Von Harald Berlinghof
Es gibt Fernsehsätze, die sind wie in Stein gemeißelt. Zum Beispiel "Harry, hol schon mal den Wagen" von Kommissar Derrick. Von dem oft behauptet wird, er sei nie gesagt worden. Ganz sicher gehört aber ebenfalls zu den faszinierendsten Sätzen der Fernsehgeschichte "Beam me up Scotty". Aber auch hier gilt. Exakt in dieser Form kam der Satz Captain James Tiberius Kirk in keiner der TV-Serienfolgen von Raumschiff Enterprise und in keinem der Star-Trek-Kinofilme je über die Lippen.
"Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre unterwegs ist, um fremde Galaxien zu erforschen". "Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen." Halt, Stopp. Da vermischt sich doch etwas, was nicht zusammen gehört. Richtig. Die ersten Sätze stammen vom gesprochenen Einleitungstext der Serie Raumschiff Enterprise und die letzten von der deutschen Science-Fiction-Serie "Raumpatrouille".
Jener James T. Kirk, alias William Shatner, der in den Star Trek Filmen und 79 TV-Folgen den Captain der Enterprise spielte, und der dort jung und elastisch hinter Klingonen und hübschen Frauen her war, wurde am 22. März diesen Jahres 85 Jahre alt. Und am 8. September 1966, also vor 50 Jahren ging die Enterprise mit ihren heute weltbekannten Protagonisten erstmals im amerikanischen TV auf große Fahrt. Was Gene Roddenberry den Erfinder des Science-Fiction-Spektakels zum reichen Mann machte.
Doch die Enterprise war nicht das einzige Raumschiff, das vor 50 Jahren den TV-Weltraum erkundete. Ganze neun Tage nach der Enterprise in den USA startete im deutschen Fernsehen erstmals das Raumschiff Orion von seiner Unterwasserbasis ins Weltall. Zwar nur in Schwarz-Weiß, während die Enterprise schon in Farbe über die Bildschirme flimmerte, und nur mit einem Bruchteil des Produktionsbudgets der Star Trek Mannschaft, aber nicht minder faszinierend. Commander Cliff McLane, gespielt von Dietmar Schönherr, war bei den weiblichen Crewmitgliedern nicht minder begehrt als Kirk bei den Planetengirls.
In den USA war es alles andere als einfach die Fernsehsender davon zu überzeugen, dass die Star Trek-Serie kommerziell erfolgreich sein könnte. Den Sender NBC konnte der Drehbuchautor schließlich dazu überreden, seine Serie ins Programm zu hieven. Ein Pilotfilm mit dem Titel "The Cage" wurde noch mit dem nachdenklichen Captain Pike gedreht, aber nicht ausgestrahlt. Der Film galt in den 1980er Jahren als verschollen, wurde dann aber 1994 im deutschen Privatfernsehen gesendet. Die TOS-Serie (The Original Series) startete dann mit dem Draufgänger und Frauenhelden James T. Kirk. Die komplette Crew der Ur-Enterprise des ersten Pilotfilms wurde ausgewechselt, bis auf einen: Den Halb-Vulkanier Spock. Der war einfach zu gut.
Das ZDF reagierte damals als erster deutscher Sender und sicherte sich 1972 für 39 der 79 TOS-Folgen die Senderechte. 33 der 39 Folgen wurden geschnitten. Dort erhielt die Star Trek-Serie einen neuen Namen: Raumschiff Enterprise lautet der deutsche Serientitel der Orginal- Serie (TOS).
Es folgten uninspirierte Trickverfilmungen, und 178 Folgen des "Nächsten Jahrhunderts" (TNG - The next generation), 175 Folgen von Deep space nine (DS9) und schließlich 172 Folgen bis 2001 mit dem Nachfolger-Rraumschiff Voyager (VOY). 98 Folgen der neuen Star Trek - Enterprise Serie (ENT) spielen 100 Jahre vor den TOS-Folgen. Star Trek Discovery soll ab 2017 anlaufen.
Die deutsche Serie "Raumpatrouille" brachte es nur auf sieben Folgen, weil die Finanzmittel der Produktionsfirma nicht mehr ausreichten. Dabei war man schon bei der Ausstattung der Orion einem enormen Spardruck ausgesetzt. Was allerdings ungeahnte kreative Prozesse auslöste, denn 22 Bleistiftspitzer und ein Rowenta-Bügeleisen wurden zu Bedienelementen im Kommandostand des Raumschiffs. 3200 Glühlampen sorgen für futuristisches Licht. Die Titelmelodie und die futuristischen Tänze im Starlight Casino, das am Meeresgrund angesiedelt war, wurden zum TV-Kult.
"Worp drei" lautete die Anweisung von Kirk. "In Ordnung, worp drei", war die lapidare Antwort von Chefpilot Sulu (Japaner) oder später von Chekov, dem Russen. Und weg war sie die Enterprise in einem feurigen Strich, dem nicht einmal die bösen und gefährlichen Klingonen mit ihren "Bird of Prey"-Schiffen folgen konnten. Beim Beamen hieß es: "Energie ab", zwei Hebel wurden auf der blinkenden bunten Armatur nach unten geschoben und schon begannen die Besatzungsmitglieder zu flimmern und verschwanden von Bord. Gleichzeitig tauchten sie auf der Oberfläche des Planeten, den man besuchen, retten oder von tyrannischen Machthabern befreien wollte, wieder auf. Oft genug warteten neben gefährlichen Monstern (manche auch in Menschengestalt) auch verführerische Frauen auf Kirk und Spock. Bei Spock freilich bissen sie immer wieder auf Granit. Bei Kirk allerdings nicht.
Aber wie machten sie das mit dem worp-Antrieb oder das mit dem beamen? Das wurde immer unter den Fans diskutiert. Insbesondere bei den Trekkies, wie sich die Fans der Serie selbst bezeichnen. Und nicht nur dort. Auch Wissenschaftler setzten sich mit der Technik der Serie auseinander - nicht ganz ernst gemeint, aber durchaus unterhaltsam.
Einer der sich einen Namen damit gemacht hat ist Metin Tolan. Dabei setzt der Physikprofessor vor allem auf seine Fähigkeit, Naturgesetze, die nicht außer Kraft gesetzt werden können, unterhaltsam und verständlich zu vermitteln. Die Titanic war keineswegs unsinkbar und James Bond ist ein Supermann, der im Film alles kann. Auch vieles, was laut Newton gar nicht geht.
Und dann errechnet der Mann, dass die Enterprise samt Besatzung 158 Kilogramm wiegt. Nun, da hätte man als Fan doch etwas anderes erwartet. Wie kommt der Bursche nur dazu, so etwas zu behaupten? Ganz einfach: Kraft = Masse mal Beschleunigung - eines dieser Naturgesetze, die überall im Universum gelten. Sagen zumindest irdische Wissenschaftler. In einer Folge ziehen zwei Raumfähren die Enterprise in zehn Sekunden mit einer Beschleunigung von 0,316 Meter/Sekunde indem sie 25 Newton Kraft einsetzen. Ein Physiker kann aus solchen Angaben die Masse des Raumschiffs errechnen: 158 Kilo.
Da haben die Macher der Serie offenbar nicht ganz aufgepasst. Beim Worp-Antrieb stellt der Physiker allerdings fest, dass da erstaunliche Kenntnisse von Albert Einstein in der Serie verwoben sind. Mit Unterlichtgeschwindigkeit lässt sich noch nicht einmal der nächste Stern von der Erde aus erreichen. Proxima Centauri ist 4,24 Lichtjahre von der Erde entfernt. Das bedeutet, dass das Licht, das rund 300.000 Kilometer pro Sekunde zurück legt, 4,24 Jahre unterwegs ist, um dort anzukommen. Mit der Geschwindigkeit einer Mondrakete wären Menschen zu diesem Stern über 100.000 Jahre unterwegs. Mit worp3 dagegen nur etwa einen Monat.
Aber schneller als das Licht kann sich nichts bewegen, sagt Einstein. Dieses kosmische Tempolimit lässt sich nur mit einem Trick umgehen. Und zwar indem man den Raum krümmt. Versuchen wir es uns mit unserem dreidimensionalen Gehirn erst gar nicht vorzustellen. Es geht nicht. Aber mathematisch berechnen kann man es allemal. Das Prinzip geht so: Die Enterprise wird gar nicht bewegt vom Worp-Antrieb. Vielmehr wird mit einer gigantischen Menge an Energie der Raum gezielt zusammen drückt, so dass zwischen dem Start- und dem Zielpunkt keine Distanz mehr verbleibt. Nach der Ankunft lässt man den Raum einfach wieder expandieren und die Enterprise ist am Ziel.
Solche Raumzeitbladen wurden 1994 erstmals theoretisch nachgewiesen. Einen Haken hat die Sache allerdings. Schon eine Verkrümmung des Raumes um 100 Meter würde als Energieeinsatz das Zehnmilliardenfache der im gesamten Universum geschätzt vorhandenen Energie benötigen. Trotzdem, so Tolan, zeigt das Beispiel des Worp-Antriebs, dass im Star Trek Universum richtig gute Physik gemacht wird. Auch wenn wir davon noch wesentlich weiter entfernt sind als der Neandertaler von der Concorde.
Begeben wir uns in den Transporterraum zum Beamen. Der Physiker Tolan glaubt, dass das ablesen der einzelnen Atome eines Menschen - das sind immerhin rund 10 hoch 28 Atome, was einer 1 mit 28 Nullen entspricht - das voneinander trennen und am Zielort wieder zusammen bauen theoretisch möglich ist. Technologien dazu gibt es. Nur die Genauigkeit und Schnelligkeit müssten verbessert werden - eine Fleißarbeit der Wissenschaft. Allerdings, und das ist ein prinzipielles Problem: Die Heisenberg´sche Unschärferelation ist eine nicht überwindbare Hürde für das Beamen, sagt Tolan.
Und dieses Gesetz, das Heisenberg formuliert hat, ist ein Naturgesetz. Die Lösung findet sich in einem Gespräch in der 6. TNG Folge. Commander La Forge: "Alles schien normal. Und dann schienen plötzlich alle Gesetze der Physik aufgehoben". Darauf Captain Picard: "Und warum auch nicht. Diese Gesetze sind doch so lästig". Cooler geht´s nicht.