Blåvand/Dänemark

Hygge statt Hetze an der Nordsee

In Blåvand gibt es nicht nur Dünen und 40 Kilometer Sandstrand. Ehemalige Nazi-Bunker und ein Flucht-Museum in Oksbøl erinnern an die Geschichte.

12.11.2022 UPDATE: 12.11.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden
Blick auf die Dünen, das Meer und den Leuchtturm von Blåvand. Der Turm Blåvandshuk Fyr ist 39 Meter hoch. Foto: Getty

Von Katharina Eppert

Hier wohnt man nicht (nur), hier macht man Urlaub, lässt die blanken Füße durch den feinen weißen Sand gleiten – 40 Kilometer Strand –, wärmt sich in der Sonne auf und kühlt sich mit einem traditionell dänischen Softeis mit einem Schlag klebrigem Erdbeerschaum wieder ab. Willkommen in Blåvand! Der Ort an der Westküste Jütlands zählt gerade mal 200 Einwohner, aber mehr als 2000 Ferienhäuser. Kein Wunder, dass es dort in den Sommer- und vor allem Ferienwochen vor Familien mit Kindern, Paaren und guter Laune nur so wimmelt. Und dennoch kann man sich in der Natur wunderbar aus dem Weg gehen – dichte Handtuchreihen am Strand muss man hier nicht fürchten und überhaupt liegt der Schwerpunkt nicht auf dem Liegen, sondern dem Gehen.

Vier ehemalige Nazi-Bunker wurden zu Kunstwerken umgestaltet, den „Muldyr Bunkerne“. Foto: Katharina Eppert

Spaziergänge durch Sand und Dünen versetzen einen in Hygge statt Hetze. Der dänische Terminus "Hygge", für den es im Deutschen kein passendes Äquivalent gibt, wird hier erfahrbar. Nicht nur in der Natur. Es ist die Offenheit der Dänen, die gelassene, freundliche Art, die einen runterbringt. Ja, hier sorgen Natur und Lebensweise für Entspannung, selbst wenn die Nordsee mal wieder ungehalten tost.

Hintergrund

Anreise: Mit dem Auto von Heidelberg nach Blåvand in circa 9,5 Stunden. Alternativ mit dem ICE nach Hamburg in circa 5 Stunden, danach mit dem Mietwagen (z.B, Europcar) weiter nach Blåvand (knapp vier Stunden).

Unterkunft: Traditionell macht man in Dänemark

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Anreise: Mit dem Auto von Heidelberg nach Blåvand in circa 9,5 Stunden. Alternativ mit dem ICE nach Hamburg in circa 5 Stunden, danach mit dem Mietwagen (z.B, Europcar) weiter nach Blåvand (knapp vier Stunden).

Unterkunft: Traditionell macht man in Dänemark Urlaub in einer Ferienwohnung, unter www.lalandia.dk/de

Unbedingt machen: Das neu eröffnete Flüchtlingsmuseum in Oksbøl besuchen, Tickets: ca. 21,50 Euro. https://flugtmuseum.dk/de/. 18 Löcher zwischen Dünen und Wasser. Wer gerne golft, sollte beim Blåvandshuk Golfklub aufschlagen, https://www.blaagolf.dk/blaavandshuk-golfcenter-deutsch/Kurbad Fjordgaarden, Spa und Wellness bietet das Kurbad Fjordgaarden, inkl. beheiztem Rooftop-Pool, Unbedingt machen: Einen Ausflug in die Hafenstadt Hvde Sande und Erdbeertörtchen probieren, https://hvidesandebageri.dk/

Weitere Infos: https://www.visitvesterhavet.de/nordsee/unsere-staedte/erleben-hvide-sande

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Langweilig wird es dennoch nicht. "Abenteuerland" nannte der Dichter Thomas Lange die Gegend um Blåvands Huk. Der 39 Meter hohe Leuchtturm Blåvandshuk Fyr markiert auch Dänemarks westlichsten Punkt, heute ist hier die Touristeninformation untergebracht. Als Dänemark 1995 den 50. Jahrestag der Befreiung feierte, entstanden auch vier Kunstwerke am Strand von Blåvand. Der britische Künstler Bill Woodrow hatte die Idee, die Bunker zu Maultieren umzugestalten. Denn die Tiere sind eine Kreuzung aus Pferdestute und Eselhengst . Das Besondere an Maultieren ist demnach, dass sie sich selbst nicht vermehren können. So soll sich auch das Leid, das die Besatzungszeit mit sich brachte, nicht mehr vermehren.

Geschichtsträchtig ist auch das Thema, das sich Oksbøl auf die Fahnen geschrieben hat. Museumsleiter Claus Kjeld Jensen steht auf einem Friedhof – kein gewöhnlicher. 1800 Grabsteine stehen hier, auf denen alle deutsche Namen verewigt sind, das Geburts- und Sterbedatum lagen manchmal nur wenige Jahre auseinander. Als gegen Ende des Zweiten Weltkrieges die Sowjets vordrangen, gab Hitler den Befehl, vor allem deutsche Frauen und Kinder über die Ostsee nach Dänemark zu schaffen. Oksbøl wurde zu einem der größten Flüchtlingslager auf dänischem Boden, so Jensen. 36.000 Deutsche lebten hier zu Spitzenzeiten. "Innerhalb von nur einem halben Jahr entstand hier die fünftgrößte Stadt Dänemarks", erzählt Claus Kjeld Jensen: eine Stadt mit eigener Schule, eigenem Krankenhaus und eigenem Theater. Eine Stadt hinter Stacheldraht. Nach Kriegsende herrschte bei den Dänen zunächst große Angst vor den Deutschen und auch davor, dass die deutschen Frauen nun dänische Ehemänner "unter ihre Fittiche nehmen".

Doch die Bemühungen auf deutscher und dänischer Seite sorgten dafür, das dunkle Kapitel der Weltgeschichte positiv in die Zukunft zu wenden und den damaligen Ort des Flüchtlingslagers als Grundstein für ein Museum zu nutzen: gegen das Vergessen. Museumsdirektor Jensen erklärt, dass das Thema Flucht aktueller denn je ist. Warum fliehen Menschen? Warum verlassen sie ihre Heimat? Überleben sie? Das vom Büro des Stararchitekten Bjarke Ingels entworfene und 2022 eröffnete "FLUGT" bietet viele interaktive Ausstellungen. Finanziert wurde dieses Projekt dabei von Deutschland und Dänemark. Jensen betont, wie gut die Zusammenarbeit beider Nationen ist: "Als ob nie etwas gewesen wäre." Zwischen Strandspaziergang und Museumsbesuch darf ein Stückchen Jordbærtærte (Erdbeerkuchen) aber nicht fehlen, alternativ schnappt man sich ein Hotdog mit Röstzwiebeln an der nächsten Strandbude. Auch sehr skandinavisch!

Bei Sturm und Regen kann man indessen im Kurbad Fjordgaarden entspannen. Mit dem Auto etwas mehr als einen Stunde von Blåvand entfernt, erwarten einen gemütliche Stunden im Whirlpool und in der Sauna. Einen herrlichen Ausblick (auch aus dem Auto) bietet dabei das Hafenstädtchen Hvde Sande. Ein Zwischenstopp wird wärmstens empfohlen!