Mit Routiniers und frischen Gesichtern
Die Ministerliste der grün-schwarzen Landesregierung steht. Die Hälfte der Ressorts wird künftig von Frauen geleitet.

Von Roland Muschel und Jens Schmitz
Stuttgart. Am Sonntag waren schon die ersten Namen aus der Grünen-Kabinettsliste durchgesickert. Bei der CDU, so hieß es, gebe es noch einige Unstimmigkeiten zu klären. Vor allem der massive Protest gegen den offenbar angedachten Wechsel des ehemaligen Fraktionschefs Wolfgang Reinhart ins Justizministerium erregte die Basis. Nicht nur, weil der 65-Jährige kaum für einen personellen Neuanfang stehen könne, sondern auch, weil der Mann aus Nordwürttemberg dem Geschlechter- und Regionalproporz im Wege stand. Am Ende aber konnte CDU-Chef Thomas Strobl doch schon am Montag die Ministerliste fixieren. Für Reinhart findet sich, so der Plan, eine Verwendung als Vize-Landtagspräsident.
Die Angehörigen des dritten Kabinetts Kretschmann im Kurzporträt:
> Winfried Kretschmann: Eine Woche vor seinem 73. Geburtstag hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann sein drittes Kabinett zusammen. Bei den Neubesetzungen hat das Grünen-Gründungsmitglied zwei seiner engsten Berater aus dem Staatsministerium in zentrale Funktionen gebracht: Sein bisheriger Regierungssprecher Rudi Hoogvliet wechselt als Bundesratsminister nach Berlin, seine bisherige Staatsministerin Theresa Schopper als neue Chefin ins Kultusministerium. Der Oberrealo ist Vater von drei Kindern und zweifacher Großvater.

> Theresa Schopper: Bislang hat Schopper als grüne Staatsministerin in der Regierungszentrale von Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Hintergrund agiert. Als politische Koordinatorin war es ihre Aufgabe, bei heiklen Anliegen Kompromisse mit dem Koalitionspartner auszuloten und zugleich die grüne Partei mitzunehmen. Als neue Bildungsministerin steht die 60-jährige gebürtige Allgäuerin, die von 2003 bis 2013 Landesvorsitzende der bayerischen Grünen war, nun im Zentrum der Öffentlichkeit. Kretschmann traut der zweifachen Mutter aufgrund ihrer kommunikativen Art und ihrer Managerqualitäten zu, die aufgewühlte Bildungslandschaft zu beruhigen.
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> Winfried Hermann: Der Schienen- und Fahrradfan, der schon Landeschef und Bundestagsabgeordneter seiner Partei war, startet mit 68 Jahren in seine dritte Amtszeit als Verkehrsminister. Der Parteilinke, Vater einer Tochter, stieß in der Vergangenheit bei der Umsetzung seiner Pläne für eine beschleunigte Verkehrswende immer wieder auf Widerstände bei der CDU, mitunter auch im grünen Staatsministerium. Hermann lässt sich davon nicht beirren, sondern verfolgt seine Ziele hartnäckig und fachlich versiert. Nun hat sein Ressort zwar keine weiteren Kompetenzen erhalten, aber mit der im Sondierungspapier verankerten Mobilitätsgarantie im Rücken an Statur gewonnen.
> Danyal Bayaz: Der 37-Jährige hat sich im Wirecard-Untersuchungsausschuss einen Namen gemacht. Nun soll er in Zeiten leerer Kassen das Stuttgarter Finanzministerium führen (siehe Porträt).

> Thekla Walker: Die bisherige Vize-Chefin der Grünen-Landtagsfraktion mit dem Schwerpunkt Finanzen war zuletzt für vieles gehandelt worden. Mal hieß es, die 50-Jährige könne Finanzministerin werden, mal wurde die zweifache Mutter als Co-Chefin einer von manchen erhofften Doppelspitze in der Fraktion ins Spiel gebracht. Nun wird die Naturpädagogin, die über die Umweltpolitik zu den Grünen gekommen ist, das zentrale Umweltministerium leiten. Verantwortung hat die ehemalige Grünen-Landeschefin nie gescheut. Staatssekretär in ihrem Ministerium wird Andre Baumann aus Schwetzingen – auch er war für den Führungsposten gehandelt worden.

> Manne Lucha: Zivildienst, Krankenpfleger, Diplom-Sozialarbeiter. Gemeindepsychiatrie-Leiter, Management-Master, Minister. Der 60-jährige Vater zweier Kinder kennt seinen Arbeitsbereich aus verschiedensten Rollen. Mit der Flüchtlings-Integration und der Corona-Krise hatte sein kleines Ressort in der vergangenen Legislaturperiode zwei Großprojekte zu stemmen. Dass er sich von einem Kabarettisten, den sein Ministerium förderte, zum Essen einladen ließ, hätte ihm beinahe einen Untersuchungsausschuss beschert.

> Theresia Bauer: In der ersten Regierung Kretschmann war die Politologin ein Star. Von 2011 bis 2016 wurde die Heidelbergerin dreimal zu Deutschlands Wissenschaftsministerin des Jahres gewählt. Die zweifache Mutter hat die Forschungslandschaft stärker vernetzt und den Hochschulen eine bessere Finanzierung verschafft. Das 2016 gegründete Cyber Valley, eines der größten europäischen Forschungszentren zur Künstlichen Intelligenz, gehört zu ihren Vorzeigeprojekten. In der zweiten Legislatur lädierte der Untersuchungsausschuss "Zulagen Ludwigsburg" Bauers Image als mögliche Kretschmann-Nachfolgerin. Der Regierungschef zog ihre Qualität aber nie Zweifel.
> Thomas Strobl: Vor der Landtagswahl hatten den Heilbronner Politikprofi schon viele abgeschrieben, nach der Wahlschlappe darf sich der CDU-Landeschef als Brückenbauer zentraler Architekt der Neuauflage der Koalition wieder mit dem Titel Vize-Ministerpräsident schmücken. Als Innenminister wird der 61-Jährige wieder das für die CDU zentrale Thema Sicherheit besetzen. Mit seinem früheren Generalsekretär Manuel Hagel an der Fraktionsspitze darf der CDU-Bundesvize weniger Störfeuer aus den eigenen Reihen als in den vergangenen fünf Jahren erwarten.

> Nicole Razavi: Die bisherige Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion stand bei CDU-Landeschef Strobl früh weit oben auf dem Zettel. Die 56-jährige Verkehrsexpertin, die in der Vergangenheit so manche Klinge mit dem grünen Verkehrsminister Winfried Hermann gekreuzt hat, hat sich auch als Teil des Kernverhandlungsteams für den Aufstieg empfohlen. Wäre Ex-Fraktionschef Wolfgang Reinhart indes, wie zunächst geplant, Minister geworden, wäre Nicole Razavi dem Regionalproporz zum Opfer gefallen. Nun übernimmt sie das neue Wohnungsministerium.

> Peter Hauk: Als einziges Kabinettsmitglied hat der Diplom-Forstwirt Regierungschefs verschiedener Parteien als Minister gedient. 2005 bis 2010 war er unter Günther Oettinger (CDU) Minister für Ländlichen Raum, seit 2016 unter Winfried Kretschmann (Grüne). Zwischendurch führte er die CDU-Landtagsfraktion. Von der Ökopartei wird der 60-Jährige nach Streits um Windkraft, Wölfe, Pestizide und Schlachthöfe misstrauisch beäugt. Dem Vater dreier Kinder gelang 2019 aber mit dem scheidenden Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) und den Initiatoren auch ein Kompromiss zum umstrittenen Volksbegehren "Pro Biene".

> Nicole Hoffmeister-Kraut: Vor fünf Jahren war ihre Ernennung noch ein Überraschungscoup: CDU-Landeschef Strobl hatte den Landtagsneuling direkt ins Kabinett berufen. Als Spross einer Balinger Unternehmerfamilie und als diplomierte Kauffrau mit Doktortitel verkörpert die dreifache Mutter schon von Herkunft und Fachkenntnis her die Wirtschaftsnähe, die die CDU als eine ihrer Kernkompetenzen sieht. In ihre zweite Amtszeit startet die 48-Jährige mit einem stark veränderten Ressort: Für das neue Wohnministerium musste die von den Grünen kritisch gesehene Ministerin ihre größte Abteilung abgeben, dafür erhält sie neu die Zuständigkeit für Tourismus.

> Marion Gentges: Die Fachanwältin für Arbeitsrecht hat CDU-Landeschef Thomas Strobl erst spät als Kandidatin für sein Kabinettsteam ins Auge gefasst. Dabei hat sich die 49-Jährige im Landtag, dem sich seit 2016 angehört, dank klarer Analysen und taffer Auftritte für höhere Weihen empfohlen. Strobl hätte aber wohl einer anderen CDU-Politikerin den Job als neue Justizministerin gegeben, wenn ihm nicht der Regionalproporz in die Quere gekommen wäre. So darf nun die aus Haslach im Kinzigtal stammende Mutter einer Tochter anstelle des nicht mehr berufenen, bisherigen Justizministers Guido Wolf die Fahne Südbadens auf der Ministerbank hochhalten.