Von Anne-Beatrice Clasmann
Berlin (dpa) - Als der Moderator der "Wirtschaftsschutzkonferenz 2018" den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, auf die Bühne bittet, wird es still im voll besetzten Saal. Niemand klatscht. Der Interviewer scherzt, Maaßen könne ganz frei von der Leber weg reden, denn "es spielt sowieso keine Rolle mehr". Der BfV-Chef ist wenig amüsiert. Er regt er sich über eine "dumme Frage" auf. Über "das mit der AfD" will er an diesem Dienstag nicht sprechen, sagt er. Nicht auf der Bühne und auch sonst nicht.
Das lästige AfD-Thema klebt an Maaßen wie ein Kaugummi am Schuh. Gespräche, die er mit führenden Mitgliedern der Partei geführt hat, sorgten diesen Sommer für Schlagzeilen. Immer wieder wird Maaßen gefragt, ob die AfD durch den Machtzuwachs ihres rechtsnationalen Flügels nicht inzwischen ein Fall für eine Beobachtung durch seine Behörde sei. Seine Antwort lautet bisher konstant: "Nein".
Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic bewertet es als "bemerkenswert, wie wenig Aufmerksamkeit der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz rechtsextremen Netzwerken, Bewegungen und Parteien entgegenbringt". Wenn sich Maaßen zur AfD oder zu Reichsbürgern äußere, schwinge "immer etwas Onkelhaft-Verständnisvolles für die Menschen mit, die den mittig-konservativen Weg verlassen und sich nach rechts radikalisieren". Auch die jüngsten Vorfälle nach der tödlichen Messerattacke in Chemnitz hätten gezeigt, dass die Verfassungsschützer weit entfernt seien von einer fundierten Einschätzung des rechtsextremen Mobilisierungspotenzials.
Die Hürde für die Beobachtung einer Partei durch den Verfassungsschutz ist hoch. Selbst wenn dabei keine nachrichtendienstlichen Mittel, wie etwa das Abhören von Telefonaten, eingesetzt werden. Voraussetzung für eine Beobachtung ist, dass eine Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht nur hingenommen wird, sondern "maßgeblicher Zweck" der Partei ist. Als Beispiele nennt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages Staats- und Gesellschaftsordnungen, die "an den Nationalsozialismus angelehnt" sind, eine "Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne" oder eine islamistische Herrschaft, die Religionsfreiheit und Gleichberechtigung von Mann und Frau missachtet.
Dass die Parteijugend der AfD jetzt in Bremen und Niedersachsen beobachtet wird, kommentiert die Bundespartei zwar bisher noch recht gelassen. Einige Funktionäre interpretieren diese Maßnahme gegen die Junge Alternative (JA) aber sehr wohl als Warnschuss. Vor allem, da ein Großteil der JA-Mitglieder auch der Partei angehört, darunter Abgeordnete der Bundestagsfraktion wie Markus Frohnmaier und Sebastian Münzenmaier.
Zu denjenigen, die vorsichtshalber schon einmal die Reißleine ziehen, gehört Partei-Vize Kay Gottschalk. Er sagt: "Notfalls muss der Jungen Alternative der Status der offiziellen Jugendorganisation der AfD aberkannt werden."
Um das zu verhindern, hat sich der JA-Bundesvorsitzende Damian Lohr einen Plan B zurechtgelegt. Er reagiert auf die aus seiner Sicht "unbegründete" Beobachtung der beiden Landesverbände durch die Landesämter für Verfassungsschutz mit dem Vorschlag, die Landesverbände aufzulösen. Ob er dafür beim außerordentlichen JA-Bundeskongress die notwendige Mehrheit erhalten wird, ist aber nach Einschätzung eines langjährigen Mitglieds der Jugendorganisation keineswegs sicher.
Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, bewertet diese Präventiv-Strategie auf jeden Fall nicht als falsch. Sie sagt: "Die Bundesorganisation der Jungen Alternative braucht die volle Unterstützung der AfD-Bundespartei. Die JA-Spitze hat Rückendeckung und Hilfe des Parteivorstandes verdient."