Da ist seit Monaten kein Schnitt mehr zu machen: Die wirtschaftliche Lage der Friseure und Kosmetiker wird immer dramatischer. Foto: dpa
Heilbronn. (guz) Es ist eine positive Entwicklung gegen den Trend, aber möglicherweise nur eine Momentaufnahme, die durch die Folgen der Corona-Pandemie schnell ein gegenteiliges Bild ergeben könnte: Die Zahl an Mitgliedsbetrieben bei der Handwerkskammer Heilbronn-Franken ist im Corona-Jahr 2020 nicht gesunken, sondern sie hat sich erhöht – es sind also mehr neue Betriebe gegründet als geschlossen worden. Dies ist umso beachtlicher, weil das Statistische Bundesamt (Destatis) für denselben Zeitraum von einem bundesweiten Rückgang der Betriebsgründungen um 4,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019 berichtet – vor allem beim Anteil gewerblicher Gründungen. Erfasst wurden dabei allerdings nur Betriebe, deren Rechtsform und Beschäftigtenzahl auf eine größere wirtschaftliche Bedeutung schließen lassen.
Laut Destatis hat die Corona-Krise die Gewerbeanmeldungen seit März 2020 bundesweit deutlich beeinflusst und die ohnehin rückläufige Entwicklung der Vorjahre verstärkt. So lag beispielsweise die Zahl der neu gegründeten Kleinunternehmen im Jahr 2020 mit rund 135.400 deutlich unter dem Vorjahreswert, ein Minus von 17,3 Prozent.
Die Heilbronner Statistik zeigt hingegen unterm Strich einen Zuwachs von 1,1 Prozent: Ende 2020 waren in der Region Heilbronn-Franken 12.618 Betriebe bei der Handwerkskammer eingetragen, und damit 142 Betriebe mehr als Ende 2019. Selbst die Ausbildung im regionalen Handwerk wurde im Krisenjahr nicht so deutlich zurückgefahren, wie zunächst befürchtet worden war: Bis zum 31. Dezember 2020 wurden 1699 neue Lehrverträge bei der Kammer eingetragen. Das sind nur 66 weniger als im Vorjahr – ein Rückgang von 3,7 Prozent.
Bei den Verantwortlichen der Heilbronner Handwerkskammer herrscht trotz der vergleichsweise guten Zahlen keine Jubelstimmung: Ein Jahr, nachdem die Pandemie ausgebrochen ist, halten sie die genaue Analyse der Statistik für besonders wichtig, um Entwicklungen zu erkennen und – wo nötig – Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Denn zahlreiche Maßnahmen, die der Gesetzgeber zur Bekämpfung der Pandemie angeordnet hat, greifen massiv auch in das regionale Wirtschaftsleben ein. Bei dem Überschuss der Gründungen werde es nicht bleiben, "wenn den vom Lockdown unmittelbar betroffenen Betrieben nicht schnellstens geholfen wird", befürchtet Ralf Schnörr, Hauptgeschäftsführer der regionalen Handwerkskammer. Denn dann könnte sich der Trend bald umkehren und wieder mehr Betriebe zwangsweise geschlossen werden als neue öffnen.
Alleine die Situation der 1139 Friseure und der 754 Kosmetiker sei dramatisch. "Neben den fehlenden Einnahmen warten zahlreiche Betriebe noch auf die Zahlungen der November- und Dezemberhilfe. Von der Überbrückungshilfe III, die noch nicht einmal beantragt werden kann, ganz zu schweigen", schildert Schnörr und stellt klar: "Hilfszahlungen im März oder April helfen den akut bedrohten Betrieben nicht mehr!"
Aber nicht nur bei den Betrieben, die von Schließungen betroffen sind, spitze sich die Lage zu. Die Lockdown-Situation drücke auf die Stimmung. "Die Unsicherheit ist groß", weiß Schnörr. "Wir alle fragen uns, wie sich die Infektionszahlen entwickeln werden und wie es mit den Impfungen weitergeht. Da ist es Handwerkern nicht zu verdenken, wenn sie sich mit der Gründung oder der Übernahme eines Unternehmens in den nächsten Monaten schwertun."
Die Handwerkskammer will Gründungswillige auch weiterhin beim Weg in die Selbstständigkeit, bei Finanzierung, Businessplan und Formalitäten unterstützen. "Wir setzen alles daran, den Betriebsstand in der Region zu sichern. Denn es geht um viel: Daseinsvorsorge, Arbeitsplätze, Ausbildung", verdeutlicht Schnörr.