Deutsche Gas-Speicher füllen sich
Forschern zufolge, ist die Gefahr eines Engpasses gesunken. Die ZEW hält Deutschland jedoch für anfällig.

Berlin/Brüssel. (dpa) Deutschlands Gasspeicher sind inzwischen zu mehr als 60 Prozent gefüllt und mindern aus Sicht von Ökonomen so die Gefahr einer Versorgungslücke im Falle eines russischen Lieferstopps. Wie am Montagabend aus der Webseite von Europas Gasinfrastruktur-Betreiber (GIE) hervorging, waren die Speicher zu 60,26 Prozent voll. Nach Berechnungen führender Wirtschaftsforscher ist die Wahrscheinlichkeit einer Versorgungslücke im Fall eines Stopps russischer Lieferungen gegenüber April deutlich gesunken.
Trotz mittlerweile erheblich besser gefüllter Speicher seien damit aber noch nicht alle Risiken für die Gasversorgung der Industrie im Winterhalbjahr gebannt, heißt es in der Simulationsstudie der Wirtschaftsforschungsinstitute IfW, Ifo, RWI und IWH. "Es ist daher ratsam, zeitnah die Preissignale bei den Verbrauchern ankommen zu lassen" – also die Preise zu erhöhen, damit weniger Gas verbraucht wird. Ziel ist es, die Speicher bis Anfang November zu mindestens 90 Prozent zu füllen. Allerdings ist die Sorge groß, dass der russische Staatskonzern Gazprom nach im Juli geplanten Wartung der Pipeline Nord Stream den Hahn nicht oder später wieder aufdreht. Deutschland bezieht einen Großteil seines Gases über diese Leitung. Solche Wartungen sind eigentlich üblich. Russland hatte zuletzt aber bereits die Lieferungen durch die Pipeline auf 40 Prozent verringert und dies mit Verzögerungen bei Reparaturen in Folge der Sanktionen begründet. Die Bundesregierung hält dies für vorgeschoben.
Gasspeicher gleichen Schwankungen beim Verbrauch aus. Ihre Bedeutung ist aber begrenzt. Denn selbst wenn sie komplett gefüllt wären, würden ihre Mengen nicht für die komplette Heizperiode ausreichen. Nach Schätzung des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, würden die Speicher bei einem durchschnittlichen Winter nur zweieinhalb Monate reichen, um die Nachfrage auch ohne russisches Gas zu decken. Daher sucht Deutschland nach anderen Möglichkeiten, etwa Flüssiggas-Lieferungen über schwimmende Terminals. Die deutsche Gaswirtschaft ist skeptisch, dass noch bis Jahresende zwei Terminals an der deutschen Küste in Betrieb gehen können.
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Aus Sicht des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW ist die Energieversorgung Deutschlands im internationalen Vergleich besonders anfällig – sowohl für steigende Preise als auch für Lieferengpässe. Das ZEW kommt zu dem Schluss, dass die Bundesrepublik bei der Stromversorgung gemeinsam mit den Niederlanden zu einer "Hochpreisinsel" wird. Was die Anfälligkeit für ausbleibende Lieferungen betrifft, ist Deutschland demnach gemeinsam mit Italien besonders verwundbar.