Die bessere Schule steht im Nachbarort? Laut Gericht dürfen Eltern und Kinder frei wählen. Symbolfoto: dpa
Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Klettgau/Stuttgart. Sieben Fünftklässler aus Klettgau (Landkreis Waldshut) dürfen seit Montag dieser Woche die Gemeinschaftsschule im Nachbarort Wutöschingen besuchen, genau wie es ihre Eltern möchten. Das beschloss das Verwaltungsgericht Freiburg am Freitag, dem letzten Ferientag, per einstweiliger Anordnung. Die Eltern hatten gegen das Land prozessiert, weil das Schulamt ihre Kinder der Gemeinschaftsschule in Klettgau zuweisen wollte.
Die Schule in Wutöschingen und die in Klettgau liegen zwar nur knapp sechs Kilometer voneinander entfernt. Sie sehen sich aber einer höchst unterschiedlichen Nachfrage gegenüber. In Klettgau gab es für die fünfte Klasse zum Beginn dieses Schuljahres 16 Anmeldungen. Für Wutöschingen dagegen, einer überregional als besonders modern bekannten Schule, wo alle Kinder iPads haben und nach innovativen Methoden unterrichtet werden, wurden 91 Kinder angemeldet.
Das Schulamt Lörrach entschied deshalb, Ressourcen zu sparen. Sieben Kinder aus Klettgau, die für Wutöschingen angemeldet waren, sollten lieber die Schule in ihrem Heimatort besuchen. Damit wäre rechnerisch eine Klasse in Wutöschingen eingespart: Statt dort vier fünfte Klassen zu bilden (eine mit 22 und drei mit 23 Kindern) wären es nur drei Klassen je 28 Schüler gewesen. In Klettgau wäre die einzige fünfte Klasse dann mit 23 Kindern besetzt gewesen.
Das Schulamt bezog sich bei dieser Schülerlenkungs-Maßnahme auf das Landesschulgesetz. In Paragraf 88 steht: "Die Schulaufsichtsbehörde kann Schüler einer anderen Schule desselben Schultyps zuweisen, wenn dies zur Bildung annähernd gleich großer Klassen oder bei Erschöpfung der Aufnahmekapazität erforderlich und dem Schüler zumutbar ist."
Es geht also um zwei Interessen der Behörde. Erstens: Eine Schule darf nicht bis zur Erschöpfung überfüllt werden. Zweitens: Die Klassen sollen ungefähr gleich groß sein. Dem entgegen stehen zwei Ansprüche von Eltern: Sie haben laut Grundgesetz das Recht, den Bildungsweg des Kindes frei zu wählen. Und sie dürfen eine "ermessensfehlerfreie Entscheidung" erwarten.
Genau dieses Recht sah das VG Freiburg als verletzt an: "Die der Zuweisung an die Gemeinschaftsschule Klettgau zugrundeliegende Entscheidung über den Klassenausgleich dürfte an Ermessensfehlern leiden und daher rechtswidrig sein", befand das Gericht und folgerte: "Es spricht viel dafür, dass ihre (der Eltern, Anm. d. Red.) privaten Interessen ein größeres Gewicht aufweisen als die entgegenstehenden Interessen des Antragsgegners." Dies zumal alle sieben Kinder eine Bläserklasse mit Musik-Schwerpunkt besuchen wollten, die es in Klettgau nicht gibt. Die Schule in Wutöschingen werde durch die sieben Kinder nicht überlastet. Auch die Klassengrößen seien nicht entscheidend: Im Schulgesetz benannt sei ja "lediglich die Bildung annähernd gleich großer Klassen, jedoch nicht die Bildung möglichst weniger Klassen oder Bildung von Klassen nahe des Klassenteilers", so das Gericht.
Das Kultusministerium ist alarmiert: "Die bisherige Praxis der Schülerlenkung stellt eine zentrale Säule der Bedarfsplanung dar", sagt Ministerin Susanne Eisenmann (CDU). "Wir werden daher vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim Beschwerde (...) einlegen." Die VG-Entscheidung sei "in ihrer Argumentation völlig überraschend", so ein Ministeriumssprecher.