Ausstellung "UFFRUR"

500 Jahre Bauernkrieg in Oberschwaben

Bis zum 5. Oktober 2025 ist die Ausstellung "UFFRUR" im Kloster Schussenried zu sehen.

16.05.2025 UPDATE: 17.05.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 58 Sekunden
Die Besichtigung der Burg  Schloss Waldburg ein Erlebnis für die ganze Familie. Foto: Oberschwaben Tourismus GmnH/ Florian Trykowski

Von Ingeborg Salomon 

Es hätte ein Gründungsdokument der deutschen Demokratie sein können: In den "Zwölf Artikeln" von Memmingen formulieren Mitte März 1525 Bauernvertreter aus ganz Oberschwaben ihre Forderungen; dafür waren sie zu kämpfen bereit. "Dass wir frey seyen und seyn wollen" heißt es da im dritten Artikel. Das war ein Paukenschlag gegen Adel und Klerus, zumal sich die Propagandaschrift rasend schnell verbreitete. Dank der Erfindung der Druckerpresse rund 80 Jahre zuvor waren bald 25.000 Exemplare in Umlauf – und die Obrigkeit entsprechend alarmiert. Mit vielen Ausstellungen und Aktionen erinnert vor allem die Region Oberschwaben an die Bauernkriege, und da das Allgäu mit seiner sanft geschwungenen Hügellandschaft und seinen prächtigen Barockkirchen ein attraktives Reiseziel ist, lohnt sich ein Besuch gleich mehrfach.

Ein guter Ausgangspunkt ist Bad Schussenried. Im hiesigen Kloster ist bis 5. Oktober die Große Landesausstellung "Uffrur!" zu sehen; rund 2,7 Millionen hat sie gekostet, finanziert von Land, Bund und Sponsoren. Authentischer könnte der Veranstaltungsort nicht gewählt sein, denn das Prämonstratenserkloster Schussenried war im März 1525 selbst Schauplatz des Bauernkriegs, es wurde geplündert und erst rund 200 Jahre später in seiner heutigen Fassung wieder aufgebaut. Besucher sollten unbedingt einen Blick in den barocken Bibliothekssaal werfen, in der Licht durchfluteten Pracht aus Blau und Gold sind Kulturveranstaltungen ein ganz besonderes Erlebnis.

Das gilt auch für die Ausstellung: Auf rund 900 Quadratmetern werden 160 Originalexponate nicht nur in Vitrinen präsentiert, Kurator Marco Veronesi geht mit der Zeit und setzt KI ein. So tritt dem Besucher Sebastian Lotzer, Verfasser der "Zwölf Artikel", als Avatar entgegen, und erklärt, warum die Bauern es jetzt endgültig satthaben, Leibeigene zu sein. Auch der fränkische Ritter Götz von Berlichingen, der einige Wochen Hauptmann der Neckartaler und Odenwälder Bauern war, begleitet die Besucher; eine Kopie seiner eisernen Hand sowie eine Reclamausgabe des Goethe-Dramas machen seine Person lebendig.

Die Ausstellung räumt gründlich mit verschiedenen Mythen auf und zeigt, dass die Bauer keineswegs im kratzigen Rupfenhemd mit Mistgabeln bewaffnet aufs Schlachtfeld zogen. Manche seien so vermögend gewesen, dass sie sich Kriegswaffen wie Lanzen und Speere leisten konnten. Und eine rein männliche Revolte war der Bauernkrieg auch nicht: Die Stuttgarterin Magdalena Scherer, die vermutlich ein Badehaus betrieb, solidarisierte sich öffentlich mit den Bauern. Auch Margarete Renner, eine verwitwete Bäuerin aus Böckingen, war mutig genug, sich mit dem Heilbronner Rat wegen Abgaben und Steuern anzulegen. Sie sind ebenfalls als digitale Protagonistinnen zugegen, nicht lebensecht und historisch korrekt, sondern in "Moderner Ästhetik", wie Veronesi betont.

Der Bauernkrieg scheiterte, menschliche Überreste aus einem Massengrab bei Leipheim sind Zeugnis von der brutalen Gewalt, die im 16. Jahrhundert ganz normal war. Zwischen 50.000 und 70.000 Opfer habe der Aufstand gefordert, so Veronesi. Alles vergebens? "Werden wir vergessen?", fragt der Schauspieler Herbert Knaup in der Rolle eines Bauern in einem Video im letzten Saal der Ausstellung.

Bei der Eröffnung der großen Landesausstellung im Kloster Schussenried wurde das Lagerleben mit Landsknechten und Söldnern nachgestellt. Foto: Oberschwaben Tourismus GmbH

Das werden sie nicht, wie auch im Bauernhaus-Museum in Wolfegg sehr deutlich wird. In der historischen Zehntscheuer des Klosters Weissenau – wo die Bauern einst ihre Abgaben abliefern mussten – werden Hintergründe, Ereignisse und Folgen sehr anschaulich dargestellt. "Diese Scheuer wurde 1430 erbaut und ist ein Symbol der Feudalherrschaft", unterstreicht Museumsleiterin Dr. Tanja Kreutzer. Im Blick hat sie vor allem junge Besucher, denen die Ausstellung ein Gefühl für die Lebensumstände im 16. Jahrhundert geben will.

An einer Hörstation schimpfen zwei Kislegger Bauern in schwäbischem Dialekt sehr handfest auf die Obrigkeit, allen voran Georg III. Truchsess Freiherr zu Waldburg. Sein Spitzname "Bauernjörg" ist etwas irreführend, denn der hochrangige Adlige ist als Feldherr des Schwäbischen Bundes (einem Zusammenschluss von Fürsten, Adligen und Reichsstädten) beauftragt, den Bauernaufstand niederzuschlagen. Wenn die Besucher durch das 15 Hektar große Museumsdorf, das unabhängig von der Ausstellung einen Besuch wert ist, streifen, haben sie Schloss Wolfegg im Blick, wo die Nachfahren des Bauernjörg heute noch leben: In der Familie von Fürst Johannes von Waldburg-Wolfegg-Waldsee steht bald ein Generationenwechsel an, und das wird spannend für Max Haller, den Pächter von Schloss Waldburg.

Das ist immer noch im Besitz der fürstlichen Familie, aber vor 25 Jahren haben Haller und seine Frau die Burg übernommen. Rund 35.000 Besucher kamen letztes Jahr in die "mittelalterliche Erlebniswelt", wie Haller das privat geführte Museum bezeichnet. Gerne führt er Besucher auf den Turm, wo sich aus 772 Metern Höhe ein unvergleichlicher Rundumblick von den Allgäuer Alpen bis zum Bodensee und zum Berner Oberland bietet.

Im Inneren ist das Mittelalter in sämtlichen Facetten präsent, gezeigt wird hier die adlige Lebenswelt, von der Prunkrüstung bis zum Rittersaal, vom spätgotischen Altar bis zum Himmelbett. Auch ein Porträt des Bauernjörg blickt aus einem üppigen Goldrahmen, "eine vielschichtige Persönlichkeit", so Haller. Als glänzender Stratege habe er nicht nur die Aufständischen niedergeschlagen, nach dem Krieg habe er auch versucht, durch eine umsichtige Verwaltung die Bauern zu befrieden.

Da der Bauernjörg ein echter Waldseer war, wird auch hier an ihn erinnert. Im historischen Rathaus ist seine Vita aufbereitet, Auszüge aus der Weißenauer Chronik sind ebenfalls zu sehen. Für heutige Betrachter erinnert das zeitgenössische Dokument des damaligen Abts Jakob Murer an ein Wimmelbuch, schildert es doch ungewöhnlich detailreich die Ereignisse in Oberschwaben. Beigesetzt ist Jörg Truchsess von Waldburg in der Familiengruft der Kirche St. Peter.

Dass nach 500 Jahren so intensiv an die Bauernkriege erinnert wird, liegt wohl in der Überzeitlichkeit, die in der Forderung nach "Freiheit" liegt. Der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau hat die Zwölf Artikel im Jahr 2000 gewürdigt: Artikel 1 des Grundgesetzes "Die Würde des Menschen ist unantastbar" sei auch ein fernes Echo der Bauernartikel. Daran zu erinnern, ist also sehr zeitgemäß.


> Infos: 

> Anreise: Von Heidelberg geht es nach Bad Schussenried bequem mit dem Deutschlandticket über Karlsruhe und Stuttgart in etwa 3,5 Stunden. Mit dem Auto über A5, A8 und B30 bis Ausfahrt Bad Saulgau / Bad Schussenried, rund 270 Kilometer, stark Stau gefährdet.

> Übernachten: Direkt gegenüber einer prachtvollen Dorfkirche bietet der "Landgasthof zur Linde" modernen Komfort bei ländlicher Behaglichkeit. 1609 vom damaligen Prämonstratenser-Kloster erbaut, ist das Haus ein Meisterwerk des süddeutschen Rokokos und wird seit 1889 von Familie Heinzelmann geführt. DZ mit üppigem Frühstück ab 110 Euro: www.zur-linde-steinhausen.de 

Unbedingt besuchen: Landesausstellung "Uffrur!" im Kloster Schussenried, Öffnungszeiten und Eintrittspreise unter: www.kloster-schussenried.de 

Sonderausstellung "Bauernkrieg in Oberschwaben", Bauernhaus Museum in Wolfegg:

www.bauernhaus-museum.de 

Schloss Waldburg, Parkplatz: Amtzeller Str. 7 in Waldburg, von da rund 15 Minuten zu Fuß. Öffnungszeiten und Preise unter: www.schlosswaldburg.de 

Weitere Infos: www.oberschwaben-tourismus.de