Wahrheit um die SAP-Aufsichtsratswahl wird wohl nie ans Licht kommen (Update)
Die Staatsanwaltschaft Heidelberg stellt Ermittlungen ein. Versuchter Prozessbetrug lässt sich nicht "mit der erforderlichen Sicherheit beweisen".

Von Matthias Kros
Heidelberg. Im Streit um die möglicherweise manipulierte Aufsichtsratswahl 2012 bei der Walldorfer SAP hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg ihre Ermittlungen wegen versuchten Prozessbetrugs eingestellt. Ein entsprechender Anfangsverdacht lasse sich aus heutiger Sicht nicht mit der erforderlichen Sicherheit beweisen, sagte Jonathan Waldschmidt als Sprecher der Ermittlungsbehörde am Dienstag auf RNZ-Anfrage. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg habe daher "das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten und Auswertung der Zivilakten nach Paragraf 170 Absatz 2 StPO eingestellt, da sich nach hiesiger Einschätzung nicht mit der erforderlichen Sicherheit wird beweisen lassen, dass der Beschuldigte die Urkunde unterzeichnet, beziehungsweise bewusst wahrheitswidrig deren Echtheit bestritten hat", so Waldschmidt. Unter Prozessbetrug versteht man das vorsätzliche Vorbringen einer falschen Aussage, falscher Beweismittel oder jeglicher anderer Täuschungshandlung durch eine Partei in einem Gerichtsprozess.
Die Staatsanwaltschaft hatte das Ermittlungsverfahren Ende Juni auf den Weg gebracht. Ausschlaggebend dafür war die Prozessakte gewesen, die das Landgericht Heidelberg nach der Urteilsverkündung Ende Mai an die Staatsanwaltschaft zur Prüfung weitergeleitet hatte. Daraus hatte sich ein Anfangsverdacht ergeben. In diesem Zivilprozess (Aktenzeichen 2 O 17/16), der auch einen Bezug zu den jüngsten Querelen im SAP-Betriebsrat hat, hatten sich die Beteiligten gegenseitig vorgeworfen, die Unwahrheit zu sagen. Es ging um 500.000 Euro, die ein früherer SAP-Mitarbeiter von einem erst kürzlich ausgeschiedenen Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitglied gefordert hatte. Die Summe sei vertraglich vereinbart gewesen, wenn er dem Betriebsrat bei der Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat verhelfe, hatte seine Begründung gelautet. Das Landgericht wies die Klage auf Zahlung der 500.000 Euro allerdings als sittenwidrig zurück, da ein solcher Vertrag gegen das Mitbestimmungsgesetz verstoße.
Gleichwohl hatte die Richterin in ihrem Urteil deutlich gemacht, dass die Unterschrift unter dem sittenwidrigen Vertrag laut einem Gutachten vermutlich echt sei. Der Beklagte hingegen hatte bis zum Schluss die Echtheit des Schriftzugs bestritten und sogar vermutet, dass ihm der Vertrag untergeschoben worden sein könnte. Und auch die Staatsanwaltschaft hat nun offenbar Zweifel, da sich – wie ihr Sprecher Waldschmidt formulierte – "nicht mit der erforderlichen Sicherheit wird beweisen lassen, dass der Beschuldigte die Urkunde unterzeichnet, beziehungsweise bewusst wahrheitswidrig deren Echtheit bestritten hat".
Die Wahrheit wir nun vermutlich nie ans Licht kommen, denn der Fall dürfte damit juristisch abgeschlossen sein: Das Urteil des Landgerichts Heidelberg ist inzwischen rechtskräftig. Ende Juni waren nach Auskunft einer Gerichtssprecherin Klage und Widerklage zurückgenommen worden, die Berufungsfrist ist abgelaufen.
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Der Beklagte war erst im Juli von seinem Aufsichtsratsmandat zurückgetreten und hat die SAP mittlerweile verlassen. Zuvor hatten sich die Negativ-Schlagzeilen rund um zwei Betriebs- und Aufsichtsratsmitglieder gehäuft. Dabei ging es um interne Untersuchungen zu möglichen Unregelmäßigkeiten wie Arbeitszeitbetrug und Urkundenfälschung. Der frühere Vorsitzende des SAP-Betriebsrats war in diesem Zusammenhang bereits zurückgetreten und ihm wurde im Anschluss fristlos gekündigt. Dagegen geht er derzeit vor dem Arbeitsgericht Mannheim vor. Ein Gütetermin war erst in der vergangenen Woche gescheitert, noch in diesem Jahr könnte es zu einem Kammertermin kommen.
Update: Dienstag, 31. August 2021, 19.40 Uhr
Zivilprozess um SAP-Aufsichtsratswahl beendet
Von Matthias Kros
Heidelberg. Der viel beachtete Zivilprozess um eine mögliche Manipulation der Aufsichtsratswahl bei dem Softwarekonzern SAP im Jahr 2012 ist allem Anschein nach abgeschlossen. "Nach meinem Kenntnisstand wurden mit Schriftsatz vom 28. Juni 2021 sowohl Klage als auch Widerklage zurückgenommen", sagte eine Sprecherin des Landgerichts Heidelberg am Mittwoch auf RNZ-Anfrage. Auch ein Sprecher des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe bestätigte, dass eine Berufungsschrift nicht eingegangen sei. Die Frist dafür sei nach Mitteilung des Landgerichts Heidelberg am 28. Juni abgelaufen.
In dem Prozess vor dem Landgericht Heidelberg (Aktenzeichen 2 O 17/16), der auch einen Bezug zu den aktuellen Querelen im SAP-Betriebsrat hat, hatte die Vorsitzende Richterin Ute Schneiderat die Klage in ihrem Urteil Ende Mai zurückgewiesen. Der Kläger, der mittlerweile nicht mehr für den Softwarekonzern tätig ist, hatte behauptet, seinem ehemaligen Kollegen beim Wahlkampf um die Arbeitnehmerplätze im Aufsichtsrat 2012 durch entsprechendes Einwirken auf die Delegierten geholfen zu haben. Dafür habe man vertraglich ein Honorar von rund 500 000 Euro festgelegt.
Dieses Geld wollte er vor dem Landgericht einklagen. Der Beklagte, der inzwischen als Vorsitzender des Konzernbetriebsrats abberufen wurde und gegen den sich auch die aktuellen internen Untersuchungen bei SAP wegen möglicher Arbeitszeitverstöße richten, bestreitet allerdings die Zusammenarbeit und auch die Echtheit des Vertrags sowie der Unterschrift darunter.
Schneiderat hatte die Klage abgewiesen, da eine solche Vereinbarung – unabhängig davon, ob sie tatsächlich getroffen wurde oder nicht – grundsätzlich nichtig sei, denn sie verstoße gegen das Mitbestimmungsgesetz. Gleichwohl hielt sie die Unterschrift des Beklagten unter dem Vertrag für echt.
Ein Nachspiel dürfte der Zivilprozess für die Beteiligten aber trotz Rücknahme der Klagen haben. Inzwischen ermittelt nämlich die Staatsanwaltschaft Heidelberg in dem Fall wegen versuchtem Prozessbetrugs.
Update: Mittwoch, 30. Juni 2021, 21.57 Uhr
Staatsanwalt startet Verfahren wegen versuchten Prozessbetrugs
Von Matthias Kros
Heidelberg. Der Streit um die möglicherweise manipulierte Aufsichtsratswahl 2012 bei der Walldorfer SAP ist jetzt auch ein Fall für die Ermittlungsbehörden. "Wir haben ein Verfahren wegen versuchtem Prozessbetrugs eingeleitet", bestätigte am Mittwoch Jonathan Waldschmidt als Sprecher der Staatsanwaltschaft Heidelberg. Ausschlaggebend dafür sei die Akte gewesen, die das Landgericht Heidelberg nach der Urteilsverkündung Ende Mai an die Staatsanwaltschaft zur Prüfung weitergeleitet habe. Daraus habe sich ein Anfangsverdacht ergeben, der nun in dem Verfahren münde, erklärte Waldschmidt. Man sei aber noch am Anfang und gebe den Beteiligten die Möglichkeit einer Stellungnahme. Unter Prozessbetrug versteht man das vorsätzliche Vorbringen einer falschen Aussage, falscher Beweismittel oder jeglicher anderer Täuschungshandlung durch eine Partei in einem Gerichtsprozess.
In dem zugrunde liegenden Zivilprozess (Aktenzeichen 2 O 17/16) hatten sich die Beteiligten gegenseitig vorgeworfen, die Unwahrheit zu sagen. Es geht es eine mögliche Beeinflussung der SAP-Aufsichtsratswahl im Jahr 2012. Der Beklagte sitzt aktuell im Betriebsrat und als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der SAP SE. Die Klage wurde zwar in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil Ende Mai abgewiesen, die Richterin legte in ihrer Begründung aber nahe, dass er an unlauteren Absprachen beteiligt gewesen sei. Zumindest hielt sie seine Unterschrift unter einem entsprechenden Vertrag für echt.
Der Kläger, ein ehemaliger SAP-Mitarbeiter, hatte von ihm vor Gericht die Zahlung von rund 500.000 Euro gefordert – als Gegenleistung dafür, dass er bei der damaligen Wahl von Arbeitnehmervertretern zum Aufsichtsrat bei den Delegierten für ihn geworben habe. Der Beklagte hingegen hatte bis zum Schluss die Echtheit der Unterschrift bestritten und sogar vermutet, dass ihm der Vertrag untergeschoben worden sein könnte.
Der Fall ist für die Staatsanwaltschaft nicht neu: Im September 2016 hat der Beklagte in dem Zivilverfahren vor dem Landgericht Strafanzeige wegen Prozessbetruges gegen den Kläger erstattet. Die Ermittlungsbehörden hatten das Verfahren kurz darauf aber vorläufig eingestellt, weil der Zivilprozess vor dem Landgericht Heidelberg noch lief.
Parallel zu dem jetzt eingeleiteten Verfahren haben zwei frühere SAP-Aufsichtsratsmitglieder, darunter Betriebsratsmitglied Andreas Hahn, eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Heidelberg wegen möglichem Prozessbetrugs angekündigt. Ihrer Ansicht nach hat der Beklagte vorsätzlich und mit dem Ziel, dem Kläger einen erheblichen Vermögensschaden zuzufügen, über seine Unterschrift unter den Vertrag gelogen.
Der Beklagte steht mittlerweile auch unternehmensintern in mehrfacher Hinsicht unter Druck. Anfang Juni war er im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit vom Betriebsrat der SAP SE durch mehrheitlichen Beschluss als Konzernbetriebsratschef abberufen worden. Gleichzeitig leitete das Unternehmen gegen ihn Untersuchungen zu möglichen Unregelmäßigkeiten ein. Angeblich geht es um Arbeitszeitverstöße.
Und schließlich ist der Beklagte auch im Aufsichtsrat der SAP SE in keinem der zahlreichen Ausschüsse mehr vertreten. Das geht aus entsprechenden Veröffentlichungen auf der Unternehmens-Webseite hervor. Die Besetzung der Ausschüsse war erst kürzlich neu geregelt worden, weil nach der Hauptversammlung zwei Posten im Aufsichtsrat neu besetzt worden waren.
Die SAP hatte sich bislang mit dem Hinweis aus dem Fall herausgehalten, dass es sich um eine private Angelegenheit zwischen den beiden Kontrahenten handele. Nach dem Urteil des Landgerichts Heidelberg hatte ein Unternehmenssprecher allerdings gesagt, dass man die Entscheidungsgründe des Landgerichts Heidelberg sorgfältig prüfen und im Anschluss eruieren werde, welche Handlungsmöglichkeiten bestünden.
Der Betroffene selbst hat sich öffentlich bislang nur kurz geäußert. In einer schriftlichen Stellungnahme wies er Anfang Juni darauf hin, dass seine Abberufung aus dem Konzernbetriebsrat ungerechtfertigt sei und nichts mit seiner inhaltlichen Arbeit zu tun habe. Sie sei aus einem "politischen Machtinteresse" heraus erfolgt. "Denn bald stehen Betriebsratswahlen an. Die Verbindung mit dem Gerichtsverfahren wird von meinen politischen Konkurrenten aus Eigeninteresse aufgestellt", teilte er der Nachrichtenagentur dpa mit.