Dass die evangelische Gesamtkirchengemeinde Heilbronn ihr innenstadtnah gelegenes Hans-Rießer-Haus verkaufen will und muss, ist schon seit längerer Zeit Thema. Nun aber soll der Verkauf in einer Zeit ohne Dekan beschlossen werden. Foto: Brigitte Fritz-Kador
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Am Montagabend geht es um die Zukunft des Hans-Rießer-Hauses der evangelischen Gesamtkirchengemeinde in Heilbronn. Die wertvolle, aber in die Jahre gekommene und inzwischen für die Kirche auch zu groß gewordene Immobilie soll verkauft werden, nachdem die Landeskirche den Heilbronnern aus Kostengründen untersagt hat, das Haus zu sanieren.
Der in den 1960er-Jahren erbaute und nach dem großen Heilbronner Bürgermeister und Unterstützer der Reformation Rießer (1528- 1552) benannte Gebäudekomplex an der Kreuzung Allee/Wollhausstraße war einst der ganze Stolz der Kirche, ein stark frequentierter und beliebter Ort der Gemeinden. Er diente der Jugendarbeit und den "Jungen Senioren" als Treffpunkt und ist Probenzentrum der Kirchenmusik an der Kilianskirche. Als Kostenrahmen für die notwendigen Sanierungen und vor allem den Brandschutz, waren zunächst etwa acht Millionen Euro genannt worden.
Warum aber jetzt diese Eile beim Verkauf? In der für den Abend angesetzten öffentlichen Sitzung des Gesamtkirchengemeinderates steht er auf der Tagesordnung. Die Verkaufsabsichten sind schon seit längere Zeit Thema, die nun an den Tag gelegte Hast verwundert daher.
Der bislang zuständige Dekan Otto Friedrich, seit letztem Jahr im Ruhestand, wollte diese Aufgabe seinem Nachfolger überlassen. Der aber wird sein Heilbronner Amt erst im Sommer antreten. Dass man eine solche Entscheidung nun in dieser Vakanz treffen will, mutet seltsam an. Auch einer der kommissarischen Stellvertreter des Dekanats, Pfarrer und SPD-Stadtrat Erhard Mayer, sagt auf RNZ-Nachfrage, er habe nicht die geringste Ahnung und keine Erklärung dazu.
So ein großes Objekt in einer solchen Innenstadtlage kommt nicht alle Tage und vermutlich in dieser Größenordnung kaum mehr auf den überhitzten Immobilienmarkt. Dass die Branche ungeduldig mit den Füßen scharrt, ist nachvollziehbar. Die Rede ist speziell von zwei Investoren, die sich um das Objekt bemühen. Von diesen Begehrlichkeiten, gerade auch aus der Nachbarschaft, bestehen einige schon länger als ein Jahrzehnt. Schon damals sah man deren Vertreter zusammen mit dem Kirchenpfleger die Immobilie von innen begutachten.
Vorkaufsrecht auf die Immobilie hat die Stadt Heilbronn, für wen wird sie darauf wohl verzichten? Nun aber könnten der Gesamtkirchengemeinderat und die Interims-Kirchenführung dieser verdächtigen Eile doch Einhalt gebieten. Pfarrer Erhard Mayer deutete eine mögliche Verschiebung an. Darüber wird der Gesamtkirchenbeirat entscheiden müssen.
Die gesamte Angelegenheit hat noch eine ganz andere Dimension: Es geht hierbei auch um die Zukunft der Kirchenmusik in Heilbronn. Das Hans-Rießer-Haus ist ja bis heute keine leer stehende Immobilie. Woche für Wochen proben hier zwischen 250 und 300 Chorsänger der Kilianskirche: das Vokalensemble, der Bach-Chor und das Vokalensembleplus sowie die Musiker des Collegium Musicum.
Kirchenmusikdirektor Stefan Skobowski und seine musikalischen Mitstreiter lässt das nicht kalt. Unter ihnen ist nicht nur die Verunsicherung, sondern auch die Verärgerung groß, weil man ihre Vorstellungen, Bedürfnisse und Befürchtungen zur Raumfrage über Jahre hinweg links liegen ließ. Auch wenn es nicht danach aussieht, als stünden sie nun Knall auf Fall auf der Straße: Die Kirchenmusik an der Kilianskirche ist ein Kulturfaktor von höchster Bedeutung - proppenvolle Kirchenkonzerte sind nur ein Indiz dafür. Eine neue, angemessene Heimstatt für die musikalische Arbeit zu schaffen, ist eine Aufgabe, für die man einiges an Geld in die Hand wird nehmen müssen.
Eine Vertreterin der Chöre und ein bekannter Heilbronner Architekt sind - unabhängig voneinander, aber nicht zufällig - auf dieselbe Idee gekommen, hier, zusammen mit einem Investor etwas Neues hinzustellen, ein Haus, bespielbar für alle, die das Hans-Rießer-Haus jetzt schon nutzen und darüber hinaus beispielsweise auch für die Kulturszene einen Treffpunkt zu schaffen, der Leben und Menschen in die Stadt bringt.
Hierbei die Kirche nicht allein zu lassen, das ist auch eine Aufgabe der Stadtpolitik. Beim gegenüberliegenden Wollhaus-Zentrum hatte man ja auch einen rechtlichen Spielraum genutzt, zwar mit einer rechtlichen Niederlage, aber auch daraus kann man lernen.