Ökonom Clemens Fuest

Darum stabilisiert sich die Wirtschaft zwar, die Wende bleibt aber aus

"Es fehlen durchgreifende Reformen": Ökonom Clemens Fuest sieht eine gewisse Stabilisierung der deutschen Wirtschaft.

30.07.2025 UPDATE: 30.07.2025 04:00 Uhr 1 Minute, 31 Sekunden
Industrie
Die deutsche Wirtschaft könnte laut Ifo-Institut im kommenden Jahr kräftig wachsen (Symbolbild)
Interview
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Professor Clemens Fuest
Ökonom und Professor für Volkswirtschaftslehre

Von Gernot Heller, RNZ Berlin

Berlin. Professor Clemens Fuest ist Ökonom und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München, zudem Präsident des Münchener Ifo-Instituts.

Deutet sich tatsächlich ein Stimmungsumschwung in der deutschen Wirtschaft an, von dem Bundeskanzler Friedrich Merz spricht?

Es gibt eine gewisse Stabilisierung der Stimmung, aber noch keine durchgreifende Wende, die einen Aufschwung erwarten lässt. Dazu ist die Unsicherheit, unter anderem verursacht durch die US-Zollpolitik, noch zu hoch.

Außerdem fehlen in der deutschen Wirtschaftspolitik trotz guter Ansätze durchgreifende Reformen zum Bürokratieabbau, zur Senkung der Energiekosten und zur Reform der sozialen Sicherungssysteme.

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Wird die Konjunktur im zweiten Quartal und womöglich auch den Rest des Jahres auf moderatem Wachstumskurs bleiben?

Das hängt unter anderem davon ab, ob der Zollstreit zwischen den USA und der EU wieder eskaliert oder ob es eine Einigung gibt, die dann stabil ist. Viele Unternehmen hoffen, von zusätzlichen Staatsaufträgen zu profitieren, die mit den schuldenfinanzierten Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur einhergehen.

Werden die angekündigten Investitionsschübe im privaten und öffentlichen Bereich der Wirtschaft noch für 2025 Zusatz-Impulse geben?

Ausgabenwirksam werden die geplanten Investitionen wohl frühestens ab 2026. Aber man kann davon ausgehen, dass einige Firmen sich darauf vorbereiten, an den damit verbundenen Aufträgen teilzuhaben und deshalb ihrerseits investieren, um Kapazitäten aufzubauen.

Ist die Inflationsgefahr inzwischen gebannt?

Vorerst ja. Mittelfristig muss man damit rechnen, dass angesichts der hohen Staatsverschuldung der Druck der Politik auf die Notenbanken wächst, mehr Inflation zuzulassen, vor allem in den USA.

Könnten die angekündigten US-Zollerhöhungen einen erneuten Rückfall in die Rezession auslösen?

Wenn es zu einem eskalierenden Handelskrieg käme, könnte das eine Rezession auslösen. Derzeit sieht es aber eher danach aus, als käme es zu einer Einigung.

Die Zölle werden zwar nicht auf das Niveau vor dem Amtsantritt von Donald Trump sinken, aber sie könnten ein Niveau haben, mit dem die deutsche Industrie leben kann.

Allerdings gibt es in der US-Zollpolitik immer wieder Überraschungen, deshalb sollte man sich nicht zu früh freuen.

Wie dringlich ist, dass noch im Herbst Sozialreformen vereinbart werden?

Ob die im Herbst kommen oder erst im Winter, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass sie überhaupt kommen und dass sie die Ausgaben der Sozialversicherungen so weit dämpfen, dass ein Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge oder der steuerfinanzierten Zuschüsse verhindert werden kann.

Sonst lohnt es sich immer weniger zu arbeiten, und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verfällt weiter.

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