es nur noch zwei Hersteller: "J.G. Eytzinger" und "Noris Blattgold". Sie kaufen das Gold weltweit ein, bearbeiten es zu Blattgold und verkaufen es wieder in alle Welt. Blattgold wird traditionell für die Vergoldung von Kirchen- und Kunstdenkmälern verwendet, findet aber auch bei der Porzellan- und Glasherstellung, im medizinischen Bereich und zuweilen auch in der Gastronomie Verwendung.

Die Victoria sitzt auf dem Dach einer Anwaltskanzlei. Foto: Müssig

In Schwabach ist Blattgold allgegenwärtig: Das ganze Städtchen wird vom Edelmetall geradezu überstrahlt. Am Postgebäude veredelt der goldene Schriftzug "Stille Post" den hässlichen Bau. Die Dachtürme des Rathauses am Königsplatz sind komplett vergoldet: Das Gold für die 1000 Ziegel finanzierten die Schwabacher Bürger über 2000 Anteile. Obwohl schon 20 Jahre alt, glänzen die Türmchen auch bei Schlechtwetter: Ein eindeutiges Indiz dafür, dass handgeschlagenes Schwabacher Blattgold verwendet wurde und nicht industriell gefertigtes aus China. Das bröselt häufig schon nach zwei, drei Jahren ab und hat sichtbar weniger Glanz. Im Rathaus wurde unter Verwendung von 14.000 Blatt Gold aus Schwabach zudem der Sitzungssaal gestaltet, der jetzige Goldene Saal. Sehr modern ist die Maria im Zeichen des Goldes am Ostchor der Stadtkirche und sehr schön die Victoria, ein überlebensgroßer Schutzengel, der auf dem Dach einer Schwabacher Anwaltskanzlei sitzt. Und am eigenen Haus hat auch Werner Auer drei vergoldete Ziegel integriert. Es sind seine Lieblingsblattgoldstücke.

Während seiner aktiven Schlagzeit hatte Auer einen Waschbrettbauch und einen Bizeps mit 44 Zentimetern Umfang – das Doppelte eines durchschnittlichen Bizeps. Arnold Schwarzenegger lag zu seiner besten Zeit nur ein paar Zentimeter über Werners Wert. "Beim Armdrücken", erzählt der Goldschläger, "hatten die im Fitnessstudio gestählten US-Soldaten aus Schwabach keine Chance gegen mich …" Wenn wundert’s bei rund 12.000 Schlägen mit einem Zwölf-Kilo-Hammer pro Tag.

Ein hauchdünnes Blatt Blattgold von acht mal acht Zentimetern Größe kostet ungefähr zwei Euro und wiegt gerade mal 0,05 Gramm. Am besten wird es mit Leinöl verklebt. So machten es schon die alten Ägypter, die Blattgold bereits vor 4000 Jahren verarbeiteten. In Europa ist die Herstellung des Blattgoldes seit den Römern bekannt. Im Mittelalter wurde das Handwerk von Mönchen, später von selbstständigen Handwerkern ausgeübt. Augsburg, Nürnberg und später Schwabach waren die wichtigsten Städte, in denen Blattgold geschlagen wurde.

Goldwasser im Rathausshop erwerblich. Foto: Jochen Müssig

Das Schwabacher Blattgold erfreut sich größter Beliebtheit. Die Siegessäule in Berlin und der Invalidendom in Paris sind damit verziert, ebenso der Felsendom in Jerusalem, aber auch der Sultanspalast in Brunei. Und wer erinnert sich nicht an Franck Riberys Blattgold-Steak, das der Fußballstar in Dubai für 1200 Euro bestellte und aß? Werner bringt die Summe in Relation: "Ich schätze, der Goldwert auf dem Fleisch betrug nicht mehr als zwei bis drei Euro."

Auch im Schwabacher Gasthof "Stern" gibt es auf Anfrage vergoldete Speisen. Der Dessertteller mit original Schwabacher Blattgold kostet knapp 20 Euro. Schwabacher ist das einzige Blattgold in Deutschland, das eine Lebensmittelzulassung hat. Es schmeckt übrigens nach: nichts.

Nur schade, dass das alte Handwerk in Deutschland aussterben wird. Es gibt keine Innung und keine Interessenten an einer Lehrstelle. Europa hat noch sieben Goldschläger, zwei davon sind Deutsche – beide aus Schwabach. Und ein weiterer Schwabacher arbeitet in Australien. "Wenn man immer mit Gold zu tun hat, verliert es etwas an Faszination", sagt Werner Auer und deutet auf das Goldschlägerdenkmal am Sablaiser Platz, nahe der Hauptpost: "Es zeigt einen früheren Obermeister der Goldschläger-Innung" – mit Schlagstein, Hammer, Schlagform und Schürze. Überraschenderweise ist es nicht vergoldet.