Schweinswal-Tage in Wilhelmsfeld
Ein Ort, der gleichermaßen für Naturfreunde wie für Erholungssuchende zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis ist.

Von Julia Scholz
Die junge Hafenstadt Wilhelmshaven an der niedersächsischen Nordseeküste ist mit der richtigen Bekleidung zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis. Kaum aus dem Zug gestiegen, empfängt uns eine steife, salzige Brise. Während ich glücklich einen tiefen Atemzug nehme, fragen die Kinder: "Windet es hier immer so arg?"
Neugierig und ganz im Sinne einer Postkarte aus dem Museumsshop "Leben kurz, also Meer", wollen wir das Wattenmeer kennenlernen und mit etwas Glück auch Schweinswale sichten. Das Fernglas ist dabei. Die einzige in Deutschland beheimatete Walart kommt in den Monaten April bis Juni auf Nahrungssuche an den Jadebusen. 2017 führte man deshalb die Schweinswaltage ein. Es gibt öffentliche Vorträge, Beobachtungsposten und Boots-Ausfahrten durch das Unesco-Wattenmeer-Besucherzentrum. Wir melden uns für die Wattexkursion "Südstrand-Safari" an.
Neun Uhr am Wattenmeer-Zentrum – die Teilnehmer bekommen Gummistiefel und Kescher, um unter der Anleitung von Lennart Barke das Watt am Südstrand zu untersuchen. Er ist Mitarbeiter in der Bildungsarbeit des Wattenmeer-Besucherzentrums. Der Umweltpädagoge führt die Gruppe über den Damm auf den freigelegten Meeresboden. Was eben noch wie eine graue, leere Fläche wirkte, ist voller Leben: Austern, Herzmuscheln, Garnelen, Krebse. Lennart bringt uns vieles bei, zum Beispiel, dass Krebse verlorene Scheren oder Beine nachwachsen lassen können und das man das Alter von Herzmuscheln – ähnlich den Baumringen – anhand der Linien auf ihrer Schale ablesen kann. Die Kinder sind mit allen Sinnen dabei und nehmen begeistert kleine Strandkrabben und sogar Wattwürmer auf die Hand.
Plötzlich – eine Rückenflosse! Ein Schweinswal gleitet durch das auflaufende Wasser, keine fünfzehn Meter entfernt. Verzaubert beobachten wir ihn beim Auf- und Abtauchen. Die ungeplante Walsichtung bleibt unsere einzige.

Abends beim Erkundungsspaziergang entlang der "Maritimen Meile", muss ich feststellen, dass hier der Wind zum Stehen kommt. Wir überqueren die Deichbrücke und schlendern am Bontekai entlang – vorbei am "Theater am Meer", dem Küstenmuseum und dem fest verankerten Feuerschiff Norderney. Das "Schröder Tingel Tangels Ahoi" ist so einladend, dass wir es sofort ausprobieren. Wir versinken in den Strandkörben mit frittiertem Fisch und Krabbenbrötchen und genießen die Abendsonne.
Von hier hat man einen tollen Blick auf die ehrwürdige Kaiser-Wilhelm-Brücke, welche seit dem Jahr 1907 die Südstadt mit der Südstrandpromenade verbindet. Nach Einbruch der Dunkelheit erstrahlt sie im Licht von Kandelabern und zahllosen LEDs – ein bisschen wie eine Mini-Manhattan-Bridge.
Am anderen Ufer, keine zwei Minuten entfernt, lockt die Südstrandpromenade und das Meer. Dort befinden sich das Strandbad, Hotels, Restaurants, ein Teehäuschen, das Wattenmeer-Besucherzentrum und ein Aquarium.
Bei einem Eis blicken wir von der Promenade über das Mäuerchen und die davorliegende Deichwiese, auf der zwischen Mai und September Strandkörbe stehen. Darunter erstreckt sich der durch Ebbe freigelegte Meeresboden.
Auf unserer täglichen Runde entlang der Promenade begegnen wir auch Wilhelmshavener "Urgesteinen" – hier geboren, aufgewachsen und inzwischen pensioniert. "Moin", begrüßt uns das Paar lächelnd und beglückwünscht uns zu unserer Unterkunft. "Ach in diesem schönen Hotel wohnen Sie?" Das Atlantik – so etwas wie das Wohnzimmer der Stadt, wo man Geburtstage, Hochzeiten und andere große Momente feiert. Auf dem künstlich aufgeschütteten "Grotendamm" liegt es einem großen Luxusschiff gleich zwischen Banter See und Hafenbecken und sorgt für mondänen Schwung.
Der Damm selbst ist Zeugnis unmittelbarer Nachkriegsereignisse. Die britischen Alliierten verlangten, dass die Durchfahrt zum Becken des ehemaligen Kriegs- und U-Boothafens im Zuge der Entmilitarisierung durch einen Damm zugeschüttet wird. So entstand der Banter See, der heute als Naherholungsgebiet diverse Wassersportvereine, Kleingartensiedlungen und ein Strandbad beheimatet. Praktischerweise ist diese Wasserfläche von den Gezeiten entkoppelt. So kann man hier bei gutem Badewetter auch bei Ebbe schwimmen. Ein Fuß- und Radweg führt um den See, an dessen Nordseite von April bis September eine geschützte Flussseeschwalben-Kolonie zu beobachten ist. Aus ihrem afrikanischen Winterquartier zurückgekehrt, brüten die Zugvögel hier den Nachwuchs aus. Auf Höhe des Kanu- und Segelsportverein kann man vom See-Rundweg auch auf den 100 Metern darüber gelegenen Dammweg wechseln. Den grünen Wall beweidet eine neugierige Schafherde. Von hier kann man weit über den Jadebusen und zum Leuchtturm Arngast blicken und dabei tief durchatmen. Denn: "Leben kurz, also Meer".
Infos:
Anreise: Mit der Bahn: Fahrtzeit mit 2 Umstiegen ca. 6,5 - 7 Stunden, Frühbucher-Sparpreis ab ca. 59 Euro/ Erwachsener 2. Klasse, 95 Euro/ Erwachsener 1. Klasse
Mit dem Auto: ca. 5,5 Stunden reine Fahrtzeit.
Übernachten: Hotel Atlantik; EZ ab 169 Euro, DZ ab 199 Euro, Zustellbett 30 Euro pro Tag, Preise inklusive des hervorragenden Frühstücksbuffets und Nutzung des Wellness-Bereichs.
Ausflugstipps: Wattenmeer Besucherzentrum; Öffnungszeiten Dauerausstellung April-Oktober, tägl. 10-17 Uhr, Eintrittspreis Familienkarten je nach Personenzahl 19-31 Euro, naturkundliche Exkursionen wie die "Südstrandsafari" oder geführte Wattwanderungen, mehr unter: www.wattenmeer-besucherzentrum.de
Schweinswaltage über 11 Tage im Frühjahr, April/ Mai mit Info-Stand an der Südstrandpromenade und Naturerlebnisveranstaltungen & Bootsausfahrten (Fernglas nicht vergessen): www.schweinswaltage.de
Zugvogeltage: 11. bis 19. Oktober 2025, Veranstaltungsprogramm: www.zugvogeltage.de
Küstenmuseum mit Dauerausstellung zur Stadt- und Siedlungsgeschichte und dem Feuerschiff Norderney am Bontekai: Eintritt Familienkarte 12,50 Euro, mit Feuerschiff zusätzlich 12,50 Euro, Öffnungszeiten Di - So, 11-17 Uhr
Aquarium: Eintritt Erwachsene 20 Euro, Kinder 14 Euro, Öffnungszeiten tägl. 10-18 Uhr, www.aquarium-wilhelmshaven.de
Deutsches Marinemuseum, Eintritt z. B. Familienkarte 41 Euro plus optionale Themenführungen oder Hafenrundfahrten buchbar, Öffnungszeiten tägl. 10-18 Uhr,
MS Harlekurier Boots-Ausfahrten, wie Hafenrundfahrten (1,5 Stunden für 44 Euro Familienkarte) oder Nationalpark-Erlebnisfahrten (Familienkarte 1,5 Stunden für 65 Euro), Info: www.reederei-warrings.de