Historisches /Norditalien

Juwel zwischen Adria und Hügel

Padua hat seinen mittelalterlichen Stadtkern größtenteils bewahrt. Im anatomischen Theater lässt sich die Bedeutung der Universität für medizinische Lehre erahnen.

11.07.2024 UPDATE: 13.07.2024 11:57 Uhr 2 Minuten, 53 Sekunden
Der Prato della Valle (Talwiese) ist ein idyllischer Park und meist Dreh- und Angelpunkt eines Padua-Besuchs. Foto: Junker

Von Uwe Junker

Morgens auf dem Platz

Eine Schulklasse versammelt sich lautstark am zentralen Springbrunnen. Zwei alte Männer, die für die Abwechslung dankbar sind, beobachten sie von einer Bank aus. Junge Liebende schmiegen sich zwischen pompösen Statuen unter schattenspendenden Bäumen aneinander. Erste Touristen durchqueren den Park von Süd nach Nord Richtung historisches Zentrum. Der elliptisch angelegte Prato delle Valle (Talwiese) ist Dreh- und Angelpunkt eines Padua-Besuchs und auch gleich ein architektonisches Highlight: Den inneren Kern bildet die Insel Memmia mit ihrem Springbrunnen. Eingerahmt wird sie von 78 lebensgroßen Statuen. Die wurden im 18. und 19. Jahrhundert von unterschiedlichen Bildhauern geschaffen und sind bedeutenden Persönlichkeiten Paduas gewidmet. Außen säumen ihn prächtige Stadthäuser, die Abbazia di Santa Giustina und Geschäfte.

Hintergrund

INFORMATIONEN

Anreise ab Heidelberg: Mit dem Auto über Stuttgart, Innsbruck, Trient, 778 Kilometer, ca. neun Stunden. Mit der Bahn über Stuttgart, München und Verona, Fahrtzeit ca. zehn Stunden.

Weitere Infos:

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INFORMATIONEN

Anreise ab Heidelberg: Mit dem Auto über Stuttgart, Innsbruck, Trient, 778 Kilometer, ca. neun Stunden. Mit der Bahn über Stuttgart, München und Verona, Fahrtzeit ca. zehn Stunden.

Weitere Infos: Tourist Information Office am Hauptbahnhof, Piazzale della Stazione 14: 
www.turismopadova.it   

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Zwischen Himmel und Hölle - Giottos Meisterwerk

Die Capella della Scrovegni fasziniert: Beginnend beim Gottesvater in einem Triumphbogen zieht sich ein Freskenzyklus zur rechten, dann zur linken und dann zurück über den Bogen wieder zur rechten Wand. Giotto di Bondone greift das Thema des menschlichen Heilweges im Mittelalter auf. Am Ende sind in Augenhöhe des Betrachters die Laster und die Tugenden der Menschheit als Gegensatzpaare zu sehen. Abschließend soll der Betrachter seinen Blick auf das Jüngste Gericht richten, das an der Ausgangswand der Kapelle dargestellt ist.

Es scheint so, als habe Giotto mit diesem thematischen Aufbau ganz im Sinne seines Auftraggebers, des Bankiers Enrico Scrovegni, gehandelt. Denn der wollte mit der Errichtung der Kapelle Fürbitte leisten für die Seele seines verstorbenen Vaters, eines berüchtigten Wucherers von so zweifelhaftem Bekanntheitsgrad, dass Dante ihn gar in seiner "Göttlichen Komödie" erwähnte und in die Hölle verbannte.


Die Erschaffung der Welt

Das Battisterio, die Taufkapelle des Doms von Padua ist Johannes dem Täufer gewidmet. Giusto de’ Menabuoi hat hier ein weiteres Meisterwerk der Kunstgeschichte erschaffen. Seine einzigartigen Fresken stellen neben dem Leben Johannes des Täufers die Kerninhalte der Apokalypse und der Evangelien dar. Wer sich Zeit nehmen und chronologisch vorgehen möchte, liest die Fresken von oben nach unten. Dabei hilft ein Audioguide auch in deutscher Sprache. Von der großen Kuppel blickt Christus Pantokrator aus dem Paradies hinab, von Heiligen kreisförmig umringt. Der Tambour zeigt Szenen von der Erschaffung der Welt aus dem Alten Testament. Gott sitzt dabei von Engeln umgeben auf Wolken. Menabuoi hat die Erde hier rund dargestellt und damit den Irrglauben widerlegt, dass die Menschen im Mittelalter davon überzeugt gewesen wären, die Erde sei eine Scheibe.


Die Marienkrönung als Dreifigurengruppe ist im Palazzo della Ragione zu bestaunen. Foto: Junker

Alchemie und Religion

Unten lecker speisen und oben mittelalterliche Malkunst bewundern: Diese einzigartige Mischung bietet der Palazzo della Ragione an der Piazza delle Erbe. In der Markthalle und ihren sich auf die Piazza ausdehnenden Restaurants lassen sich frisch zubereitete regionale Gerichte wie zum Beispiel Sarde in Saor (mit Zwiebeln marinierte süßsaure Sardinen), Gallina Padovana (gegrilltes oder gebratenes Paduaner Huhn) oder die Nudelspezialität Bigoli genießen. Carne di Musso, geschmortes Eselfleisch oder Figadei, Wurst aus Schweineleber und -lunge mit Gewürzen im Naturdarm werden wohl eher einheimische Gaumen ansprechen.

Im Salone im ersten Stock fasziniert farbenprächtige Malerei des Mittelalters. Sie vereint astrologische, religiöse und alchemistische Elemente. Eine für diese Zeit durchaus typische Mischung: Naturwissenschaftliche Forschung wie die Alchemie wurde oft von Nonnen oder Mönchen betrieben und in einen religiös-astrologischen Kontext eingebettet.

Kulturhistorisch bedeutsam ist die auf der vom Eingang gesehen rechten Seite dargestellte Marienkrönung als Dreifigurengruppe mit Gottvater, Maria und Jesus ohne die Taube als Symbol für den Heiligen Geist. Sie gilt als früheste Marienkrönung dieser Art und wurde wenig später auch vom alchemistisch tätigen deutschen Mönch Ulmannus in sein Werk "Das Buch der Heiligen Dreifaltigkeit" übernommen.


Anatomieunterricht mit Livemusik

"Hier unten, wo wir jetzt gerade stehen, lag der Leichnam der gerade seziert wurde. In den untersten Stuhlreihen sorgte ein Streichorchester mit munteren Klängen dafür, dass keine düstere Stimmung aufkam", erklärt Luisa, die durch das historische anatomische Theater von Padua führt. Von hier windet sich das hölzerne Gestühl in einer engen Spirale nach oben. Luisa geleitet die Gruppe in einen mit schweren Holztischen und ausladenden Lederstühlen möblierten Hörsaal, dessen Wände anatomische Zeichnungen zieren. "Für den alltäglichen Lehrbetrieb wird der Raum nicht mehr genutzt, aber für Feierlichkeiten anlässlich Studienabschluss oder Promotion regelmäßig. Unsere medizinische Fakultät genießt bis heute international einen ausgezeichneten Ruf", berichtet sie stolz.

Stimmt! Bis heute zieht es so manchen Numerus-Clausus-Flüchtling aus Deutschland hierher. Und der wird vielleicht bei einem seiner ersten Spaziergänge im beeindruckenden "Musme", dem interaktiven Museum für Geschichte der Medizin, in Padua landen und feststellen, dass er die richtige Mischung aus wissenschaftlicher Reputation und lebenswerter Stadt gefunden hat.