Wie food.net:z die regionale Food-Industrie stärker machen soll
Die Metropolregion Rhein-Neckar verfügt über sehr viele Unternehmen der Lebensmittelindustrie. Eine Zukunftsbranche stellt sich auf.

Von Gaby Booth
Rhein-Neckar. Wie kommt es, dass ein Unternehmen, das weltweit Gelatineprodukte verkauft, sich mit einem "kleinen" Unternehmen aus der Konditoreibranche zusammentut und gemeinsame Sache macht? Auf Augenhöhe, und so, dass beide davon profitieren? Gelita in Eberbach und Dekoback in Helmstadt-Bargen ist das gelungen. Zusammen haben die beiden Firmen ein veganes Geliermittel auf den Markt gebracht und damit erfolgreich eine Marktnische belegt.
Wie das zustande kam? Möglich wurde das durch food.net:z – das Lebensmittelnetzwerk Rhein-Neckar e.V. Ein Netzwerk von kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen, die eines gemeinsam haben: Sie sind in der Metropolregion Rhein-Neckar zu Hause und wissen oft gar nicht voneinander.
Hintergrund
Unternehmen aus der Region erklären, warum sie bei food.net:z mitmachen
Arona, Waibstadt: Wir als kleines Unternehmen profitieren enorm von der Mitarbeit. In kleiner Runde kann man sich einiges bei "den Großen" abschauen und bekommt viel Input, wie man bestimmte Themen
Unternehmen aus der Region erklären, warum sie bei food.net:z mitmachen
Arona, Waibstadt: Wir als kleines Unternehmen profitieren enorm von der Mitarbeit. In kleiner Runde kann man sich einiges bei "den Großen" abschauen und bekommt viel Input, wie man bestimmte Themen im eigenen Unternehmen umsetzen kann. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, über food.net:z an Schulungen zu diversen Themen teilzunehmen.
Heiss MSP GmbH, Sinsheim: Für uns konkret ist der Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmern und Unternehmen wichtig. Vor allem beim Qualitätsmanagement, damit wir wissen, was aktuell ist und wie andere Unternehmen diese Themen angehen.
Gelita, Eberbach: Foodnetz ist ein interessantes Netzwerk von Unternehmen in der Region, in dem sich Hersteller von Lebensmitteln und angrenzende Branchen austauschen und voneinander lernen können. Hier können Synergien, z.B. bei der Ausbildung, bei Absatzkanälen entstehen oder sogar gemeinsame Entwicklung und Vermarktung von Produkten realisiert werden. Dabei lernen nicht nur die "Kleinen" von den "Großen". Oft können auch gerade die etablierten, internationalen Unternehmen von jungen Startups lernen, um dadurch vielleicht etwas agiler zu werden.
Spoontainable, Heidelberg: Durch food.net:z findet auch mit Nichtmitgliedern ein intensiver Austausch zu aktuellen Projekten statt. Durch die Zusammenarbeit von Partnern aus verschiedenen Branchen werden Synergien geschaffen und neue Potentiale genutzt.
ApfelSchneider, Edingen-Neckarhausen: An food.net:z schätzen wir, dass hier verschiedene Unternehmen aus der Lebensmittelbranche der Region zusammen kommen und man sich untereinander austauschen und Kontakte knüpfen kann. Hier passt das Stichwort Heimvorteil sehr gut.
Trokost, Sandhausen: Der vertrauliche Austausch mit anderen Akteuren der Lebensmittelproduktion ist uns wichtig. Die Herstellung unserer getrockneten Gemüse und Kräuter ist sehr energieaufwendig. Daher waren die Energiechecks sehr hilfreich.
Schädels-Beilagen, Wiesloch: Eine gute regionale Vernetzung hilft, unsere Interessen nach außen besser zu vertreten. Durch Synergien und einen verbesserten Informationsaustausch können die hohen Anforderungen der zunehmenden Marktkomplexität besser beherrscht werden.
Das vor zwei Jahren in Heidelberg gegründete Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, möglichst viele Partner an einen Tisch zu holen, um die Region mit ihren vielen Akteuren aus der Lebensmittelbranche zu stärken und nach außen sichtbarer zu machen. Als kompetente Genussregion sozusagen. "Wir sind das erste Netzwerk dieser Art in ganz Baden-Württemberg – und bisher auch das einzige anerkannte Cluster seitens des Wirtschaftsministeriums, das sich mit Food bzw. der Lebensmittelindustrie in all ihren Facetten auseinandersetzt", stellt Isabel Bergerhausen, die Geschäftsführerin, fest.
Die Kooperation zwischen Gelita und Dekoback zeigt, wie ganz unterschiedliche Partner zu erfolgreichen Geschäftsmodellen kommen. "Wir wussten gar nicht, dass es diese Firma ganz in unserer Nähe gibt", gesteht Michael Teppner, Marketing- und Kommunikationschef des Gelatine-Herstellers. Die Forscher von Gelita hatten schon ein Geliermittel in Blattform auf Basis von Agar-Agar entwickelt und zur Marktreife gebracht.
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Bei einem Arbeitstreffen von food.net:z erfuhr Sascha Hohl, Geschäftsführer der Dekoback in Helmstadt-Bargen von dem veganen Geliermittel der "Nachbarn" und war sofort interessiert. Die Idee kam zur rechten Zeit, die Zahl der Veganer nimmt zu. Heute vermarkten Gelita und Dekoback die Innovation gemeinsam. "Agar-Agar eignet sich ideal für die wachsende Zahl der Konsumenten, die sich vegetarisch oder vegan ernähren möchten, und es hat zudem den Vorteil, dass es bei höheren Temperaturen stabiler ist als klassische Gelatine", sagt Sascha Hohl.
Zwei weitere Firmen aus der Region stellten ebenfalls bei einem Netzwerktreffen fest, dass sie gemeinsame Sache machen können: Die Sinsheimer Firma Heiss, Spezialist für die Mikronisierung von Rohstoffen, ist seither als Dienstleister für die Vermischung verschiedener Pulver für den Weinheimer Wursthüllenhersteller Naturin Viscofan aktiv.
Für Isabel Bergerhaus ist es "eine große Freude" zu erleben, wie durch den Austausch der Unternehmen untereinander neue gemeinsame Projekte entstehen und Ideen vorangetrieben werden. Die Geschäftsstelle ist übrigens auch Ansprechpartner für Unternehmen, die keine Foodnetz-Mitglieder sind und moderiert Kontakte.
Die eigentliche Geburtsstunde des Netzwerkes liegt im Jahr 2013. Damals trafen sich mehrere Akteure der in der Region beheimateten Lebensmittelbranche mit Wirtschaftsförderern des Rhein-Neckar-Kreises, um Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. Ihnen war bewusst, dass die Lebensmittelbranche eine Zukunftsbranche ist und die Metropolregion zahlreiche Player in diesem Bereich vorweisen kann. Manko: Sie wussten (und wissen) nicht voneinander. Am Anfang stand die Vision, die Zusammenarbeit der Unternehmen, egal wie groß, miteinander zu fördern, den Wissenstransfer zwischen Unternehmen, Hochschulen und Verwaltung zu verbessern, aber auch, die Innovationskraft nach außen sichtbar, die Unternehmen aus der Lebensmittelbranche als Arbeitgeber bekannter zu machen. Es folgten eine Reihe von Arbeitstreffen, bis es im März 2018 dann zur Gründung von "food.net:z – Lebensmittelnetzwerk Rhein-Neckar e.V." kam.
Einkauf auf dem nahegelegenen Hofladen, auf dem samstäglichen Wochenmarkt im Stadtteil, der ungebremste Trend zu Bioprodukten – die Konsumenten sind umweltbewusster geworden und wollen regionalen Produkten den Vorzug geben. Food.net:z spürte schon vor einigen Jahren den Puls der Zeit und verfolgte das Ziel, die Lebensmittelbranche zu stärken. Die Region, deren Wirtschaft in erster Linie mit den großen Unternehmen wie BASF, SAP, Roche oder John Deere assoziiert wird, hat noch weitaus mehr Qualitäten, sagten sich die Initiatoren und setzten auf die nahrhafte Branche.

Die Bündelung der Kräfte dient allen Mitgliedern, die sich dem food.net:z anschließen, damit Synergien besser genutzt werden können, die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird, die Unternehmen für Auszubildende und Fachkräfte attraktiver werden. Gezielte Weiterbildungsmaßnahmen stehen daher ganz oben auf der Agenda. In den regelmäßigen Arbeitstreffen und Fachgruppen wird sich ausgetauscht. "Die kleinen Unternehmen profitieren von den Großen ebenso wie umgekehrt" betont Michael Teppner die Bedeutung des Austausches. "Gelita ist zwar ein globales Unternehmen, aber was vor unserer Haustüre passiert, interessiert uns auch", so der Kommunikationschef von Gelita. Durch unternehmensübergreifende Projekte könne zudem das Potenzial für Innovationen besser ausgeschöpft werden, sind die Netzwerker überzeugt. Und in Zeiten sich schnell wandelnder Märkte sei ein Austausch mit wissenschaftlichen Einrichtungen besonders wichtig.
Dass das nicht alles nur graue Theorie ist, zeigt sich auch gerade in der Corona-Zeit. Da beschäftigt sich das Netzwerk mit solchen Fragen: Wie neue Betriebsabläufe und Lieferketten umorganisieren? Wie die (digitale) Krisenkommunikation mit Kunden und Mitarbeitern gestalten? Welche staatliche oder auch regionale Unterstützung gibt es? So hilft man sich in Videokonferenzen oder beim digitalen Feierabendbier.
Food.net:z vermittelt in diesen Wochen gezielt Informationen, teilt Wissen und Kontakte, leistet konkrete und pragmatische Hilfestellung. Dabei profitiert das Lebensmittelnetzwerk von der engen Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaftsförderung, die von Anfang an mit dabei waren.