Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Lars Klingbeil (41) ist Generalsekretär der SPD.
Monatelang hat die Große Koalition um die Grundrente gerungen. Jetzt liegt ein Kompromiss vor. Beide Koalitionspartner fühlen sich als Sieger. Wer hat sich am Ende durchgesetzt?
Klingbeil: Es geht hier nicht um Gewinner und Verlierer in der Koalition. Es geht um die Frage, ob wir eine spürbare Verbesserung für die Menschen in diesem Land hinbekommen haben. Und da sage ich klar: Ja, das haben wir. Millionen von Rentnerinnen und Rentnern, die ein Leben lang zu niedrigen Löhnen geschuftet und etwas geleistet haben, bekommen nun etwas mehr Geld und ihre verdiente Anerkennung vom Staat. Es hat lange gedauert. Aber am Ende hatten wir die Kraft, das durchzusetzen. Das ist ein Erfolg für die Große Koalition, aber vor allem für Rentnerinnen und Rentner in diesem Land.
Aber vor allem ist es ein Rettungsanker für die Große Koalition, oder?
Nein, es zeigt, dass diese Koalition in der Lage ist, gute Lösungen für die Menschen zu finden. Es war wichtig, dass wir das nach langen und harten Diskussionen geschafft haben. Das ist es was zählt, nicht das Empfinden der Koalition hier in Berlin.
Aus der Bedürftigkeitsprüfung wird die Einkommensprüfung – ist da die SPD der Union entgegengekommen?
Wir haben eine tragbare Lösung gefunden. Für uns war immer wichtig, dass wir Rentnerinnen und Rentner nicht zu Bittstellern machen und sie für ein paar Euro mehr betteln müssen. Jetzt wird es eine völlig automatisierte Prüfung des Einkommens geben. Niemand muss für die Grundrente zu einem Amt rennen, das ist bürgerfreundlich und unbürokratisch. Ich bin sehr froh, dass wir dieses große Bürokratiemonster Bedürftigkeitsprüfung verhindert haben.
Die Kosten für die Grundrente werden auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Wie lässt sich das finanzieren?
Ein Teil läuft über einen höheren Bundeszuschuss zur Rentenversicherung, ein anderer Teil wird über die Finanztransaktionssteuer gedeckt. Die Grundrente ist finanziert und das ohne höhere Rentenbeiträge.
Einnahmen, die es noch gar nicht gibt, wie die Finanztransaktionssteuer, einzuplanen – ist das nicht ein ungedeckter Scheck?
Nein, die Transaktionssteuer ist vereinbart. Sie wird nach jahrelanger Diskussion endlich kommen, auch weil Olaf Scholz so beharrlich war.
Was will die Große Koalition generell gegen zunehmende Altersarmut tun? Die Grundrente ist da nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Die Grundrente ist nicht weniger als ein sozialpolitischer Meilenstein. Und sie hilft auch gegen Altersarmut. Darüber hinaus haben wir eine Rentenkommission eingesetzt in der Regierung, die Anfang 2020 Vorschläge vorlegen wird, wie wir das Rentensystem dauerhaft stabilisieren können. Das wichtigste Rezept aber gegen Altersarmut ist, dass die Menschen gute Jobs haben und gut verdienen.
Es gibt auch von der SPD die Forderung nach einem höheren Mindestlohn. Welche Höhe wäre aus Ihrer Sicht angemessen?
Wir wollen den Mindestlohn perspektivisch auf 12 Euro erhöhen. Das werden wir auf dem Bundesparteitag noch einmal bekräftigen. Wir brauchen einen Mindestlohn, von dem die Menschen auskömmlich leben können.
Erst die positive Halbzeitbilanz, jetzt grünes Licht für die Grundrente – ist die Groko gerettet?
Das sind zwei wichtige Schritte. Und ich finde wir können stolz darauf sein. Vor allem die Bilanz der SPD-Minister kann sich sehen lassen: Wir haben die Einkommen von Familien und Beschäftigten erhöht, den Mindestlohn für Azubis eingeführt, jetzt die Grundrente durchgebracht. Wir verbessern das Leben der Menschen. Dafür machen wir Politik und dafür sind wir in die Regierung gegangen.
Wird die Große Koalition dann am Ende der Wahlperiode auch noch eine Abschlussbilanz vorlegen?
Diese Regierung ist bis 2021 gewählt. Die Wählerinnen und Wähler nehmen bei der nächsten Bundestagswahl dann die Abschlussbilanz und deren Bewertung vor.
Die Entscheidung um den SPD-Vorsitz geht in die heiße Phase. Immer mehr aus der Parteispitze bekennen sich zu Olaf Scholz und Klara Geywitz. Ist das Rennen schon gelaufen?
Nein, das Rennen ist offen, transparent und fair. Es ist vollkommen legitim, dass Politiker in Führungsverantwortung von Kevin Kühnert bis Heiko Maas am Ende sagen, wen sie unterstützen. Was es aber nicht geben wird, sind Empfehlungen ganzer Parteigremien. Dafür habe ich geworben. Die Stichwahl geht jetzt in die heiße Phase. Heute Abend wird es ein Aufeinandertreffen der Teams im Willy-Brandt-Haus geben, das wir live übertragen. Das wird spannend und ich freu mich drauf. Ich gehe davon aus, dass die beiden Duos jetzt auch zuspitzen werden.