Finden in den Heilbronner Kirchengemeinden an Ostern Präsenz-Gottesdienste statt? Wenn es nach den Dekanen geht, ja. Doch eine endgültige Entscheidung wurde noch nicht getroffen. Foto: Falk-Stéphane Dezort
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Nicht nur die beiden christlichen Kirchen sind von Corona betroffen, sondern auch die jüdische Gemeinde in Heilbronn. Was die Karwoche für die Christen ist, ist "Passah" für sie. Mit anderen Inhalten aber von vergleichbarer Bedeutung für ihren Glauben und ihre Glaubensausübung. Passah findet in diesem Jahr vom 27. März bis zum 4. April, es erinnert an den Auszug der Kinder Israel aus Ägypten und damit auch an ihre Befreiung aus der Sklaverei.
Das feiert man unter anderem auch mit rituellen Mahlzeiten und im Familienkreis. In diesem Jahr fällt es flach: Avital Toren, die Vorsitzende der jüdichen Gemeinde ist traurig darüber, dass nun jeder für sich und nicht, wie sonst üblich, mit Verwandten und Freunden feiern kann. Damit das "Passah-Mahl" nicht ganz entfällt, werden Tüten mit den Lebensmitteln verteilt, deren Inhalt dann zu Hause verzehrt wird.
Die Gemeinsamkeit, in der die Dekane und die Dekanate in Heilbronn, Christoph Baisch (evangelisches Dekanat) und Roland Roßnagel (katholisches Dekanat) agieren, ist nicht neu, aber durchaus bemerkenswert. Das gilt auch für den Klartext, mit dem sie auf die am zurückliegenden Dienstag geäußerte Bitte gemeinsam reagieren, die Ostergottesdienste nur digital zu feiern. Karfreitag und Ostersonntag – die wichtigsten christlichen Feste – sind auch inhaltlich dem gerade stattfindenden zeitgeschichtlichen Geschehen sehr nahe. In einer gemeinsamen Stellungnahme heißt es dazu: "Der Bund-Länder-Beschluss, an die Kirchen mit der Bitte um nur virtuelle Gottesdienste in der Zeit von Gründonnerstag bis Ostermontag heranzutreten, hat die Kirchenleitungen auf katholischer wie evangelischer Seite sehr erstaunt." Was die möglichen oder auch verunmöglichten Präsenzgottesdienst in den beiden Dekanaten betrifft, will man die "direkten Gespräche" mit dem Ministerpräsident abwarten und bis dahin auch keine "Empfehlungen" zu deren Entfall geben.
Auch wenn die weitere Stellungnahme abgewogen klingt, deutlich ist sie dennoch. Auch weil man darauf verweist, "dass die Präsenzgottesdienste nach strengen, bewährten und nachhaltigen Regelungen des Infektionsschutzes stattfinden, die von den Gottesdienstbesuchern sorgsam beachtet werden". Die Gottesdienste stellten deshalb bisher keine besonderen Infektionsherde dar, heißt es weiter und: "Ihnen kommt aber ein großes geistliches und seelsorgerliches Gewicht zu, gerade bei den zentralen Feiertagen Karfreitag und Ostern." Das Hygienekonzept der Kilianskirche erlaubt lediglich, dass die Gottesdienstbesucher die Bänke nur in jeder dritten Reihe und hier auch nur randständig mit nur je zwei Personen besetzen dürfen.
Die rechtliche Seite sieht momentan aber so aus, dass "eine verpflichtende Absage von Präsenzgottesdiensten erst ab einer Inzidenz von 300 gilt. Dekan Baisch verweist weiter darauf, dass ab einer Inzidenz von 200 auf evangelischer Seite die Kirchengemeinden angehalten seien zu prüfen, ob die Feier von Präsenzgottesdiensten von den örtlichen Gegebenheiten her verantwortet werden kann. Er kommt zu dem Schluss: "Die Bedeutung der Gottesdienste lässt uns deshalb derzeit die Feier von Präsenzgottesdiensten vorsehen." Die Kirchengemeinderäte tagen in diesen Tagen dazu. Baisch nennt es wahrscheinlich, dass diese Linie überwiegende Zustimmung erhält. Bis Montagabend erwarte er Rückmeldungen. Er erinnert daran, dass bei mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche im Januar bereits Gottesdienste abgesagt werden mussten. Die Risiken durch die Virus-Mutationen sehe man auch jetzt als "gewichtige Argumente dafür". Aber: "Den Stimmen, die von den Kirchen jedoch einen weitaus früheren Verzicht auf Präsenzgottesdienste abverlangen, setze ich gerne den Verweis auf die Infektionsschutz-Maßnahmen und auf den seelsorgerlichen und geistlichen Wert der Gottesdienste entgegen, der nicht fahrlässig übergangen werden sollte."
Wie gute Ökumene funktioniert, zeigt auch die Kirchenmusik, so treten beispielsweise in St. Peter und Paul wie auch in der Kilianskirche mit den Kantoren/Organisten Michael Saum und Stefan Skobwoski oft die gleichen Künstler auf, auch um den nicht erlaubten Gemeindegesang auszugleichen.
Was Saum für die Osterfeiertag plant, war noch nicht dargestellt, in der Kilianskirche sollen am Karfreitag und am Ostersonntag "Kantatengottesdienste" stattfinden. Karfreitag mit den Kantaten "Du wahrer Gott und Davids Sohn" mit Mitgliedern des Bach-Chors Heilbronn und dem Collegium Musicum. Und am Ostersonntag soll "Halt im Gedächtnis Jesum Christ", ebenfalls mit dem Collegium Musicum, zu Gehör kommen. Die Musiker und Sängern werden sich an die vorgeschriebenen Distanzen halten.
In der von der Stadt am Samstagmorgen erlassenen "Notbremse" sind die Kirche nicht erwähnt.