In Vor-Corona-Zeiten wurde das Nachtleben in Heilbronn je nach Sichtweise als reichhaltig oder bescheiden bezeichnet. Corona-bedingt ist man sich da inzwischen einig, aber es kommen irgendwann auch wieder Zeiten, in denen wieder gefeiert werden kann, und dann soll sich ein Nachtbürgermeister um die Klub- und Disco-Szene kümmern. Der Gemeinderat hat der neuen Stelle zugestimmt. Archivfoto: Armin Guzy
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Das Nachtleben der Stadt hat einen gewissen Ruf, für die einen "tote Hose", für andere genau das Gegenteil davon. Die Klub- und Disco-Szene der frischgebackenen "Universitätsstadt" mit Hotspots wie Berlin zu vergleichen, ist nicht fair, die Einsicht aber, dass man diese Szene gerade jetzt braucht, hat sich nicht nur unter ihrer Klientel, sondern auch im Stadtparlament durchgesetzt. Eine Stadt, die 10.000 Studenten anziehen will und diesem Ziel schon ziemlich nahe gekommen ist, wäre als konkurrierender Standort ohne Klubs, Discos und Bars um einiges weniger attraktiv.
Das privatwirtschaftliche Engagement dazu ist in Heilbronn nicht neu und durchaus respektabel, was man von der öffentlichen Unterstützung nicht uneingeschränkt sagen kann. Beispielsweise an dieser Schnittstelle könnte ein Nachtbürgermeister ansetzen. Andere Uni-Städte, auch mit jahrhundertealter Tradition, mit ganzen Straßenzügen von "Verbindungshäusern" für die korporierten Studenten, wissen das, wie es das Beispiel Heidelberg zeigt. Hier gibt es demnächst einen Nachtbürgermeister.
Hinzu kommt aber auch, dass gerade in der Corona-Pandemie auch eine öffentliche Verantwortung hinzukommt, hier zu erhalten, was sich etabliert hat. In der jüngsten Gemeinderatssitzung ist das durchaus deutlich angesprochen worden, und bei Worten ist es dann auch nicht geblieben: Dem Antrag der Grünen-Fraktion, eine Stelle für einen Nachtbürgermeister zu schaffen, schlossen sich CDU, SPD, Freie Wähler und FDP an. Diese neue Stelle trägt aber nicht nur der gegenwärtigen schwierigen Situation Rechnung. Denn irgendwann wird man auch wieder richtig feiern und ausgehen können, und dann werden auch die alten Probleme wieder da sein: Lärmschutz, Sperrstunden-Diskussion oder Betriebsverbote.
Seit dem 13. März 2020, also fast seit einem Jahr, sind auch in Heilbronn alle Szene-Lokale geschlossen. Felix Seeger, Betriebsleiter des Klubs "Creme 21", nach der legendären "Gartenlaube" ist er einer der ältesten der Stadt, ist Gastro-Profi und einer der besten Kenner des Nachtlebens. Er steht einem "Nachtbürgermeister" nicht ablehnend gegenüber, würde es aber begrüßen, zuerst eine "Taskforce" zu gründen, in die alle Akteure des Nachtlebens eingebunden sind. Dazu zählt er auch die der Kultur und der Subkultur und ist dabei auf gleicher Linie wie Linke-Stadtrat Erhard Jöst, der mit seinem Diskussionsbeitrag im Gemeinderat eben auch diesen Aspekt ansprach. Seeger sagt, Basisarbeit – sich zu vernetzen und Grundlagen zu schaffen – sei hier wichtig. Nicht nur das vermisse er in Heilbronn, sondern zum Beispiel auch einen Nachtbus. Jöst wünscht sich einen "Masterplan" dafür, auch unter Einbeziehung der Hochschulen und der Studentenvertretungen.
Ob es nun ein Nachtbürgermeister oder bloß ein "Nachtwächter" oder dann doch ein "Nacht-Obmann" wird – nicht nur die Namensgebung, auch die Aufgabenstellung ist noch nicht klar umrissen. Die ebenso geäußerte Vorstellung, ein solcher Job könnte ehrenamtlich angelegt sein, erscheint eher unrealistisch. Auch wenn man im Ordnungsamt der Stadt einen "Nachtbürgermeister" bisher als nicht notwendig erachtete, die Problematik ist bekannt, man hat sich mit ihr beschäftigt, wie dessen Leiterin Dorothea Kleinhanns dem Gemeinderat mitteilte.
Aufgabe wird es nun sein, zusammen mit der Dehoga als Gastro-Berufsorganisation ein Stellenprofil zu erarbeiten, über das der Gemeinderat dann befinden kann. Die Hürden dafür dürften nicht zu hoch sein. CDU-Stadtrat Albrecht Merkt plädierte genauso wie Nico Weinmann (FDP) für Hilfe und Anpassung an die gegenwärtige Situation. Für einen Nachtbürgermeister oder auch eine Nachtbürgermeisterin traten auch die drei Stadträtinnen Tanja Sagasser-Beil für die SPD, Marion Rathgeber-Roth für die Freien Wähler und zuvor auch schon Andrea Babic ein, die den Grünen-Antrag begründet hatte. Die AfD-Vertreter bezogen als einzige eine Gegenposition.
Info: "Nachtbürgermeister", oder wie auch immer man diese Position benennt, haben sich bereits in einigen Städten bewährt, etwa in Berlin und Zürich. In Stuttgart fiel gerade der Beschluss, eine solche Stelle einzurichten. Die Stadt Mannheim hat den ersten "Nachtbürgermeister" schon 2018 eingesetzt.