"Wir sollten zeigen, wie gut die Integration hier funktioniert"
NRW-Integrationsbeauftragte Güler plädiert für erfolgreiche Migrationsgeschichten

Von Petra Sorge, RNZ Berlin
Berlin. CDU-Politikerin Serap Güler (38) ist Integrationsbeauftragte in Nordrhein-Westfalen und Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration.
Frau Güler, die Initiative MeTwo im sozialen Netzwerk Twitter ist eine Reaktion auf die Debatte um den Fußballer Mesut Özil und will auf Alltagsrassismus aufmerksam machen. Was halten Sie von der Debatte?

Grundsätzlich finde ich die Debatte richtig. Viele Leute berichten hier, mit welchen Vorwürfen sie sich oft herumschlagen müssen. MeTwo ist aber nicht nur eine Rassismus-Debatte, sondern auch eine über Diskriminierungen und Ausgrenzungserfahrungen. Das ist nicht gleichzusetzen mit Rassismus. Rassismus war der Brandanschlag in Solingen 1993. Rassismus ist auch, wenn Bundestagskandidaten im Wahlkampf sagen, dass sie Menschen wie mich am liebsten in Anatolien entsorgen würden. Aber jemanden zu fragen, woher er oder sie denn eigentlich kommt, ist kein Rassismus.
Regelrechter Hass begegnete auch vielen Migranten, die bei MeTwo über ihre Rassismus-Erfahrungen sprachen. Was sagen Sie dazu?
Das ist beschämend. Hass ist ein absolutes No-Go. Wir dürfen diese Berichte nicht einfach als Gejammer abtun oder sagen, da schwingt jemand die Rassismus-Keule. Diese Ausgrenzungserfahrungen muss man ernst nehmen.
In einem Twitter-Beitrag fragten Sie sich, "ob eine WeAreGermany Debatte jetzt nicht mehr bringen würde". Wir sind Deutschland: Was haben Sie damit gemeint?
Die MeTwo-Debatte darf nicht für sich allein stehen bleiben. Natürlich gibt es auch Menschen ohne Migrationserfahrung, die Ausgrenzung erlebt haben - etwa Homosexuelle, wenn sie sich outen. Oder Menschen, die eine körperliche oder geistige Einschränkung haben und über die sich manche lustig machen. Andererseits engagieren sich ganz viele Menschen ehrenamtlich mit Herzblut dafür, dass die Integration in Deutschland funktioniert, nicht nur im Bereich Flüchtlinge.
Spaltet die Debatte nicht eher, als dass sie zu mehr Zusammenhalt führt?
MeTwo führt zu Spaltung, wenn wir die Debatte nicht erweitern. Wir sollten auch zeigen, wie gut die Integration hier eigentlich funktioniert. Es braucht positive Beispiele von Menschen mit erfolgreicher Migrationsgeschichte.
Wie meinen Sie das?
Zum Beispiel habe auch ich mein Deutsch einer deutschen Oma zu verdanken. Sie hat Hausaufgaben mit mir gemacht, weil mir meine Eltern dabei nicht helfen konnten. Mein Vater kam mit fast nichts aus der Türkei und ist diesem Land bis heute unglaublich dankbar. Auch ich habe Ausgrenzungserfahrungen gemacht, aber auf meinem Weg habe ich auch viel Unterstützung erfahren.
MeTwo zeigt aber auch: Viele Menschen mit Migrationsgeschichte sind so verletzt worden, dass sie das Gefühl haben, überhaupt nicht mehr zu Deutschland dazuzugehören. Wie kann man diese Menschen zurückholen?
Es gibt Dinge, die laufen falsch. Wir sollten diesen Menschen daher zuhören - aber auch die Erfolgsgeschichten erzählen. Dann bin ich mir sicher, dass wir viele junge Leute, die jetzt frustriert sind, wieder zurückgewinnen können. Es muss ein anderer Duktus in der Debatte herrschen, auch in der Politik.
Ist das eine Kritik an Ihrer Schwesterpartei?
Das ist eine Kritik an allen politischen Parteien. Ja, die CSU ist damit in letzter Zeit besonders aufgefallen. Aber wenn ich an einen bestimmten Kommentar aus der SPD hinsichtlich Mesut Özil denke, steht die CSU damit nicht alleine da.
Denken Sie auch an Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), der sagte, er glaube nicht, "dass der Fall eines in England lebenden und arbeitenden Multimillionärs Auskunft gibt über die Integrationsfähigkeit in Deutschland"?
Ja, genau. Aber Heiko Maas hat ja nichts Falsches gesagt, er hat nur Mesut Özil nicht als Opfer gesehen. Mich haben die Schilderungen des Fußballers hinsichtlich seiner Ausgrenzungserfahrung schon sehr traurig gemacht. Auf der anderen Seite hat Mesut Özil es bis zur Nationalmannschaft geschafft, er ist ein weltweit anerkannter Spieler, ein Millionär. Es wäre daher falsch, ihn nur als Opfer zu sehen.