Hier gibt es für Stadttauben ein "Hospiz"
Stadttauben haben als "Ratten der Lüfte" einen schlechten Ruf - Eigentlich will man sie loswerden

Mehr als 300 verschiedene Taubenarten gibt es weltweit. Während einige gezielt gezüchtet werden, haben die Stadttauben einen schlechten Ruf - vor allem, weil ihr Kot eine Herausforderung ist. Foto: Marius Becker
Von Christine Frischke u. Sören Sgries
Böblingen. Die Stadttaube könnte einmal eine ordentliche Image-Kampagne gebrauchen. Wer die Tiere in den Fußgängerzonen picken sieht, denkt wohl nicht an "Turteltäubchen" und "Friedenstauben". Sondern an Krankheiten und Kot. "Ratten der Lüfte": Das ist das Etikett, das den "Columbidae", so der lateinische Name, verpasst wurde.
Britta Leins ist eine Tierfreundin, die das sehr ärgert. "Tauben haben viel Charme und Witz, nur fehlt ihnen der Kuschelfaktor", sagt die Vogelfreundin aus Böblingen. Mit dem Verein "Straßentaube und Stadtleben" setzt sie sich für die unterschätzen Tiere ein. Erfolgreich. Seit Oktober gibt es im Böblinger Tierheim eine Art "Hospiz" für Tauben.
Hintergrund
Hintergrund
Stadttauben haben nicht den besten Ruf. Viele bringen sie mit Krankheiten in Verbindung. Zu Unrecht, erklärt der Deutsche Tierschutzbund. Die gesundheitliche Gefährdung durch Tauben sei nicht größer als durch Haustiere oder andere Zier- und
Hintergrund
Stadttauben haben nicht den besten Ruf. Viele bringen sie mit Krankheiten in Verbindung. Zu Unrecht, erklärt der Deutsche Tierschutzbund. Die gesundheitliche Gefährdung durch Tauben sei nicht größer als durch Haustiere oder andere Zier- und Wildvögel. In einer Kampagne fordern die Tierschützer daher einen fairen Umgang mit den Vögeln: "Sie müssen sie nicht lieben, doch behandeln Sie Tauben mit Respekt."
Doch auch wer ihnen etwas Gutes tun will, muss aufpassen: Wer Tauben mit zugeworfenen Brotstücken oder Fleischresten füttert, tut den Tieren keinen Gefallen. Solches Futter ist nicht gut für sie, weil darin oft wichtige Nährstoffe fehlen, so die Tierschützer. Tauben seien Körnerfresser.
Städte ergreifen verschiedene Maßnahmen, um die Taubenbestände (und damit deren Kot) zu verringern. Als tierfreundlichste und effektivste Maßnahme gilt es, eigene Taubenschläge einzurichten - und dort die Eier auszutauschen.(rnz)
"Tauben sind genauso schützenswert wie andere Tiere und sie leiden auch genauso", sagt Leins. Von "Hospiz" spricht sie allerdings nicht so gern. "Wir sehen die Einrichtung eher als eine Art betreutes Wohnen."
In einer Voliere, 36 Quadratmeter groß, finden rund 80 Vögel Platz, die so schwer verletzt wurden, das sie nicht mehr freigelassen werden können. Ein kaputter Flügel, ein fehlendes Bein oder Auge - das sind die Leiden, mit denen die Vögel eingeliefert werden. Einfache Stadttauben, verirrte Brieftauben, weiße Hochzeitstauben: Sie alle sollen hier eine neue, eine letzte Heimat finden. Der Aufenthalt kann lange werden: Bis zu 20 Jahre alt werden Tauben in Gefangenschaft. In freier Wildbahn sind es meist nur zwei Jahre.
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Nach Angaben von Leins ist das Tauben-Hospiz in Böblingen deutschlandweit die erste Einrichtung dieser Art. "Zumindest in Baden-Württemberg ist uns nichts ähnliches bekannt", sagt auch Martina Klausmann, Biologin beim Landestierschutzverband in Karlsruhe. Beim Deutschen Tierschutzbund hat man ebenfalls von keiner anderen Einrichtung gehört, die sich speziell verletzter Tauben annimmt.
Die Gründe, warum die Tiere verletzt werden, sind vielfältig. Mal geraten sie unter einen Zug. Mal werden sie von einem Hund "erwischt". Oder von einem Greifvogel. Aber auch Tiere, die mit dem Luftgewehr angeschossen werden, gibt es. Und dann noch Brief- oder Hochzeitstauben, die - aus welchen Gründen auch immer - irgendwie orientierungslos in der Stadt landen und verwahrlost und abgemagert aufgefunden werden. Für die Tiere ist es ein großes Glück, wenn sich jemand ihrer annimmt. Die meisten verenden unbemerkt.
Lohnt sich der Aufwand denn? Die Tierarztkosten, das Futter, die Betreuung? Für Tierfreunde wie die Biologin Martina Klausmann ist klar: "Generell sollte man aber keinen Unterschied machen, ob man nun Hund, Katze oder eben Taube aufnimmt."