Schrittweise Öffnung

(Keine) Große Ausnahme für kleine Kinder (Update)

Winfried Kretschmann macht deutlich, dass er für Öffnungen ab dem 1. Februar ist. Die Entscheidung soll am Mittwoch fallen.

26.01.2021 UPDATE: 27.01.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 31 Sekunden

Stuttgart. (dpa) Fast täglich hat Grünen-Regierungschef Kretschmann vor den neuen Virusvarianten gewarnt. Trotzdem wollte er eine Lockerung für Kitas und Grundschulen durchdrücken - im Sinne der Kleinsten. Doch jetzt ist die Mutation in einem Kindergarten in Freiburg aufgetaucht.

Die baden-württembergische Landesregierung hat so die Entscheidung über die Öffnung von Kitas und Grundschulen erneut vertagt. Es seien acht neue Fälle von Virusmutationen im Südwesten bekannt geworden, unter anderem bei zwei Kindern in einem Kindergarten in Freiburg, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. 21 Menschen in dem Kindergarten seien ebenfalls infiziert, nun müsse noch geklärt werden, ob es sich ebenfalls um die neuen Virusvarianten handele. "Wir wollen das abwarten", sagte der Sprecher.

Ursprünglich wollten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) an diesem Mittwoch um 14.30 Uhr die Entscheidung verkünden, dass Kitas und Grundschulen schrittweise wieder geöffnet werden sollen. Angesichts der sinkenden Infektionszahlen im Land galt die Entscheidung als Formsache. Mit der Lockerung mitten im allgemeinen Lockdown hätte Baden-Württemberg, das in vielen Lebensbereichen einen strengen Kurs vorgibt, einen Sonderweg beschritten.

Die Ergebnisse zu den Ansteckungen mit den neuen Virusvarianten seien um 14.00 Uhr gekommen, erklärte Hoogvliet. Für kurz nach 14.00 Uhr waren Kretschmann und Eisenmann zum Gespräch über die endgültige Entscheidung verabredet. Schon am Dienstag hatte Kretschmann betonte, wenn sich die neuen, wohl aggressiveren Virusvarianten aus Großbritannien oder Südafrika im Südwesten verbreiteten, gebe es eine neue Lage. "Das kann zu drastischen Maßnahmen führen." Dann müssten auch Lockerungen wieder zurückgenommen werden. "Wir sind noch nicht über den Berg. Wir sind in der schwierigsten Phase der Pandemie."

Update: Mittwoch, 27. Januar 2021, 15.09 Uhr

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Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Winfried Kretschmann bemühte sich etwas, den Anschein zu erwecken, als sei die Entscheidung noch nicht gefallen. "Wenn es jetzt nicht noch Überraschungen gibt, wovon ich nicht ausgehe, bei der Entwicklung der Zahlen, dann kann man davon ausgehen, dass die Entscheidung morgen so fallen wird, dass wir in diese vorsichtige und schrittweise, behutsame Öffnung gehen können", sagte der baden-württembergische Ministerpräsident am Dienstagmittag.

Kretschmann war bei einer Pressekonferenz nach jenen Öffnungen gefragt worden, die er schon vor drei Wochen in Aussicht gestellt hatte: Kitas sollten ganz, Grundschulen schritt- und teilweise wieder öffnen, hatte der Regierungschef am 5. Januar angekündigt – für den 18. Januar, immer aber unter der Voraussetzung, dass "die pandemische Lage" dies zulasse. Es folgte ein Rückzieher: Die Kennzahlen für das Infektionsgeschehen im Land seien nicht belastbar genug für die von ihm gewünschten Öffnungen, erklärte er am 14. Januar – und nannte als neuen Wunschtermin den 1. Februar.

Dann kam am 19. Januar die bisher jüngste Videokonferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern, und mit ihr ein Beschluss, der mitnichten Lockerungen der bundesweiten Beschränkungen für den Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen vorsieht, sondern eine Verlängerung derselben sowie "eine restriktive Umsetzung".

An diesen Beschluss halte er sich? "Eins zu eins", sagte Kretschmann. Gleichwohl will er, wie auch schon deutlich länger und weitergehend von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) gefordert, Lockerungen für Kitas und Grundschulen verfügen. Schließlich sei das dringend geboten und schließlich gebe es für Kinder unter zehn Jahren auch in anderen Bundesländern schon mehr Angebote als die im Südwesten praktizierte Notfallbetreuung.

Daher sollen Kitas und Kindergärten, wenn nicht die entscheidenden Kennzahlen wieder steigen – was am Dienstagabend nicht passierte –, kommenden Montag wieder öffnen. An Grundschulen soll es erste Teil-Öffnungen zu einem Wechselbetrieb geben. Details werde Eisenmann am Mittwoch vorstellen. Noch sei nichts beschlossen, betonte Kretschmann. Am Nachmittag lud das Staatsministerium dann zu einem per Internet übertragenen Video-Statement von Kretschmann und Eisenmann für Mittwoch, 14.30 Uhr, ein.

Wie genau die Öffnungen der Grundschulen aussehen, war daher bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht ganz klar. Sicher ist, das verlautete zuletzt aus dem Kultusministerium, dass es Ähnlichkeiten zum "Rollierenden System" geben wird, das vergangenes Jahr zwischen Pfingst- und Sommerferien praktiziert wurde. Zudem sollen die Schulleiter vor Ort wohl größere Beinfreiheit bei der Umsetzung der Öffnung bekommen. Zu unterschiedlich seien die Schulen, als dass strenge Vorgaben aus Stuttgart Sinn machten. Zum Präsenzunterricht kommen soll jedenfalls nur die Hälfte der Schülerschaft – um Abstand zu halten, aber vor allem, um die Zahl der potenziellen Infektionen zu mindern. Entweder könnte das in halbierten Klassen stattfinden, oder aber es kämen in der ersten Februarwoche die Klassen 1 und 2 und in der zweiten Februarwoche dann die Klassen 3 und 4.

Kommen muss jedenfalls niemand. Die Präsenzpflicht bleibt, wie schon seit Juli, aufgehoben. Notbetreuung soll es weiter geben. In der Fastnachtswoche, wo fast überall Ferien sind, soll evaluiert werden, ob die Öffnung Einfluss auf die Infektionszahlen hatten.

Kretschmann betonte, dass es sich bei dem Schritt um eine Ausnahme handle, weil Kinder unter 10 Jahren "virologisch eine gewisse Ausnahmestellung" hätten. Das bestätigte Thomas Iftner, Professor an der Uniklinik Tübingen und Direktor des Instituts für Virologie, der Kretschmann zuvor beraten hat (siehe Hintergrund rechts). Kretschmann sagte, dieser Befund erlaube die geplanten Öffnungen.

Auf ein Datum für die Öffnung von weiterführenden Schulen wollte sich Kretschmann nicht festlegen – auch wenn die Kultusministerin hier ebenfalls Druck macht. "Es ist richtig, die Öffnungsstrategien werden grundsätzlich gemacht für Inzidenzen unter 50", sagte der Grünen-Politiker. Es gebe jetzt nur Ausnahmen für Unter-10-Jährige. "Darüber hinaus machen das Konzept die Chefs der Staatskanzleien und das Bundeskanzleramt." Er setze hier auf eine gemeinsame Linie. "Wir wollen schauen, dass wir beisammen bleiben." Bislang gibt es bei weiterführenden Schulen nur Ausnahmen für Abschlussklassen.

Der Forderung von FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nach einer Lockerung der nächtlichen Ausgangsbeschränkungen erteilte er eine Absage. "Erfahrungen aus Österreich zeigen, dass man nicht zu früh öffnen darf", sagte Kretschmann